Hausarrest für Katzen - in Walldorf wird ihnen der Freigang nun gestrichen - per Allgemeinverfügung - der Bürgermeister hält die Verordnung des Landkreises für "Realitätsfremd", Tierschutzvereine wollen klagen
Hausarrest für Katzen - in Walldorf wird ihnen der Freigang nun gestrichen - per Allgemeinverfügung - der Bürgermeister hält die Verordnung des Landkreises für "realitätsfremd", Tierschutzvereine wollen klagen
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Recht Aktuell

Landkreis verordnet Hausarrest für Katzen -Tierschützer klagen - Das ist die Rechtsgrundlage

Artenschutz versus Tierschutz - so könnte man die Diskussion zusammenfassen, die seit einigen Tagen im Rhein-Neckar-Kreis läuft. Die Bewohner der Stadt Walldorf in Baden-Württemberg müssen ihre Hauskatzen ab sofort den ganzen Sommer über einsperren. So steht es in einer Allgemeinverfügung des Landkreises. Der Bürgermeister des Ortes ist massiv dagegen - sieht rechtlich aber keine Handhabe gegen den Kreis. Ein Tierschutzverein hat nun eine Klage vorbereitet. Wir bringen Licht ins rechtliche Dunkel:

Freigang gestrichen - Hausarrest für Katzen in Walldorf. Ein deutschlandweiter Aufreger, wie es die kleine 15.000 Einwohner-Stadt Walldorf sonst nicht gewohnt ist. Überregional bekannt ist die Kommune eigentlich für ihren prominenten Firmensitz - SAP hat seinen Hauptsitz im Ort. Ansonsten stammt noch der Auswanderer Johann Jakob Astor aus dem Ort. Er ist indirekt Namensgeber der Waldorf-Astoria Hotels sowie der Waldorfschulen. Eine Schule, die für ihren Freigeist bekannt ist. Und in genau dem Ort sollen die tierischen Freigeister nun eingesperrt werden. Fünf Monate lang, jeden Sommer bis zum Jahr 2025. So steht es in der Allgemeinverfügung des Landkreises. Die Verfügung im Original stellen wir Ihnen am Ende dieses Beitrags als PDF zum Herunterladen zur Verfügung. 

Das ist der Grund für den Hausarrest für Katzen 

Als Begründung nennt der Landkreis den Schutz der vom Aussterben bedrohten Haubenlerche. Mit der Verfügung will der Landkreis verhindern, dass die Katzen die dort lebenden und brütenden Haubenlerchen jagen und erlegen. Wer dagegen verstößt, muss mit einem Bußgeld von 500 Euro rechnen. Sollte aufgrund eines Verstoßes tatsächlich eine Haubenlerche von Katzen verletzt oder getötet werden, will der Landkreis das mit einer Geldbuße von bis zu 50.000 Euro ahnden. Als Grundlage nennt die Allgemeinverfügung hier den Paragrafen 69 Absatz 2 Nummer 1 der Bundesnaturschutzverordnung. 

Der Bürgermeister von Walldorf, Matthias Renschler kann darüber nur den Kopf schütteln. Das sei völlig "realitätsfremd", sagte er dem Südwestrundfunk. Man habe aber als Stadt keinen Einfluss auf die Allgemeinverfügung des Kreises. Der Tierschutzverein des Ortes hat inzwischen eine Klage angekündigt.  

Von einem "Lagerkoller für Katzen" sprechen die Gegner bereits. Katzen müssten wahlweise durch eine solche Verordnung entweder aggressiv oder depressiv werden. In den sozialen Medien fragen Nutzer, ob Marder und Füchse jetzt auch "im Bau" bleiben müssen. Andere berichten schon wenige Tage nach Inkrafttreten der Verordnung von "blutenden Beinen durch die Freigeister". Immerhin lässt die Verordnung zwei Ausnahmetatbestände zu. Erstens dürfen die Katzen an einer maximal zwei Meter langen Leine spazieren geführt werden. Was Katzenbesitzer jedoch als "Farce" abtun, die wilden Taschentiger lassen sich halt nach ihren Aussagen nicht an die Leine nehmen. Und zweitens kann die Untere Naturschutzbehörde laut der Verordnung Ausnahmen erlassen, wenn ein Besitzer anhand eines GPS-Trackings (solche Chips gibt es für Katzen) nachweisen können, dass sich die Tiere in der Vergangenheit nie in dem Gebiet aufgehalten haben, in dem die Haubenlerchen von März bis September nisten und ihre Jungvögel großziehen. 

Das ist die Rechtsgrundlage für den Hausarrest für Katzen in Walldorf 

Der Landkreis hat die Verordnung vorher genau rechtlich geprüft. Als Grundlage nennen sie die Bundesartenschutzverordnung (§7 Absatz 2 Nr 14 c BNatSchuG). Wörtlich heißt es: "Als besonders und streng geschützte Art unterliegt die Haubenlerche den artenschutz- rechtlichen Verboten des § 44 Abs. 1 Nrn. 1 – 3 BNatSchG. Nach der Nr. 1 der ge- nannten Vorschrift ist es verboten, wildlebenden Tieren der besonders geschützten Arten nachzustellen, sie zu fangen, zu verletzen oder zu töten oder ihre Entwicklungs- formen aus der Natur zu entnehmen, zu beschädigen oder zu zerstören."

Daher gehe es darum, eine Gefahr abzuwenden, die zuvor selbst geschaffen wurde. Andere, mildere Mittel, kämen nicht in Betracht. Wörtlich heißt es zur Begründung in der Verordnung des Landkreises: "Der (fachliche) Kausalzusammenhang zwischen der Haltung von Freigänger-Katzen und der Tötung von Jungvögeln ist nach Rechtsauffassung der Unteren und Höheren Naturschutzbehörde hinreichend gegeben." Und weiter: "Der artenschutzrechtliche Tötungstatbestand ist bei Handlungen, bei denen die Tötung nicht beabsichtigt ist, sondern in Kauf genommen wird, dann gegeben, wenn das Tö- tungsrisiko signifikant erhöht wird. Dies ist bei freilaufenden Katzen dann der Fall, wenn sie nicht nur zufällig sondern regelmäßig in die Brutreviere der Haubenlerche gelangen können. Von dieser Regelmäßigkeit ist bei Katzen auszugehen, die in einer Entfernung von Haubenlerchen-Revieren gehalten werden, die geringer als der für Hauskatzen typische Aktionsradius bzw. geringer als der rechnerische Radius von Hauskatzen-Revieren bzw. Streifgebieten ist."

Wie groß der Aktionsradius von Katzen ist, ist derweil wenig bekannt. Die Kreisverwaltung verweist hier selbst auf recht unterschiedliche Angaben. Wörtlich heißt es: "

Für Katzen mit Hausanschluss werden in der Literatur mittlere Streifgebietsgrößen zwischen 2,5 und 7,9 ha angegeben. Bei Barratt (1997) wird aufgrund von Literaturauswertungen von einem durchschnittlichen Aktionsradius der Hauskatzen in Wohngebieten von 343 m ausgegangen, wobei in Einzelfällen die Aktionsradien auch deutlich größer oder kleiner sein können. Um den Tötungstatbestand mit hinreichender Sicherheit ausschließen zu können, genügt es nicht, den Freigang von Katzen zu unterbinden, bei denen der Abstand zwischen dem Haltungsort und dem nächst gelegenen Haubenlerchen-Revier den Mindestangaben zum Hauskatzen-Aktionsradius entspricht. Von einer hinreichenden Sicherheit kann vielmehr erst dann ausgegangen werden, wenn die in der Fachliteratur dokumentierten Durchschnittsdistanzen von 343 m zugrunde gelegt werden. Durch einzelne Hauskatzen mit größeren Aktionsradien ggfs. ausgelöste Tötungen von Haubenlerchen erfüllen wegen ihrer Seltenheit das Signifikanzkriterium des Tötungstatbestands hingegen nicht."

Gibt es Alternativen zum Hausarrest für Katzen? 

Auch Vorschläge, dass die Katzen etwa ein Glöckchen tragen müssen, um Vögel abzuschrecken, will der Landkreis nicht zulassen, bzw. hält das für nicht ausreichend. Denn flugunfähige Jungvögel würden nicht die Flucht ergreifen, so der Landkreis. 

Zudem habe man bereits mildere Mittel versucht. So wurde im vergangenen Jahr ein Gerät zur Abschreckung von Katzen getestet. Es arbeitete mit Ultraschall. Doch das sei nur in einem sehr engen Radius erfolgreich gewesen. Experimente hätten daher nur einen - so wörtlich - "moderaten Abschreckungseffekt auf Katzen" ergeben.

Was der Landkreis anerkennt ist, dass die Allgemeinverfügung im Konflikt mit dem Tierschutz hinsichtlich der artgerechten Haltung von Katzen steht. Wörtlich sagt der Landkreis: "Es wird nicht verkannt, dass der fehlende Freigang und der nur sehr begrenzte Aktionsraum in der Wohnung nachteilige Auswirkungen auf die Verhaltensweise der Katzen haben können. Dies hängt letztendlich von verschiedenen Faktoren wie z.B. Herkunft, Rasse, Alter, Gesundheit, gewohnter Lebensstil und Persönlichkeit/Charakter jedes einzelnen Tieres ab. So kann der – temporäre – Freiheitsentzug u.a. zu einer erhöhten Unruhe und Aggressivität, zum Zerkratzen von Tür- und Fensterrahmen oder zur Beschädigung von Mobiliar sowie Unsauberkeit (Nichtnutzen der Katzentoilette) führen. Die Tiere können sich aber auch zurückziehen und depressiv werden und möglicherweise auch das Fressen verweigern."  Daher seien die Maßnahmen auf das zwingend notwendige Minimum begrenzt worden, argumentiert der Landkreis. 

Zusammenfassend heißt es beim Landkreis: "Es gibt kein anderes geeignetes Mittel um den angestrebten Zweck zu erreichen, welches den Einzelnen oder die Allgemeinheit weniger beeinträchtigt."

Ob das die Richter genauso sehen, bleibt abzuwarten. Die Klage des Tierschutzvereins liegt bis heute noch nicht schriftlich vor. Einen Termin vor Gericht gibt es entsprechend auch noch nicht. 

Deutscher Tierschutzbund ist alarmiert 

Auch beim Deutschen Tierschutzbund schaut man mit großer Spannung auf eine mögliche Klage des örtlichen Vereins. Denn bisher gibt es in Deutschland keine vergleichbare Allgemeinverfügung. Wörtlich heißt es: "Das Staatsziel Tierschutz gilt für alle Tiere gleichermaßen. Tiere zweiter Klasse gibt es nicht. Indem die Bedürfnisse verschiedener Tierarten in Konkurrenz zueinander gestellt werden, duckt man sich auch vor der Verantwortung, die der Mensch für den Schutz aller Tiere trägt und zu der wir uns als Gesellschaft verpflichtet haben. Hauskatzen als „Schuldige“ für die Gefährdung bestimmter Vogelarten zu definieren, heißt auch, sie ausbaden lassen, dass der Mensch über lange Zeit Lebensräume und Nahrungsangebot für wildlebende Arten zerstört hat und diese so in ihrer Existenz bedroht."

Der Verband verweist darauf, dass der Rückgang von Arten wie der Vogelsorte vor allem auf den Verlust von Lebensräumen etwa durch die Intensivierung der Landwirtschaft, die verstärkte Bebauung von Brachflächen und das Insektensterben zurückzuführen sei. Als Kompromiss empfiehlt der Deutsche Tierschutzbund andere Maßnahmen zu ergreifen. "wie z.B. die großflächige Umfriedung mit Elektrozäunen für sensible Bereiche, die Erhöhung der Lebensraumkapazität und Schaffung von Bruthabitaten".  Nachbargemeinden wie Ketsch hätten ähnliche Maßnahmen im Übrigen bereits umgesetzt, so der Tierschutzbund. 



HIER FINDEN SIE DIE ALLGEMEINVERFÜGUNG ZUM HERUNTERLADEN ALS PDF: