Wohnraum soll es künftig in vielen Städten nur noch in Form von Mehrfamilienhäusern geben - aus angeblich umweltpolitischen Gründen - aber stimmt das? Ein Kommentar
Wohnraum soll es künftig in vielen Städten nur noch in Form von Mehrfamilienhäusern geben - aus angeblich umweltpolitischen Gründen - aber stimmt das? Ein Kommentar
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Leitartikel

Wohnraum: Der Traum vom Plattenbau?

Das Einfamilienhaus gilt weiter als Sehnsuchtsort für zwei von drei Deutschen. Über Bebauungspläne wollen mehrere Städte den Bau künftig aber verhindern. „Der Absolutismus des Gemeinsinns einiger Großstädte ist eine große Chance für die ländlichen Räume“, meint Christian Erhardt und empfiehlt Kommunen, mehr Bauland zu mobilisieren.

Der Wohnraum der Vergangenheit ist in vielen Kommunen noch allgegenwärtig. Viele Städte und Gemeinden in Deutschland zeugen von einer Zeit, als reiche Menschen Villen mit großen, weitläufig angelegten Gärten gebaut haben. Etwas abseits davon dann meist Blocks für die weniger Begüterten, die keine Alternative hatten. Die alten Villen sind heute noch Schmuckstücke in vielen Orten, die Blocks hingegen häufig schon abgerissen. Die teure Villa jedoch ist energetisch betrachtet zumeist eine Katastrophe und so werden die Einfamilienhäuser des 21. Jahrhunderts nicht mehr mit so hohen Decken und großen Schlafräumen gebaut. Eher funktional, oft Fertighäuser aus Holz oder Ziegel. Immer häufiger auch als Plusenergiehaus mit kleinen Energiezentralen. In Städten sind ökologisch sinnvolle Town Houses im Kommen.

Doch gibt es seit jeher Stimmen, die das individualistische Bauen eines Hauses für eine Familie, das eigene Nest, grundfalsch finden. Argument früher war die Spreizung von Arm und Reich, heute ist es der Flächenverbrauch. Und so nutzen Städte wie Hamburg und Münster, oder neuerdings auch Wiesbaden Bebauungspläne, um solche Bauten zu verhindern. Jeder Bauherr kennt die Tücken von Bebauungsplänen und jeder Kommunalpolitiker den Druck, den der Bundesgesetzgeber an die Kommunen weitergibt.

Wohnraum anders aufteilen - Münster und das faktische Verbot neuer Einfamilienhäuser 

In Münster ist gerade eine „klimagerechte Bauleitplanung“ in Kraft getreten. In Wiesbaden soll es eine Mindestwohnungsdichte pro Hektar geben. Faktisch ist das aber nur über Mehrfamilienhäuser zu erreichen. So wird der Bebauungsplan zum Bauverhinderungsplan für Einfamilienhäuser.

Abgesehen davon, dass der große Garten meines Einfamilienhauses eine deutlich höhere Biodiversität als jeder Acker aufweist, ist das Vorgehen einiger großer Städte ein Geschenk an den ländlichen Raum. Denn die Zahl derer, die den Weg in die eigenen vier Wände auf dem Land suchen, ist seit Corona weiter gestiegen. 80.000 neue Einfamilienhäuser werden jährlich gebaut. Erstaunlich, weil 80 Prozent derjenigen, die sich ein Einfamilienhaus wünschen, lieber ein Bestandshaus kaufen möchten. Die gute alte Villa mag da in so manchem Hinterkopf romantisch mitschwingen. Nur sind wir da wieder beim Thema energetische Sanierung. Die aktuelle Diskussion um den Zwangseinbau der Wärmepumpe ist da nur die Spitze des Eisbergs. Als die Diskussion um das Verbot der Glühbirne begann, war zwar die Empörung mindestens genauso groß. Eine LED Lampe ist für einen Eigenheimbesitzer aber ebenso bezahlbar, wie für einen Mieter. Jedenfalls ist beim Glühbirnenverbot niemand aus seiner Wohnung ausgezogen. Das sieht bei der Wärmepumpe zwangsläufig anders aus. Was fehlt ist Verlässlichkeit. Junge Menschen bauen Häuser, weil sie eben diese Verlässlichkeit im Leben suchen. Mehr Verlässlichkeit als die spätere Abhängigkeit vom Staat in Form der gesetzlichen Rente. Doch galten auch Gasheizungen, Pellets und Nachtspeicheröfen eine Zeit lang als besonders förderungswürdig. Jetzt ist es die Wärmepumpe. Wie lange wird das Bestand haben? Städte und Gemeinden können gar nicht genug Druck auf die Bundespolitik machen, hier langfristige Garantien zu geben. 

Fehlender Wohnraum? Eine Chance für den ländlichen Raum! 

Was viele Großstädte noch nicht auf dem Schirm haben: Bei der Frage, wo ich meinen Sehnsuchtsort schaffe, sind die Menschen – spätestens seit Corona –sehr viel flexibler geworden. Anders gesagt: Wenn Münster ein faktisches Bauverbot für Einfamilienhäuser verhängt, dann freuen sich zahlreiche ländlich geprägte Orte in den Nachbarkreisen Steinfurt, Coesfeld und Warendorf. Über zusätzliche Einwohner und zusätzliche Grundsteuer. Vorausgesetzt es gelingt ihnen, genügend Bauflächen auszuweisen. Denn da liegt das nächste Problem. Es gilt, Brachflächen zu mobilisieren, Baugebote zur Wohnbebauung durchzusetzen, Leerstände zu managen und ländliche Räume durch Mobilitätsangebote und Digitalisierung nach vorne zu bringen. Das sind die eigentlichen Herausforderungen, von denen faktische Bauverbote nur ablenken.

Politik leidet am "Absolutismus des Gemeinsinns" 

Und noch ein Märchen, mit dem ich aufräumen möchte: Nein, es ist nicht genug Wohnraum da, der nur falsch verteilt ist. Es gibt einfach zu wenige große Wohnungen und Einfamilienhäuser. In Berlin etwa können Mieter seit Jahren über eine Tauschbörse einen Wohnungstauch vornehmen. Der Quadratmeterpreis bleibt dann gleich, wer also in eine kleinere Wohnung zieht, spart tatsächlich Geld. Eine nette Idee, die aber krachend gescheitert ist. In drei Jahren gab es gut 300 Vermittlungen – weil auf einen Interessenten, der seine große gegen eine kleine Wohnung tauschen wollte, fünf Mietparteien mit dem Wunsch nach einer größeren Wohnung kommen. Warum? Weil Deutschlands Politik am „Absolutismus des Gemeinsinns“ leidet. Nicht rauchen, um die solidarische Krankenkasse nicht zu belasten. Später in Rente gehen um die Gemeinschaft der Rentenkasse zu schonen und schnell in die kleinere Wohnung ziehen, sobald die Kinder aus dem Haus sind, um Platz frei zu machen. Das ist das Gegenteil des Wunsches der Menschen nach mehr Individualität im eigenen Haus. Die Nachfrage nach Wohnraum steigt – Aufgabe der Politik ist es nicht, das zu verhindern, sondern diese Sehnsucht der Menschen zu befriedigen – und die Sehnsuchtsorte auch ökologisch zu bezahlbaren Zukunftsorten zu machen.