Wenn alles rechnen nicht mehr hilft: So manche Kommune geht finanziell am Stock.
In manchen Kommunen reicht das Geld nicht einmal mehr für das Nötigste.
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Schuldenstand

Kommunale Finanzlage? Katastrophal

Es war ein Paukenschlag, als kürzlich in Freisbach, Landkreis Germersheim, Bürgermeister und Gemeinderat aus Protest an den Verhältnissen geschlossen zurückgetreten sind. Andere Kommunen zeigen dafür Verständnis. Im saarländischen Merzig und in Bad Liebenzell im Schwarzwald ist die kommunale Finanzausstattung ebenfalls am Anschlag und die Liste der Forderungen lang.

"Als gewählter Vertreter möchte man seiner Verantwortung gerecht werden. Sie müssen wichtige Entscheidungen zum Wohl und zur Zukunft ihrer Kommune treffen, scheitern jedoch immer öfter an den bestehenden Rahmenbedingungen Wenn alle Bemühungen, sich Gehör zu verschaffen und für Verbesserungen zu kämpfen, nicht fruchten, ist ein solcher Schritt die Ultima Ratio", zeigt Marcus Hoffeld, Bürgermeister von Merzig, einer Kreisstadt im Saarland, Verständnis für den Schritt des zurückgetretenen Bürgermeisters und des Gemeinderats in Freisbach.

René Kaufmann von der Kämmerei in Bad Liebenzell, eine Bäder- und Kurstadt im nördlichen Schwarzwald im Landkreis Calw, sieht das ganz ähnlich: "Als Privatperson habe ich für den Schritt Verständnis, da mit diesem Vorgehen ein deutliches, lang überfälliges Zeichen an die Landes- und Bundespolitik gesendet wird. Zu lange wurden die Bedürfnisse der Kommunen nicht mehr wahrgenommen und der im Grundgesetz, Artikel 28, verankerte Spielraum tendiert gegen null."

Merzig: Die kommunale Finanzlage

Wie viele andere saarländische Kommunen steht die Kreisstadt Merzig finanziell mit dem Rücken zur Wand. Seit Jahren kämpft die Kommune mit strukturellen Defiziten, die stetig angewachsen sind. Etwa die Hälfte der aufgelaufenen Kassenkredite sind ab 2020 vom Land übernommen worden. Die Kommunen sind verpflichtet, die etwa 50 Prozent Eigenanteil im gleichen Zeitraum - bis 2064 - getilgt werden müssen. Neue Kassenkredite? Verboten. Marcus Hoffeld: "Im laufenden Jahr weist der Haushaltsplan trotz einer Vielzahl von Einsparungen ein zahlungsbezogenes Defizit von etwa 5 Millionen Euro aus. Durch die aktuellen Herausforderungen - unter anderen die Flüchtlingssituation, hohe Energiekosten, Tarifsteigerungen, Inflation - ist damit zu rechnen, dass das Defizit noch einmal anwächst." Rosige Zeiten? In Merzig auch in Zukunft nicht zu erwarten.

Bad Liebenzell: Hier sieht es kaum besser aus

Die Stadt lebt hauptsächlich von Fremdenverkehr und Tourismus. Seit etwa 30 Jahren, heißt es in der Kommune, seien in diesem Bereich keine größeren Umsätze oder gar Gewinne mehr zu erwirtschaften, aber Investitionen in diesem Sektor müssen dennoch getätigt werden. Die kommunale Eigengesellschaft "Freizeit und Tourismus Bad Liebenzell GmbH" macht Verluste, die ausgeglichen werden müssen. Für jeden Landeszuschuss muss die Kommune in diesem Sektor Eigenmittel aufbringen - die nicht mehr vorhanden sind. Der Haushalt ist seit Jahren hoch belastet. Zusammen mit den fünf kommunalen Eigenbetrieben weist der Haushalt am Ende des Jahres eine Verschuldung von 6.800 Euro pro Einwohner auf.  

Merzig und Bad Liebenzell: Wo wird gespart?

Wo sparen die Kommunen? An Infrastruktur und Instandhaltung. Einen nicht mehr stemmbarer Investitionsstau schiebt Merzig vor sich her. Die Folgen: Die wenigen noch verbliebenen, freiwilligen Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger werden infrage gestellt: Kultur- und Tourismusangebote, Vereins- und Sportförderung und die Jugendarbeit. Trübe Aussichten auf Jahrzehnte für die Bevölkerung. In Bad Liebenzell kann man das nur unterstreichen. "Maßnahmen im Straßenbau? Werden gestreckt oder ganz verschoben", sagt  René Kaufmann und schiebt nach: "Auf Dauer macht das eine Kommune natürlich unattraktiv."

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Die kommunale Finanzlage: Das sind die Forderungen

Kämmerer René Kaufmann aus Bad Liebenzell und Marcus Hoffeld, Bürgermeister von Merzig, fällt einiges ein, was hoch verschuldete Kommunen wie die ihren entlasten könnte:

  • Kommunen im Freizeit- und Tourismussektor sollten besondere Landeszuweisungen erhalten. Die Begründung: Kommunen wie Bad Liebenzell sind überregional aktiv, nehmen in den Ferienzeiten viele Reisende auf und entlasten damit deren Heimatkommunen.
  • Bildung eines überregionalen Infrastruktur- und Finanzierungskonzept in diesem Sektor.
  • Partieller Schuldenerlass bzw. kommunale Altschuldenlösung durch den Bund und die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse. 
  • Neuordnung des Finanzausgleichs. 
  • Entbürokratisierung, die den Kommunen immer weitere Personalkosten aufbürdet. Personal, das aufgrund des Fachkräftemangels ohnehin nur schwer zu finden ist.
  • Beachtung des Konnexitätsprinzips bei der Übertragung neuer Aufgaben.
  • Einfache, pauschalisierte und nachhaltige Infrastrukturförderprogramme durch Länder und Bund

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