Schule Gebäude -kommunales Immobillienmanagement
Kommunen können Investitionsbedarfe in städtische Immobilien wie Kitas oder Sporthallen angesichts knapper finanzieller und personeller Ressourcen priorisieren.
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Modell für Kommunen

So kann die Stadt ein Immobilienportfolio professionell managen

2. Oktober 2022
Eine zentrale Aufgabe des kommunalen Immobilienmanagements ist die Optimierung des Nutzwertes, der bautechnischen, ökologischen und ökonomischen Qualität des Immobilienbestands. Durch einen zielgerichteten Einsatz knapper finanzieller und personeller Ressourcen können wir den Sanierungsstau abbauen sowie Betriebskosten und CO2-Emissionen reduzieren, sagt KOMMUNAL-Gastautor Tobias Dölling vom Fachbereich Liegenschaften bei der Stadt Dortmund.

Sogenannte Infrastrukturimmobilien dienen uns Kommunen dazu, der Verwaltungstätigkeit nachzugehen, Kinder zu betreuen und zu unterrichten, Sport-, Freizeit- und Kulturangebote zu schaffen und vieles mehr. Sie binden viel Kapital und oft stille Reserven. Damit stellen sie für uns einen ökonomisch bedeutsamen und unverzichtbaren Erfolgsfaktor dar, um die hoheitlichen Aufgaben zu erfüllen. Doch sind diese oftmals mit einem nicht unerheblichen Sanierungsstau behaftet. Zudem genügen viele Gebäude nicht mehr den modernen Nutzeranforderungen, weil sich beispielsweise pädagogische Ansätze im Schulwesen weiterentwickelt haben oder zeitgemäße Büroarbeitsformen nicht mehr in die Grundrisse unserer Verwaltungsgebäude passen. Obendrein müssen wir in den nächsten Jahren erhebliche Investitionen tätigen, um die Immobilienbestände an die Klimaschutzziele anzupassen.

Immobilienportfolio-Management über ein Modell

Doch wo anfangen? Wie sollen wir die Investitionsbedarfe angesichts knapper finanzieller und personeller Ressourcen priorisieren? Als Mitarbeiter in der Investitionssteuerung im Fachbereich Liegenschaften bei der Stadt Dortmund stieß ich auf diese Problemstellung und entwickelte im Rahmen meiner Masterthesis am Europäischen Bildungszentrum der Wohnungs- und Immobilienwirtschaft (EBZ) ein Immobilienportfolio-Managementsystem, das uns Kommunen strukturiert aus diesem Dilemma herausführen kann. Das Portfoliomodell analysiert und bewertet den Nutzwert, die bautechnische und ökologische Qualität sowie die Wirtschaftlichkeit des Immobilienbestands auf der Gebäudeebene.

Sechs Kriterien werden gewichtet

Der Nutzwert des Gebäudes wird anhand von sechs Kriterien ermittelt: die Erreichbarkeit unter anderem mit dem ÖPNV, die Funktionalität und Produktivität des Grundrisses etwa über Flächeneffizienz, die Nutzungsflexibilität zum Beispiel über Drittverwendungsfähigkeit, die Flächenauslastung, die Barrierefreiheit und die Qualität der Außenanlagen. Alle diese Kriterien werden entsprechend ihrer Bedeutung für die Investitionsentscheidungen aus der Sicht der Kommune gewichtet und anhand eines Bewertungsbogens auf einer Skala von 0 bis 100 Punkten bewertet. Die Summe aller gewichteten Einzelbewertungen ergibt schließlich die Gesamtbewertung (Score) des Nutzwertes.

Tobias Dölling
Experte Tobias Dölling von der Stadt Dortmund.

Bei der bautechnischen und ökologischen Qualität stehen der Zustand der Bausubstanz und der technischen Gebäudeausrüstung sowie die CO2-Emission des Objektes im Mittelpunkt der Betrachtung. Ziel dabei ist es, den Instandhaltungsstau zu identifizieren und sukzessive abzubauen sowie CO2-Emissionen zu reduzieren. Im Rahmen zyklischer Bestandsbegehungen werden jene Instandhaltungsmaßnahmen ermittelt, die im Zeitraum der kommenden 10 bis 15 Jahre erforderlich werden. Diese Maßnahmen werden mit Kostenprognosen unterlegt und anhand ihres zeitlichen Anfalls terminiert. Anschließend werden die Kosten mit dem kalkulatorischen Zinssatz anhand der DCF-Methode auf den heutigen Bewertungstag abgezinst und hierdurch ihr gegenwärtiger Kapitalwert ermittelt. Zudem werden die Normalherstellungskosten des jeweiligen Gebäudes anhand der Sachwertrichtlinie festgestellt (Wiederherstellungswert). Der Kapitalwert der Instandsetzungskosten wird schließlich mit den Normalherstellungskosten ins Verhältnis gesetzt, wobei eine Punktzahl zwischen 0 und 100 errechnet wird. Je größer die Instandsetzungskosten gegenüber den Normalherstellungskosten sind, desto schlechter ist der baulich-technische Zustand und desto geringer fällt die Punktzahl aus.

Wirtschaftlichkeit der Gebäude nicht mit Rendite messen

Die Wirtschaftlichkeit des Gebäudebestands wird nicht mit einer Rendite gemessen, sondern anhand des Deckungsbeitrags der Verrechnungsmiete, der Höhe der Bereit­stellungskosten (Verwaltung, Energieversorgung, Entsorgung, Reinigung, Grünpflege) und anhand des Flächenverbrauchs (Nutzungsfläche pro Person) bewertet. Dazu werden die jährlichen Kosten und der Flächenverbrauch für jedes Gebäude ermittelt und anhand eines Benchmarkings an den Kosten vergleichbarer Objekte gemessen. Auch hieraus wird eine gewichtete Gesamtbewertung von 0 bis 100 Punkten errechnet.

Dreidimensionales Portfolio-Modell

Die Bewertungsergebnisse der drei beschriebenen Merkmalsausprägungen werden in ein dreidimensionales Portfoliomodell übertragen. Auf der X-Achse wird die bautechnische und ökologische Qualität abgetragen. Der Nutzwert des Gebäudes für die Erfüllung der Aufgaben im Rahmen der Daseinsvorsorge wird auf der Y-Achse dargestellt und die Wirtschaftlichkeit auf der Z-Achse. Jede Achse hat eine Skala von 0 bis 100 Punkten und wird individuell für jede Kommune in drei Bewertungsintervalle eingeteilt – gering, mittel und hoch. Aus dieser Dreiteilung jeder Dimension ergeben sich 27 Felder, wovon jedes mit einer Buch­staben-Zahlen-Kombination bezeichnet ist. Die Buchstaben definieren die Ebenen der Y-Achse, wobei die Ebene mit einer hohen Bewertung des Nutzwertes mit „A“, die Ebene mittlerer Werte mit „B“ und jene mit geringen Werten mit „C“ bezeichnet ist. Innerhalb der Ebenen sind die Felder von eins bis neun nummeriert. Dabei weisen die Felder mit der Nummer eins hohe Werte auf der X- und Z-Achse auf. Felder mit der Nummer neun sind auf beiden Achsen mit niedrigen Werten behaftet. Somit haben Objekte, welche sich in dem Feld „A1“ befinden in allen drei Dimensionen hohe und jene in dem Feld „C9“ geringe Werte erreicht.

Felder in Bestandscluster einfügen

Nach der Übertragung der drei Bewertungen in das dreidimensionale Portfoliomodell findet sich jedes Gebäude in einem der 27 Felder wieder. Die Felder sind sechs Normstrategien zugeordnet, welche die bestmögliche Handhabung mit dem betroffenen Gebäude vorgeben. Dabei werden die Objekte in die Bestandscluster Kern-, Monitoring- und Dispositionsbestand eingeteilt. Die Eingliederung der 27 Felder in die Bestandscluster ist individuell anpassbar. Gebäude des Kern- und des Monitoringbestands passen grundsätzlich in die Zielstruktur des Portfolios, wobei Monitoringbestände höheren Handlungsbedarf und größeren Kapitaleinsatz erfordern. Dispositionsbestände werden den kommunalen Anforderungen an Immobilien nicht gerecht und sind perspektivisch durch Abbruch/Neubau oder Veräußerung aus dem Portfolio zu entfernen. Jede Normstrategie ist in einem Leitfaden mit Priorisierungen und normierten Handlungsanweisungen für alle operativen Handlungsfelder des kommunalen Immobilienmanagements detailliert in der Masterthesis beschrieben.

Immobilienbestand wird transparenter

Mit Blick auf die anstehenden Aufgaben des kommunalen Immobilienportfoliomanagements ist eine Priorisierung der Investitionen zwingend. Mit dem hier vorgestellten Ansatz können die Transparenz des Immobilienbestands hergestellt und auf der Grundlage einer fundierten Be­standsanalyse wirkungsvolle und zielgerichtete Normstrategien abgeleitet werden. Der Einsatz professioneller datenbankbasierter Software reduziert bei größeren Immobilienportfolios unseren damit verbundenen Arbeitsaufwand erheblich.

Tobias Dölling ist als Master of Arts Real Estate Management in der Investitionssteuerung des Fachbereiches Liegenschaften bei der Stadt Dortmund tätig. Kontakt: tdoelling@stadtdo.de Tel.: 0231 50 26849.