Kindsköpfe oder helle Köpfchen? Bei konkreten Antworten auf Klimafragen wird sich zeigen, ob wir bei der Bundestagswahl richtig entschieden haben...
Kindsköpfe oder helle Köpfchen? Bei konkreten Antworten auf Klimafragen wird sich zeigen, ob wir bei der Bundestagswahl richtig entschieden haben...
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Leitartikel

Klimafragen: Weniger Berlin und mehr Kommune!

Deutschland steht vor historischen Zäsuren. Allein die Antworten auf die Klimafragen werden den größten Umbau der Wirtschaft in der Nachkriegsgeschichte nach sich ziehen. „Dafür brauchen wir keine Kindsköpfe an der Macht, sondern helle Köpfe in den Kommunen“, fordert Christian Erhardt daher eine neue Bundesregierung zum Umdenken auf.

Selten gab es einen solchen Wahlkampf der Nebensächlichkeiten. Frei erfundene Lebensläufe und – nicht nur schlumpfig - grinsende Kandidaten überfluteten die Debatten. Der Fortbestand der Republik hing offenbar vom Ausgang des Streits um Lastenräder ab. Fragen des Klimawandels liefen verniedlichend unter dem Stichwort „Bullerbü“. Wobei die Erfinderin dieser schönen, besseren Welt, Astrid Lindgren, zumindest ein gutes Symbol für die Schwelle von der „guten alten Zeit“ – die es bekanntlich nie gab – und der angeblichen Moderne ist. Aufgewachsen auf einem Bauernhof arbeitete sie als junge Frau bei einer Automobilzeitschrift. Womit wir bei einem weiteren polarisierenden Schlagwort dieses Wahlkampfes wären. Tempo 30 – von den einen als Ausgeburt der Hölle vehement verteufelt, von anderen als göttliches Allheilmittel in den Himmel gelobt. In der ideologisch verbohrten Debatte kommen nur leider die Auswirkungen für die Kommunen überhaupt nicht vor. Vor allem die meist kommunal organisierten Verkehrsbetriebe gehen bei dem Thema mit Vollgas auf die Barrikaden. Denn die Kosten für sie wären enorm. Da sind zusätzliche Ausgaben für Fahrzeuge und Personal, die durch einen Fahrbetrieb in durchgehendem Tempo 30 zu Buche schlagen. Es müssten mehr Busse und Züge eingesetzt werden, die bisher kalkulierten Wende- und Taktzeiten können durch längere Fahrzeiten nicht mehr eingehalten werden. Hier brauchen wir viel mehr Entscheidungsspielraum für Kommunen. Mit extrem bürokratischen Pilotprojekten für Tempo 30 ist es nicht getan.

Klimafragen entscheiden sich auch am Ausbau des Schienennetzes! 



Eine Alternative dazu wäre eine Verlagerung auf die Schiene. Nur hier dauert es von der Planung bis zur Fertigstellung neuer Infrastrukturprojekte im Schnitt 20 Jahre. Planungsfragen, die Beteiligung zahlreicher Behörden, die Bürgerbeteiligung und jede Menge Personal sind nötig. Der Bund entwickelt lockere Masterpläne mit großartigen Namen wie „Gutes Schienen-Gesetz“ oder so, die Detailfragen und die Umsetzung sollen dann die Kommunen mit ihrem spärlichen Personal stemmen. Die Verkehrswende wird aber nur gelingen, wenn die Planungsvorgaben für wichtige Infrastrukturprojekte schneller und einfacher werden. Die Bürokratie lässt auch hier grüßen.

Bei Klimafragen die Kommunen fragen! 

Und auch sonst täte der Bund gut daran, die Kommunen stärker vor Ort entscheiden zu lassen, was in Klimafragen sinnvoll ist und was nicht. Der großartige Energiemais mag einige wenige beim Spaziergang durch einst schöne Landschaften wenig stören, eine mit Steuergeldern geförderte Monokultur bleibt es trotzdem. Und es ist absurd, im windschwachen Bayern mit jeder Menge Subventionen flächendeckend Windkraftanlagen zwangs-bauen zu wollen. Vor allem, wenn die zusätzlich nötigen Pumpspeicherwerke garantiert zur nächsten Bürgerinitiative führen und somit niemals durchsetzbar sind.

Bürgerbeteiligung - gut gemeint ist oft das Gegenteil von gut gemacht!

Apropos „Politik mit Aktivismus“ ruinieren: Bürgerbeteiligung mag „modern“ klingen, so wie Bund und Länder sie bisher durchpeitschen ist sie aber nicht mehr als ein Angriff auf das politische Ehrenamt. Denn nicht die Bürger bekommen so mehr Mitsprache, sondern nur ganz bestimmte Gruppen. Hunderttausende ehrenamtliche Gemeinderäte opfern ihre Freizeit für die Kommunalpolitik, aber wenn es wichtig wird, sollen sie sich fein zurückhalten. Wer selbstbewusste und kompetente Persönlichkeiten unbedingt davon abhalten will, Verantwortung zu übernehmen, soll ruhig diese Form der „direkten Demokratie“ weiter fördern, sich aber bitte nicht über fehlende Kandidaten für die nächsten Kommunalwahlen beschweren. Allen anderen sei gesagt: „Wir leben in einer repräsentativen Demokratie“. Was rauskommt sind Entscheide, wie jüngst in Tübingen, wo ein Bürgerentscheid eine Bahn durch die Innenstadt verhindert hat. Das größte Infrastrukturprojekt der Region liegt damit auf Eis. Mit der Innenstadtbahn sollten Tübingen und Reutlingen verbunden werden. Reutlingen baut seinen Teil.

Klimafragen und Finanzen - ein heikles Zusammenspiel...

Bleibt die dritte große Herausforderung, das Thema Finanzen. Die Steuerverluste des Jahres 2020 hat der Bund ausgeglichen, für dieses und kommendes Jahr fehlen aber fast 20 Milliarden Euro an Steuereinnahmen. Die Kommunen sind der mit Abstand größte öffentliche Investor. Können sie sicher planen und umsetzen, boomen auch Wirtschaft und Arbeitsmarkt. Mit 36 Milliarden Euro an Altschulden wird das aber nicht passieren. Im Gegenteil: Steigen die Zinsen auch nur minimal, werden diese Städte von der Schuldenlast erdrückt.

Fazit: Es reicht eben nicht, wenn Bundespolitiker ihre Plakate mit Sprüchen wie „Aufbruch“ und „Modernisierungsjahrzehnt“ bekleben. Die neue Regierung muss Antworten finden. Und selbst das malerisch landwirtschaftliche Bullerbü funktionierte nur durch Zusammenhalt und das Wissen, dass man „auch ohne Staat durch den Winter kommen muss“. Weniger Berlin und mehr Kommune – das wäre mal ein Wahlplakat für helle Köpfchen!