KfW-Party anlässlich der Preisvergabe in der Kategorie Energetisches Sanieren
BM Manuela Henkel (3.v.l) und Dr. Christine Meißner (DSK zuständig für die Stadtentwicklung (1.v l) nahmen in Berlin den KfW-Award 2022 in Empfang
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Klimaschutz

Spitze beim Energetischen Sanieren: Geisa in Thüringen

Die thüringische Kleinstadt Geisa hat kürzlich den erstmalig vergebenen "KfW Award Leben 2022" in der Kategorie "Energetische Stadtsanierung" gewonnen. Geisa hat in diesem Bereich also einiges richtig gemacht, aber noch sind nicht alle Probleme gelöst. Die Altstadt und die Denkmalschutzbestimmungen bereiten der Gemeinde Kopfzerbrechen.

Nachhaltig, innovativ, zukunftsweisend: Das sind die Kriterien, anhand derer der neue "KfW Award Leben 2022" vergeben wird. Im Energiesektor ist das kleine Geisa, gelegen im Biosphärenreservat Rhön, schon jetzt ziemlich gut aufgestellt. Zur Gemeinde gehören 1.000 Hektar Wald. Durch die Borkenkäferplage der vergangenen Jahre entstand ein enormer Holzvorrat, mit dem die Kommune ihre Hackschnitzelanlagen und ihr Nahwärmenetz betreibt. Neben den kommunalen Liegenschaften in der denkmalgeschützten Altstadt - darunter Rathaus und Schlosshotel - wurde vor Jahren auch die Einbindung der privaten Haushalte an das kommunale Nahwärmenetz diskutiert. Bürgermeisterin Manuela Henkel erläutert: "Da die Kapazität des Netzes allerdings zu gering war und Gas ein günstigere Energiequelle für die Bürger darstellte, entschied man sich vor drei Jahren für die Erdgasanbindung der Gebäude in der historischen Altstadt.“  Anstatt einer Erdgasleitung setzte der regionale Energieversorger allerdings ein autonomes System mit einer LNG-Anlage um. An diese sollen nun in den nächsten Monaten das komplette Industriegebiet sowie die Innenstadt angeschlossen werden. „In der jetzigen Energiekrise hat das aktuell erst einmal den Vorteil, dass Geisa als erste Stadt Deutschlands damit unabhängig von russischem Gas wäre.“ Ein langfristiges Modell für die Zukunft sieht Manuela Henkel hierin allerdings nicht. Die Preise erwartet sie weiterhin auf hohem Niveau, ob mit oder ohne Ukraine-Konflikt. Dieser sei, sagt sie, nicht der Auslöser, sondern der Beschleuniger für die Energiekrise. "Ich denke, dass Wasserstoff in der Zukunft eine größere Rolle spielen wird. Die neuen Erdgasleitung durch Geisa sind auf jeden Fall wasserstofffähig."

Energetisches Sanieren: Vieles richtig gemacht

Neben der weitgehend autarken Energieversorgung gab es für die KfW-Award-Leben 2022-Jury weitere Komponenten für die Auszeichnung: in Geisa wurden in den vergangenen Jahren auf den kommunalen Liegenschaften, in den Sportstätten und im Gewerbegebiet umfangreiche Solaranlagen installiert und die Beleuchtung im Öffentlichen Raum auf LED umgestellt. Schon seit längerem sind die kommunalen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dazu angehalten, Online-Konferenzen abzuhalten und auf Reisen weitgehend zu verzichten. Zudem wurde ein Energiemanager verpflichtet, der alle kommunalen Liegenschaften regelmäßig energietechnisch optimiert. Den Bürgerinnen und Bürgern stehen Energieberater zur Verfügung, der ÖPNV mit Rufbussen attraktiver gemacht und das Radwegenetz ausgebaut.      

Energetische Sanierung: Was tun mit der Altstadt?

Wenn Manuela Henkel über den pittoresken Stadtkern von Geisa spricht, dann gerät sie auch schon mal ins Schwärmen: Wunderschön sei die denkmalgeschützte, kleinteilig bebaute Altstadt innerhalb der alten Stadtmauern. Zwischen 40 und 50 Prozent der städtischen Gebäude sind historische Bauten. Aber genau hier liegen auch die Probleme, die einer CO2-neutralen und emissionsarmen Kommune im Wege stehen: Der Denkmalschutz verbietet Photovoltaikanlagen auf den Dächern, die Dämmung der historischen Fassaden ist auch nicht erlaubt. Aber das sind nicht die einzigen Herausforderungen. Manuela Henkel: "Erschwerend kommt hinzu, dass Geisas Altstadt eng bebaut auf einem Bergsporn liegt und diese topografische Besonderheit auch berücksichtigt werden muss. Bislang konnte sich der Stadtrat noch nicht auf eine gemeinsame Linie bezüglich Abstriche beim Denkmalschutz im Rahmen der dafür erlassenen Satzung zuzulassen." Letztendlich, sagt die Bürgermeisterin, sei es auch richtig, dass um das weitere Vorgehen gerungen wird. "Schließlich wirken sich Maßnahmen, die wir jetzt ergreifen, sich auf Jahrzehnte aus. Grundsätzlich bin ich aber der Meinung, dass die Energiewende Priorität gegenüber dem Denkmalschutz haben sollte. Schnellschüsse sollten wir dabei aber vermeiden."
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Die malerische Altstadt von Geisa ist denkmalgeschützt und damit ein Problem.

Die technischen Entwicklungen im Auge behalten

Manuela Henkel ist davon überzeugt, dass die Krisen unserer Zeit - Klimawandel, Energiekrise, Ukrainekrieg - neben großen Problemen auch große Chancen bergen. "Ich denke, dass das Tempo, in dem neue Entwicklungen vorangetrieben werden, sich noch einmal deutlich steigern wird. Stand Jetzt ist es zum Beispiel technisch bereits möglich, PV-Anlagen in Dachziegel mit den vor Ort vorherrschenden Farbgebungen unauffällig einzubinden. Da hier die Nachfrage relativ gering ist, sind die Kosten für solche speziellen In-Dach-Solarmodule teilweise aber noch viel zu hoch. Das könnte sich aber durchaus ändern. Deshalb behalten wir hier in Geisa technische Innovationen genau im Blick."

Netzwerke bilden, Innovationen befördern 

Zusätzlich will die Bürgermeisterin des kleinen Ortes die Zusammenarbeit und die Vernetzung mit Wirtschaft und Wissenschaft weiter vorantreiben. Darin, sagt sie, läge ein großes Potenzial - nicht nur für die Kommunen. Die Wissenschaft müsse raus aus dem Elfenbeinturm. Erfahrungsgemäß kämen die Erkenntnisgewinne der Forscher erst in zehn bis fünfzehn Jahren in den Kommunen an. Das müsse schneller gehen. "Kommunalpolitiker, das ist meine Überzeugung, müssen heute mehr sein als nur reine Verwalter. Wir müssen als Kommunen neue Netzwerke bilden und Innovationen befördern helfen." Ihr Ziel bleibt ein energieautarkes und ein klimaneutrales Geisaer Land: "Versprechen kann ich natürlich nichts. Das wäre einfach unseriös Aber wenn wir in acht bis zehn Jahren dieses Ziel erreichen könnten, dann hätten wir einen tollen Job gemacht."


 

Fotocredits: Stadt Geisa