Hasswelle: Kommunalpolitik - Aus Hetze werden Taten
In Deutschlands Rathäusern geht immer häufiger die Angst um. Beleidigungen und verbale Bedrohungen sind immer mehr an der Tagesordnung. Das zeigt eine Umfrage von KOMMUNAL unter mehr als 1000 Bürgermeistern in ganz Deutschland. KOMMUNAL hat die Umfrage für das ARD-Politmagazin "Report München" erstellt. Demnach haben 40 Prozent aller Rathäuser schon mit Stalking, Beschimpfungen und Drohungen zu kämpfen gehabt.
Hasswelle hat das Internet längst verlassen
Einschüchterungsversuche sind an der Tagesordnung. Und das längst nicht mehr nur anonym im Netz. Denn die Studie unter den gut 1000 Bürgermeistern zeigt auch: Der Hass findet seinen Weg raus aus der Anonymität der sozialen Medien immer häufiger direkt in die Amtsstuben und in das Privatleben von Ehrenamtlichen und Hauptamtlichen. Ob auf Veranstaltungen oder in persönlichen Gesprächen - der Hass wird immer offener und direkter ausgesprochen.
Aus der Verrohung der Sprache wird rohe Gewalt
Schlimmer noch - Amtsträger müssen sich inzwischen nicht mehr "nur" mit verbalen Einschüchterungsversuchen auseinandersetzen. Auch die Zahl der tatsächlichen Übergriffe mit körperlicher Gewalt nimmt spürbar zu. Schon im Jahr 2017 hatte KOMMUNAL den gut 1000 Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern die gleiche Frage gestellt - wurden Sie oder ein Mitarbeiter oder ein Gemeinderat körperlich angegriffen? Damals gaben knapp 6 Prozent der Befragten an, direkt betroffen gewesen zu sein. Hochgerechnet waren damit schon damals etwa 650 Städte und Gemeinden betroffen. Diese Zahl hat sich nach der neuen Umfrage nun deutlich auf fast 900 erhöht. Jede zwölfte Kommune wurde angegriffen, so der Stand im Juni 2019.
Die Hasswelle beim Thema Flüchtlinge ebbt leicht ab
Immerhin gibt es eine gute Meldung. Die Flüchtlingspolitik der Kommunen ist nicht mehr das alles beherrschende Thema, wenn es um Anfeindungen geht. Beschimpfungen und Beleidigungen im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik gehen laut unserer Umfrage zumindest leicht zurück. Waren im Jahr 2017 47 Prozent der Kommunen im Zusammenhang mit der Flüchtlingspolitik beschimpft worden, sind es aktuell gut 41 Prozent. Ein leichter Rückgang auf leider weiter sehr hohem Niveau.
Grund zur Entwarnung ist das aber nicht. Denn an die Stelle der Flüchtlingspolitik tritt offenbar eine neue Form des organisierten Rechtsextremismus. Selbsternannte Reichsbürger machen den Kommunen immer mehr das Leben schwer. Das sind oft bewaffnete und häufig politisch rechtsextreme Personen, die die Existenz der Bundesrepublik Deutschland nicht anerkennen und Kommunen mit Anfragen belästigen. Das Ziel: Verwaltung lahmlegen.
Vor allem in Ostdeutschland sind diese selbsternannten Reichsbürger besonders aktiv, wie unsere Umfrage belegt. Allen voran aus Brandenburg melden die Rathäuser große Probleme.
Regional gibt es also auch beim Thema Hasswelle gegen Bürgermeister, Verwaltungen und Ehrenamtliche Kommunalpolitiker ein Ost-West Gefälle. Die Verwaltungen in Bayern haben demnach im Verhältnis betrachtet am Wenigsten Probleme. Alle anderen westdeutschen Bundesländer liegen auf ähnlichem bundesdurchschnittlichem Niveau gleichauf, Ostdeutschland schert hingegen in vielen Punkten nach oben aus. Wobei wir hier erwähnen müssen, dass die Datenbasis relativ gering ist, wir hier also bei den regionalen Zahlen nur einen Trend darstellen können. Die exakten Prozentzahlen sind mit Vorsicht zu genießen und nur bedingt vergleichbar.
Eine 'Zahl hat uns aber dennoch positiv überrascht. Die Zahl der Sachbeschädigungen direkt an Rathäusern ist nicht so hoch, wie das teilweise angenommen wird. Hier fällt auf, dass vor allem in kleineren Gemeinden Sachbeschädigungen nur relativ selten ein Problem sind. Der Trend auch hier: Je größer die Stadt, desto mehr Sachbeschädigungen gibt es. Zum Hintergrund: Wir haben in unserer Umfrage die Bürgermeister auch befragt, wie viele Einwohner ihre Gemeinde hat, können daher die Trends ablesen.