
Kommunaler Wohnungsbau
So haben Plattenbauten Zukunft
Nordhausen in Thüringen, 43.000 Einwohner, gelegen etwa mittig zwischen den Großstädten Kassel, Leipzig und Halle. Hier sind die Plattenbauten aus DDR-Zeiten ein vertrauter Anblick. Besonders die Blocks in der Dr. Robert Kochstraße und in der Ossietzky-Straße ziehen die Blicke auf sich: In den vergangenen sechs Jahren wurden die insgesamt 115 Wohnungen plus drei Gewerbeflächen von der SWG, der städtischen Wohnungsbaugesellschaft, saniert, man könnte auch sagen: optimiert.
Plattenbau: klimagerecht saniert
Die drei Wohnblocks sind einheitlich in den 70er Jahren nach dem DDR-Baustandard WBS70 in einem einheitlichen Modularsystem errichtet worden. Bis zuletzt erfreuten sich die Wohnungen großer Beliebtheit, auch wenn eine Sanierung 50 Jahre auf sich warten ließ. 2019 beschloss die Kommune, die drei Komplexe nachhaltig zu sanieren. Die neuen "Schmuckstücke" können nach Abschluss der klimagerechten Sanierungsarbeiten durchaus als Vorzeigeobjekte dienen: PV-Anlagen, Wärmepumpen, Wärmetauscher, Fernwärme-Anbindung, eigene Energiespeicher als "Klimapuffer", teilweise Fußbodenheizungen. Auf erdölbasierte Dämmungen wurde komplett verzichtet. Heute erfüllen die Wohnblocks die KfW-Standards 100 beziehungsweise 85. Teilweise wurden auch Aufzüge eingebaut und Flächen im Quartier entsiegelt.
Inge Klaan, Geschäftsführerin der SWG, spricht mit Stolz von den Sanierungsarbeiten. "Wir hatten bis dahin noch nie ein derartig komplexes Projekt umgesetzt. Wir sind technologieoffen und sehr ins Detail gehend an die Planungen herangegangen. Wenn es ohne Qualitätseinbußen möglich war, haben wir - Stichworte Kreislaufwirtschaft und Ressourcenbewusstsein - recyceltes Material eingesetzt. Das war ein sehr dynamischer Prozess, eine echte Ochsentour. Aber eine, die sich gelohnt hat. Selbst aus Taiwan besuchen uns Delegationen, um sich die Objekte anzusehen."
Sanierung: herausfordernde Kostenexplosion
Ursprünglich war die energetische Sanierung der großen Blocks mit 12 Millionen Euro veranschlagt worden. Zu Beginn der Arbeiten 2019 war der Ukraine-Krieg nicht in "Sichtweite", eine Energiewende auf kaum einer Tagesordnung, Gas aus Russland war billig. Mit Beginn des Krieges in der Ukraine verdoppelten, teilweise verdreifachten sich die Preise für Gas, Wärme und Strom. "Trotz dieser Veränderungen wollten wir an unseren Plänen und Standards festhalten, einfach, weil wir die Erfahrungen, die wir jetzt gemacht haben, zukünftig brauchen werden. Und ein Baustopp wäre noch teurer gekommen", erklärt Inge Klaan.
Zuvor hatte bereits die Corona-Pandemie Planungsabläufe zunichtegemacht. "Zum Beispiel durften wir lange keine Schächte bohren. Weil in der Tiefe Bomben aus dem Zweiten Weltkrieg vermutet werden. Wäre bei Schachtarbeiten eine Bombe gefunden worden, hätte das nahegelegene Krankenhaus unter Corona-Bedingungen evakuiert werden müssen", erläutert die Geschäftsführerin der SWG. Auf 16,3 Millionen haben sich die Maßnahmen dann tatsächlich addiert, inklusive 4,7 Millionen Fördergelder durch KfW und Städtebauförderung.
Was kostet die Sanierung die alten und neuen Mieterinnen und Mieter? Das sind die Zahlen:
Wohnkomplex Ludwig:
• 75 Wohnungen und 3 Gewerbe
• Gesamtfläche 4738,37 Quadratmeter
• Neuvermietung 7,50 Euro pro Quadratmeter (Vergleich Durchschnittsmiete SWG 2024 5,29 Euro pro Quadratmeter)
• Durchschnitt Betriebskosten 1,81 Euro pro Quadratmeter (SWG 2023 2,57 Euro pro Quadratmeter)
Wohnkomplex Sophia:
• 40 Wohnungen
• Gesamtfläche 2188,87 Quadratmeter
• Neuvermietung 9,20 Euro/Quadratmeter (Vergleich Durchschnittsmiete SWG 2024 5,29 Euro pro Quadratmeter)
• Durchschnitt Betriebskosten 2,12 Euro pro Quadratmeter (SWG Durchschnitt 2024 3,21 Euro pro Quadratmeter)
Inge Klaan bilanziert: "Nimmt man den gestiegenen Wohnwert dazu, dann geht die Rechnung auf. Das haben auch die Neumieterinnen und Mieter so gesehen und uns die Wohnungen förmlich aus der Hand gerissen."
Die Wohnungen wurden uns förmlich aus der Hand gerissen."
Eine erste Auszeichnung hat das wegweisende Projekt in Sachen Plattenbau auch schon erhalten. Im Mai wurde der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft SWG vom Verband der Thüringer Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (VTW) der Thüringer "Wohnräume-Preis" zuerkannt. Das Projekt zeige, wie neue Wohnqualitäten im Bestand und unter wirtschaftlich tragfähigen Rahmenbedingungen geschaffen werden können. Damit habe man in Nordhausen ein Leuchtturmprojekt für den sozial-ökologischen Umbau des Wohnungsbestandes geschaffen.