Die Wärmezentrale der Stadtwerke
Beim örtlichen Unternehmen entsteht aus Abwärme Fernwärme für die Haushalte der Stadt.
© Polifke/Stadtwerke Neuburg an der Donau

Klimaneutralität

Neuburg an der Donau: Fernwärme aus Abwärme

Fossile Gebäudeheizungen sind aus vielen Gründen ein Auslaufmodell. Wegen steigender Preise für Gas und Öl sind sie teuer und ein Hemmnis auf dem Weg zur Klimaneutralität. Eine kleine Stadt in Bayern investiert viel Geld in Fernwärme, die hier besser Nahwärme heißen sollte. Der Clou: Früher wurde die von ortsansässigen Unternehmen erzeugte Abwärme ungenutzt in die Luft abgegeben. Das hat sich geändert. Welche Auswirkungen hat der Krieg in der Ukraine?
Aktualisiert am 12. April 2022

Bayern möchte bis 2040 klimaneutral werden. Fünf Jahre früher als der Bund. Ein engagiertes Ziel, wenn man bedenkt, dass weit mehr als die Hälfte aller Gebäude in dem süddeutschen Bundesland noch mit fossilen Brennstoffen beheizt werden. In Neuburg an der Donau könnte es mit der Klimaneutralität deutlich früher klappen. Der 30.000 Seelen-Ort hat schon vor etwa zehn Jahren beschlossen, massiv in den Ausbau von Fernwärme zu investieren. Aus der Ferne kommt die Wärme in Neuburg an der Donau aber nicht wirklich. Eher aus der direkten Nachbarschaft. Genauer gesagt: von Verallia. Ein ortsansässiges Unternehmen, das Glasverpackungen für Lebensmittel herstellt. Ein hitzeintensives Geschäft. Und die dabei erzeugte Abwärme? Die wurde früher ungenutzt in die Luft abgegeben. Das ist inzwischen anders.

Fernwärme -  so funktioniert es

Auf dem Gelände von Verallia wurde von den Stadtwerken eine Wärmezentrale gebaut. Über eine Vielzahl von Rohren über mehreren Stockwerken gelangt die Wärme über Metallrohre in die Stadt und über ein weiteres Rohrsystem zurück in den Betrieb. Zusammen mit mehreren Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen versorgt das mittlerweile 35 Kilometer lange Netz derzeit etwa 400 Gebäude mit mehr als 1.600 Wohnungen mit Wärme. 65 Millionen Kilowattstunden werden jährlich durch das Netz verteilt. Ein Drittel stammt aus der Abluft der Industrie, ein Drittel aus den Blockheizkraftwerken und ein weiteres Drittel von Gasspitzenkesseln, die im Winter die Spitzenlasten abfangen. Im gleichen Zeitraum spart die Stadt etwa 18.000 Tonnen CO² ein.

Kleine Stadt mit großen Zielen

Aber dabei soll es nicht bleiben. Der kleine Neuburg an der Donau hat das Glück, mehrere Unternehmen aus der Schwerindustrie zu beheimaten. Ausgeschöpft werden sollen zukünftig auch die Kapazitäten eines Dämmstoffherstellers. Das alte und das gerade neu gebaute Werk könnten zusammen weitere 40 bis 50 Millionen Kilowattstunden zuliefern. Sowohl die Stadt als auch die Unternehmen profitieren von dieser Kooperation. Die Stadt und ihre Bürger erhalten nicht-fossile und dazu in hochpreisigen Zeiten für Öl und Gas günstige Wärme und die Unternehmen einen finanziellen Gegenwert sowie gutgeschriebene CO²-Zertifikate für ihre zuvor ungenutzt verpuffende Wärme. Eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Fernwärmegewinnung bei Verallia

Fernwärme ausbauen – nicht ganz billig

Bisher hat die Kommune in den Ausbau ihres Fernwärmenetzes etwa 40 Millionen Euro investiert. Noch einmal 14 Millionen Euro sollen in die Zusammenarbeit mit dem Dämmstoffhersteller gesteckt werden. Ernst Reng stellvertretender Werkleiter und Bereichsleiter Technik der Neuburger Stadtwerke, erläutert: „Natürlich ist das viel Geld für eine so kleine Kommune. Aber wir haben es geschafft, schon jetzt eine schwarze Null zu schreiben. Außerdem muss keine Kommune solche Projekte alleine stemmen. Etwa 40 Prozent der Kosten können durch kleinere und größere Fördertöpfe eingenommen werden.“

Von Neuburg für Neuburg

Das Anzapfen der Fördergelder ist für die Kommune natürlich mit einem hohen Zeitaufwand verbunden, aber auf Dauer rechnen sich Investitionen und Mehrarbeit. Erst Reng hält die Entscheidung der Stadtwerke – für die es aufgrund der hohen Schuldenlast auch jede Menge Kritik gab – jedenfalls für goldrichtig. „Von Neuburg für Neuburg: Das ist unsere Devise und die hat sich bewährt. Zu Beginn der Zusammenarbeit mit Verallia 2013 hat über Klimaneutralität hierzulande noch kaum jemand gesprochen. Wir waren sehr früh am Start und das gibt uns im Bereich Klimaschutz und Klimaneutralität nun einen Vorsprung. Andere Kommunen stehen da noch ganz am Anfang, aber unser Beispiel hat schon begonnen, in den Nachbarkommunen Schule zu machen.“

Auswirkungen des Ukraine-Kriegs

Welche Auswirkungen hat der Ukraine-Krieg auf die Energieversorgung in Neuburg an der Donau? "Aktuell sind wir nur insofern betroffen, als sich die noch nicht fix gekauften Gaspreise um den Faktor 5 bis 10 erhöht haben, was massive Mehrkosten verursacht", sagte Ernst Reng, Bereichsleiter Technik von den Stadtwerken. Sollte der Gasfluss aus Russland enden und sollte die Industrie, von der die Stadt die Abwärme aus dem Kamin bezieht, abgeschaltet werden müssen, hätte die Stadt diese Wärmequelle nicht mehr. "Ob und zu welchen Preisen wir das dann mit unseren Gas-Spitzenkesseln kompensieren können, wird sich zeigen", so Reng. "Um unsere Abhängigkeit von Gas zumindest zu reduzieren, haben wir bereits mehrere Öl-Kesselanlagen in Bereitschaft beziehungsweise lassen sie bei extremen Gaspreisen auch schon mitlaufen." Zudem versuche die Stadt, einen Hackschnitzelkessel bis Herbst in Betrieb zu nehmen, um noch unabhängiger zu werden. "Ziel ist es, im schlimmsten Fall zumindest eine Wärme-Grundversorgung bereit stellen zu können", betonte der Bereichsleiter bei den Stadtwerken.

Fotocredits: Polifke/Stadtwerke Neuburg an der Donau