Zukunft ist Kopfsache - Wie Deutschlands Bürgermeister in Zeiten der Energiekrise einen kühlen Kopf bewahren
Zukunft ist Kopfsache - Wie Deutschlands Bürgermeister in Zeiten der Energiekrise einen kühlen Kopf bewahren - "Apokalypsen helfen uns nicht weiter, wir brauchen Anreize für Innovationen", meint KOMMUNAL-Chefredakteur Christian Erhardt

Leitartikel

Energiekrise: Wie Kommunen Anreize für Innovationen schaffen

Mit Notfallplänen bereiten sich Kommunen auf mögliche Energiekrisen vor. Alles nachvollziehbar, Apokalypsen helfen uns aber nicht weiter. „Wir brauchen in unseren Kommunen mehr Anreize für Innovationen statt Hysterie und Energiesparpläne“, meint Christian Erhardt.

Ich bin in den 80er Jahren groß geworden. Was heute die Energiekrise ist, waren damals Wettrüsten, Tschernobyl und mit HIV der erste Killervirus. Als mir die Lehrer in der Grundschule vom Waldsterben und dem baldigen Ende dieses Planeten erzählten, kam ich als Zehnjähriger völlig verstört nach Hause und dachte, ich würde bald keine Luft mehr bekommen. Kurzum: Eigentlich müsste ich lange tot sein. Nun, auch der Wald ist nicht gestorben.



Was bleibt sind die Zukunftsleugner von damals, die sich zusammentun mit den Paranoikern von heute. Wahrnehmung und Wirklichkeit klaffen vor allem in Deutschland so weit auseinander wie nie zuvor in einer Gesellschaft, die stark polarisiert und in der nur noch Katastrophenmeldungen durchdringen. Energiekrise ist da nur eines der Buzzwörter. 36 Grad und die Wetterkarten sind tiefrot, wo sie früher leichtes rot zeigten, garniert mit der Meldung von Waldbränden, für die natürlich nicht Brandstifter verantwortlich sind, sondern das Klima. Mein Hinweis in den sozialen Medien, dass Holz mindestens 250 Grad braucht um zu brennen, wird dann kommentiert mit den Worten „Klimaleugner“. Viele Menschen wollen offenbar glauben, dass die Welt immer schlimmer wird. Genau dieses „immer schlimmer“, gepaart mit einer Sehnsucht nach Deindustrialisierung ist aber die eigentliche Gefahr für unsere Gesellschaft.

Trotz Energiekrise: Es ging uns noch nie so gut wie heute! 

Gerade in Zeiten von Inflation, Gasumlage und Energiekrise müssen wir uns immer wieder klar machen: Es ging uns noch nie so gut wie heute! Weltweit hat sich die Zahl der Menschen, die in Armut leben, innerhalb von 20 Jahren mehr als halbiert. Selbst die Zahl der Naturkatastrophen sinkt. Lebenserwartung, Bildung, Gesundheit, alle Werte auf Rekordniveau. Kurzum: Heute ist alles besser! Aufs Spiel setzen können wir das nur, wenn wir den eingeschlagenen Weg nicht weitergehen, uns zurückentwickeln.



Beispiel Energiekrise: In der Corona-Zeit sind die CO2 Emissionen dramatisch gesunken. Um klimaneutral zu werden, bräuchten wir aber einen permanenten Lockdown für die nächsten 30 Jahre. Das kann keiner wollen. Vor allem aber wird das niemand mitmachen, selbst wenn wir es in Deutschland so beschließen.

Apokalypsen helfen uns also nicht weiter. Es geht darum, Technologien besser zu nutzen. Denn eigentlich wissen wir, dass wir mit einem Mix aus synthetischen Kraftstoffen, E-Mobilität und Wasserstoff so viel Auto fahren können, wie wir wollen. Selbst mit zwei Milliarden Fahrzeugen können wir gar nicht so viel Energie verbrauchen wie uns allein die Sonne liefert. Nur gehört zur Ehrlichkeit auch dazu, dass es bei Sonnenenergie auch Dunkelflauten gibt. Haben wir zu wenig, müssen wir teuer zukaufen. Wird zu viel produziert, muss ich überschüssige Energie teuer loswerden, damit die Netze nicht überlastet werden. Es braucht also zusätzlich immer einen Energieträger, auf den sich eine Gesellschaft jederzeit verlassen kann. Im Ergebnis heißt das: Nicht der Energieverbrauch muss sinken, die Energie muss im Kreislauf genutzt werden. Mit Verboten, Verzicht und Technologiefeindlichkeit machen wir keine Zukunft. Was wir brauchen sind Anreize für Innovationen. Diverse Boykottversuche helfen uns nicht, zumal sie in Deutschland gerne beim Boykott des „Coffee to Go Bechers“ enden.

Ein konkretes Beispiel: Ein Drittel aller Lebensmittel landen bei uns im Müll. Das kostet enormes Geld. Roboter und Drohnen können schon auf den Feldern helfen, die Schädlingsbekämpfung auf den Feldern zu optimieren. Gentechnik liefert dann Getreide mit deutlich mehr Ertrag und weniger Wasserverbauch, moderne Pflanzenzüchtungen sind zudem gegen Hitze und Wassermangel resistenter. Und im Supermarkt kann künstliche Intelligenz die Verschwendung von Lebensmitteln verringern, wenn die Nachfrage im Supermarkt genau berechnet wird. Zukunft ist Kopfsache und nicht Verbotspolitik!

Viele Bürgermeister reagieren dankenswerterweise besonnen auf die Energiekrise 

Anreize für solche Innovationen beginnen in den Kommunen. Gerade dort reagieren Menschen empfindlich, wenn man aus mündigen Bürgern steuerbare Verbraucher macht. Nach dem Motto: Energie wird jetzt nicht mehr entsprechend der Nachfrage produziert, sondern nach Angebot verteilt. Deutschland hat schlechte Erfahrungen gemacht mit Regimen, die per Zuteilung erzwingen wollen, was ich nutzen darf. Ich will nicht dankbar sein müssen, dass ich gnädigerweise noch den Lichtschalter betätigen darf, wenn ich im Gegenzug dafür mein E-Auto stehen lasse. Die SM-Praktiken der Energiepolitik, die da heißen: 1. „Es muss weh tun“ und 2. „Es muss teuer sein“, sind der falsche Weg. So können wir Bürger nicht mitnehmen. Und wenn Kommunen anfangen, in Sporthallen das warme Wasser abzudrehen um Energie zu sparen, mag das kurzfristig nötig sein. Nur werden vermutlich Legionellen das Ergebnis sein. Und es wundert bei so viel Hysterie auch nicht, wenn Baumärkte einen Rekordabsatz von Radiatoren melden. Was in der Pandemie das Toilettenpapier war, sind jetzt offenbar Heizlüfter. Wer keinen mehr ergattert, der bekommt praktische Spartipps von der Politik.

So jedenfalls ist kein Staat und keine Stadt und Gemeinde zu machen! Darum bin ich froh und dankbar dafür, dass es sehr viele Bürgermeister in Deutschland gibt, die in diesen Tagen besonnen vorgehen. Die schauen, an welchen Stellen die Kommune in Sachen Energieverbrauch in den vergangenen Jahren „Fettpolster“ angelegt hat, wo man sinnvoll sparen kann. Die aber nicht mit dem Holzhammer vorgehen und damit den Bürgern vor den Kopf stoßen. Denn Zukunft ist Kopfsache, zerstören wir diese schlauen Köpfe und das Potential nicht! Wir brauchen es!