Flächensparen
Niemand will in einer lebensfeindlichen Steinwüste leben, sondern in grüner Umgebung.
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Umweltschutz

Flächensparen - aber bitte richtig!

28. März 2022
Hohe Wellen schlägt seit längerem die Diskussion um Flächenverbrauch, bauliche Verdichtung und hohe Grundstückspreise. So wurden jüngst die Abstand flächenregelungen in der Bayerischen Bauordnung weiter gelockert. Gefragt ist nachhaltige Verdichtung, meinen unsere Gastautoren vom Wasserwirtschaftsamt in Rosenheim.

Zur Versachlichung des recht emotionalen Diskurses könnte vielleicht der Gedanke beitragen, dass man Flächen ja gar nicht verbrauchen und andererseits auch nicht sparen kann. Es geht immer nur um die Art ihrer Nutzung, die höchst unterschiedlich sein kann. Aber welche Maßstäbe sollen angelegt werden, wenn eine Nutzungsänderung zur Diskussion steht? Letztlich geht es doch auch hier wieder um Nachhaltigkeit, also soziale, ökonomische und nicht zuletzt ökologische Belange, die bestmöglich abgewogen und in Einklang gebracht werden müssen. Das gilt nicht nur für den Siedlungsraum, sondern auch für die freie Landschaft. Und überall sind auch die ökologischen Belange immer mehr in den Vordergrund gerückt. Die Klimaänderung bringt Trockenheit und heizt unsere Siedlungen auf, Starkregenereignisse und Sturzfluten bedrohen zunehmend Siedlungen und Baugebiete – zwei Seiten einer Medaille, zwei Entwicklungen, die nicht mehr umkehrbar sind, sondern höchstens abgeschwächt werden können.

Regenwasser zurückhalten

Die Zahl der Hitzetoten in den Städten hat – weitgehend unbemerkt – stark zugenommen, die Schäden von Gewittern und Starkregen belaufen sich alle Jahre auf mehrere hundert Millionen Euro. Nicht nur CO2-Vermeidung, sondern Anpassung ist gefordert und es wird schnell klar, dass der Wasserhaushalt eines Siedlungsgebietes dabei von herausragender Bedeutung ist. Regenwasser, das zurückgehalten wird, um zu verdunsten oder zu versickern, schafft im Sommer angenehme Kühle, hält schattenspendende Pflanzen am Leben, speist das Grundwasser und entlastet Kanalisation und Gewässer. Dazu braucht es ein Mindestmaß an Platz.

Tobias Hafner, Leiter Wasserwirtschaftsamt Rosenheim
Tobias Hafner, Leiter Wasserwirtschaftsamt Rosenheim



Wo sollen sonst große Bäume wachsen, wo Sickermulden angelegt werden, wenn die Zwischenräume zwischen den Häusern komplett mit Tiefgaragen unterkellert sind? Letztlich muss das Ziel sein, den lokalen Wasserhaushalt mit seinen Komponenten Niederschlag, Abfluss und Verdunstung bei der Bebauung eines Gebietes gegenüber dem unbebauten Ausgangszustand nicht schädlich zu verändern. Das kann gelingen, wenn man alle Möglichkeiten konsequent nutzt: Dach- und Fassadenbegrünung, die gleichzeitig als Bienenweide dienen, Wasserrückhalt in Mulden, die gleichzeitig als Feuchtbiotope oder der Erholung dienen und Starkregen schadlos aufnehmen können, Bepflanzungen, die die Verdunstung erhöhen und die Gebäude beschatten, durchlässige Beläge zur Entlastung der Kanalisation und Zisternen zur Bewässerung der Pflanzen in heißen Sommern. Nachhaltige Verdichtung ist gefragt, nicht Verdichtung um jeden Preis und nicht nur unter dem Aspekt der maximalen Ausnutzung des teuren Baugrundes.

Paul Geisenhofer, ehemaliger Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim
Paul Geisenhofer, ehemaliger Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim

Wie kommt man dahin? Durch eine klare Zielvorgabe einer qualitativ hochwertigen, nachhaltigen Siedlungsentwicklung, speziell Bauleitplanung, die von Anfang an im gleichberechtigten Team der verschiedenen Planungsdisziplinen von Stadt- und Landschaftsplanern, Architekten und Straßenbau- und Wasserwirtschaftsingenieuren verwirklicht wird. Und auch die Bürger sollten frühzeitig beteiligt werden. Niemand will nämlich in einer lebensfeindlichen Steinwüste leben und seine Kinder aufwachsen lassen. Alles viel zu teuer, werden an dieser Stelle viele einwenden. Ja, es werden vermutlich ein paar Quadratmeter weniger Wohnraum entstehen, aber klimaangepasstes „blau-grünes Bauen“ verursacht nicht unbedingt Mehrkosten.

Kostenvorteile beim Neubau

Insbesondere beim Neubau oder bei ohnehin anstehenden Stadtumbaumaßnahmen können sich sogar Kostenvorteile ergeben, zum Beispiel durch Wegfall der Regenwasserkanalisation, eingesparte Niederschlagswassergebühren, geringere Heiz- und Kühlkosten, Einsparungen bei der Grünflächenbewässerung etc. Außerdem können immense Schäden durch Starkregen vermieden werden. Nicht zu vergessen die nicht monetär bewertbaren Vorteile durch Ökosystemleistungen: Mehr Lebensqualität, Gesundheit und Artenvielfalt in der Stadt. Unsere Kinder und Enkel würden es uns danken!