Immobilienpreise
Die Immobilienpreise wieder ins Lot bringen - das versucht die Stadt Detmold über eine Genossenschaft.
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Immobilien

Kommunales Modell gegen explodierende Immobilienpreise

Kommunen müssen selbst zum Bauherrn werden, um die Interessen der Bürger langfristig sicherzustellen. Davon ist der Bürgermeister von Detmold überzeugt. Das sogenannte Detmolder Modell gibt ihm Recht. Frank Hilker erläutert seinen Ansatz gegen explodierende Immobilienpreise im KOMMUNAL-Gastbeitrag. Dabei spart er auch nicht mit Kritik an der Rolle der Bundespolitik.

Trotz des Baubooms in Deutschland ist der Wohnungsmarkt weiterhin sehr angespannt. Die Anzahl der Bürger, die auf Wohnungssuche sind, hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Zeitgleich hat sich die Zahl der Sozialwohnungen in Detmold wie auch in ganz Deutschland in den vergangenen 15 Jahren halbiert. Als eine der wichtigsten kommunalen sozialen Fragen der Gegenwart wird vielerorts die Schaffung bezahlbarer Quartiere für Bürger genannt. Doch der sozialpolitische Auftrag der Kommunen zur Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum als Teil der Daseinsvorsorge gerät immer mehr ins Stocken.

Die Hoffnung, dass Privatinvestoren und damit der Markt sich der Aufgabe der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum annimmt, scheitert vielfach an der fehlenden Renditegarantie, da „Private“ es bevorzugen, in freifinanzierte Wohnungen mit höheren Renditen zu investieren. Ergo: Kommunen müssen selbst zum Bauherrn werden, um die Mietinteressen ihrer Bürger langfristig sicherzustellen.  Doch welches Modell ist zur Steuerung der Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum in diesem zunehmend an Bedeutung gewinnenden kommunalen Aufgabenfeld das zielführendste?

Steigende Immobilienpreise in Detmold

Detmold ist dank attraktiver Arbeitgeber, der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe, der international renommierten Hochschule für Musik, einer reizvollen Infrastruktur und dem angrenzenden Teutoburger Wald ein Magnet für junge Familien und erlebt dadurch ein stabiles Wachstum. Wohnraumknappheit und zunehmend steigende Mieten sind Folgewirkungen dieser Entwicklung. Aber aucht Detmold verfügt wie alle kleinen und mittelgroßen Kommunen nicht über die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen oder die passenden Gebäude oder Flächen. Gleichzeitig stellte sich der Stadt – von 1949 bis 2014 Garnisonsstadt der britischen Armee – die Aufgabe der Entwicklung von Konversionsflächen, welche die britische Armee nach ihrem Abzug an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben übergeben hatte. Bei ihrem vollständigen Abzug übergaben die britischen Streitkräfte ein Quartier mit 320 Wohneinheiten an die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben.

Genossenschaft gegründet

Im April 2019 erwarb die Stadt unter dem ehemaligen Bürgermeister Rainer Heller und mir als damaligen Kämmerer und heutigen Bürgermeister  sowie dem Technischen Beigeordneten Thomas Lammering in einem ersten Schritt 44 Wohneinheiten des Quartiers von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben. Gemeinsam mit einer Projektentwicklungsgesellschaft, einer rechtsanwaltlichen Begleitung sowie der Detmolder Gesellschaft für Stadtentwicklung gründete die Stadt die Wohnbaugenossenschaft Britensiedlung eG, in die die Kommune die erworbenen Immobilien als Sacheinlage einbrachte und im Gegenzug dafür Genossenschaftsanteile erhielt. Eine genossenschaftliche Lösung in Kooperation mit einer privaten Gesellschaft zur Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, die mittlerweile als Detmolder Modell bekannt ist.

Lokale Unternehmen beauftragt

Die Gründung der Genossenschaft – normalerweise eine sehr kostenintensive Angelegenheit und deswegen häufig keine Option – bewegt sich außerhalb des kommunalen Haushalts. In der Rechtsform Genossenschaft war es möglich, sämtliche Sanierungsaufträge in einem beschleunigten Verfahren zu vergeben. Bei den beauftragten ausführenden Betrieben handelt es sich ausschließlich um lokale Unternehmen, sodass die Wertschöpfung regional, also vor Ort, stattfinden konnte.

Dieser Flexibilität ist es auch zu verdanken, dass mit der Umsetzung der Sanierung der Wohneinheiten schnellstmöglich begonnen werden konnte. Nachdem die Genossenschaft im Januar 2020 formell gegründet worden war, waren die 44 Wohneinheiten der Genossenschaft im August desselben Jahres saniert und bezugsfertig. Ende des Jahres 2020, also nur zwölf Monate nach deren Gründung, meldete die Genossenschaft: Alle 44 Wohneinheiten vermietet. Das Ergebnis: Die Häuser konnten zu einem Quadratmeterpreis von 6,30 Euro vermietet werden, während die durchschnittliche Miete in Detmold inzwischen bei 7,44 Euro liegt.

Kritik an Bundesanstalt für Immobilienaufgaben BImA

Es zeigt sich: Beim Thema Stadtentwicklung sind Bund und Kommunen gemeinsam gefordert.  Auch aus allen anderen betroffenen Kommunen kommt die Nachricht, dass sich die Verhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hinsichtlich der Entwicklung von Konversionsflächen sehr schleppend gestalten. Häufig scheitern die konkreten Verhandlungen an formellen überhöhten Wertermittlungen mit dem Ergebnis, dass die Bundesanstalt sich vorbehält, diese Konversionsflächen selbst zu vermarkten.

Das Ergebnis ist oft ernüchternd. Gebäude, die unter anderen Umständen gut für die Entwicklung von Quartier- oder Gewerbeimmobilien genutzt werden könnten, stehen infolgedessen leer und ihr Zustand verschlechtert sich zunehmend. Hauptursache ist die organisatorische Anbindung der Anstalt im Bundesfinanzministerium des Bundes. So dominieren finanzwirtschaftliche Aspekte die Verhandlungen – gemeinsame Zielsetzungen im Bereich der Stadtentwicklung treten in den Hintergrund.

Auch aus allen anderen betroffenen Kommunen kommt die Nachricht, dass sich die Verhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilien hinsichtlich der Entwicklung von Konversionsflächen sehr schleppend gestalten.

Detmolds Bürgermeister Frank Hilke

Eine Lösung sollte darin gesucht werden, die Anstalt organisatorisch im Bereich des Bundesbauministeriums anzusiedeln, denn zuvorderst geht um Fragen und Themen der Stadtentwicklung. Der Bund sollte ein identisches Interesse wie die betroffenen Kommunen haben, nämlich Konversionsflächen schnellstmöglich zu mobilisieren und dadurch eine städtebauliche Entwicklung der betroffenen Quartiere zuermöglichen.  Auf diesem Weg könnte und sollte vermieden werden, dass finanzwirtschaftliche Aspekte den Ausschlag dafür geben, wie sich eine Kommune städtebaulich entwickelt, die als lokaler Konversionsstandort über viele Jahre hinweg eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe erfüllt und damit einen Beitrag für die globale Entwicklung der Bundesrepublik geleistet hat. 

Zweite Genossenschaft: Breitefeld

Mittlerweile wurde in der ehemaligen Britensiedlung die zweite Genossenschaft Breitefeld gegründet, in der 90 Wohneinheiten unter anderem für Studenten der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe und circa 30 Werkswohnungen für Mitarbeiter von Detmolder Unternehmen entstehen sollen. Auch hier haben nach der erfolgreichen Gründung in der bewährten Kooperation im Genossenschaftsmodell die Sanierungsarbeiten bereits begonnen.