Geimpfte müssen in einem Bundesland nicht mehr in Quarantäne - und: Datenschutz reduzieren, um Kontaktverfolgung zu ermöglichen? die aktuelle Diskussion im Überblick
Geimpfte müssen in einem Bundesland nicht mehr in Quarantäne - und: Datenschutz reduzieren, um Kontaktverfolgung zu ermöglichen? die aktuelle Diskussion im Überblick
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Corona

Diskussion um Datenschutz: Erste Ausnahme-Regeln für Geimpfte

Die Diskussion um die Corona-Warn-App und die Möglichkeiten, die sich daraus für Kommunen ergeben, nimmt wieder Fahrt auf. Hauptdiskussionspunkt ist dabei der strenge Datenschutz in Deutschland. Der Geschäftsführer der Deutschen Arbeitgeberverbände Kampeter etwa sagt, bei der Entwicklung der Corona-Warn-App hätten Datenschützer die "Lufthoheit" erhalten. Auch vom Gemeindetag in Bayern kommt heftige Kritik und ein umstrittener Vorschlag.

Dass der Datenschutz eine Nachverfolgung von Corona-Infizierten im Wege steht, ist weitgehend unbestritten. Umstritten aber bleibt die Frage, um welchen Preis welche Regeln aufgrund der Pandemie gelockert werden sollten. So fordert nun der Präsident des Bayerischen Gemeindetages und Vizepräsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Uwe Brandl, dass Kommunen die Corona-Leine, also die 15-Kilometer Regel in einigen Corona-Hotspots besser überwachen dürfen. Und zwar mit Hilfe von Handy-Daten. „Wir könnten heute Bewegungsprofile aus den Handys auslesen und auf diese Weise sehr treffsicher feststellen, wo sich die Menschen aufhalten. Wir müssen uns halt jetzt entscheiden, was wichtiger ist, der Gesundheitsschutz oder der Datenschutz“, sagte Brandl im Bayerischen Rundfunk. Auch die Polizei habe zur Kontrolle der Corona-Leine nur begrenzte Ressourcen. "Ich glaube, dass jede Regelung nur so gut ist, wie sie exekutiert und überwacht werden kann", so Brandl. 

Datenschutz-Diskussion facht Diskussion um Lockdown-Maßnahmen neu an 

Aus der Politik kam für den Vorschlag von Brandl von vielen Seiten Kritik. Vor allem die Datenschutzbeauftragten halten den Vorschlag für falsch. Der Bundesdatenschutzbeauftragte Ulrich Kelber etwa sagte der Augsburger Allgemeinen Zeitung: "GPS-Daten können noch nicht mal zwischen Tiefgarage und viertem Stock in einem Haus unterscheiden. In Gebäuden funktioniert GPS nicht. Das ist keine Lösung", so Kelber. Gleichzeitig warnte er vor einer sinkenden Akzeptanz der Corona-Warn-App, wenn eine Nachverfolgungsfunktion eingebaut würde. 

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, spricht derweil von einem "Scharf-Schalten der Warn-App". Die Kontrollverfolung müsse besser möglich werden, das sei auch der Wunsch der Mehrheit der Bürger, zitiert er im ZDF-Morgenmagazin eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa. "Es muss möglich werden dass ich als Nutzer sehen kann, WO hatte ich einen Kontakt", so Landsberg.  

Gleichzeitig diskutiert die Politik seit dem Brandl-Interview aber wieder verstärkt um die Frage, warum etwa Ausflügler kontrolliert werden, aber Altenheime nicht geschützt werden. Er sei "wütend" über die fehlende Nachverfolgung und die Kontrolle von Ausflüglern, sagt etwa der bayerische FDP-Fraktionschef Martin Hagen. Gegenüber der Bild-Zeitung sagte er: "Letzten Mittwoch war ich mit meiner Tochter rodeln, an diesem Tag gab es an den Schlittenhügeln mindestens vier Polizeieinsätze wegen mutmasslichen Verstößen gegen die Corona-Regeln. Aber beim Schutz der Altenheime versagt unser Staat kläglich", so Hagen. 

Fakt ist, dass in zahlreichen Landkreisen mit besonders hohen Todes-Raten vor allem Senioren- und Pflegeheime betroffen sind. Der Anteil der Todesfälle in diesen Einrichtungen liegt in vielen Landkreisen zwischen 50 und 80 Prozent. "Viele Impftermine in Pflegeheimen werden abgesagt, weil sich das Virus vorher eingeschlichen hat", so der Chef der Patientenschützer-Vereinigung Eugen Brysch. 

Erstes Bundesland schafft Ausnahmeregeln für Geimpfte 

Alle Hoffnungen ruhen derweil auf einem möglichst schnellen Impfen. Umstritten bleibt aber, ob eine Impflicht doch für bestimmte Gruppen eingeführt wird oder ob es für Geimpfte Ausnahmen von den Quarantäne-Regelungen geben soll. Die Lufthansa etwa hatte schon angekündigt, dass Fliegen möglicherweise auf Langstrecken bald nur noch mit negativem Corona-Test oder einem Imfnachweis möglich sein könnte. Zuvor hatte die australische Fluggesellschaft Quantas angekündigt, dass Fliegen bei ihnen bald nur noch mit einer Corona-Impfung möglich ist. 

In Deutschland macht nun Sachsen-Anhalt als erstes Bundesland Menschen die gegen Corona geimpft sind, das Leben wieder leichter. Wer dort aus einem Risikogebiet - etwa nach dem Urlaub - einreist und geimpft ist, muss nicht mehr in Quarantäne. Diese Regelung war mal bundesweit in einer Verordnung der Innenminister der Länder geplant, stieß dann aber auf viel Kritik und wurde zurückgezogen. Einzig Sachsen-Anhalt hat die Regelung nun bereits in Landesrecht umgesetzt. 

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat derweil die Diskussion über die Impfpflicht neu entfacht. Er brachte in der Süddeutschen Zeitung eine Impfpflicht für Pflegekräfte ins Gespräch. Der Ethikrat möge eine Pflicht für bestimmte Gruppen prüfen, so Söder. Als Grund nannte er, es gebe "unter Pflegekräften in Alten- und Pflegeheimen eine zu hohe Impfverweigerung". 

Der Medizinethiker und Humangenetiker Wolfram Henn, der auch Mitglied des Deutschen Ethikrats ist, hatte bereits in der vergangenen Woche eine „eng umrissene berufsbezogene“ Impfpflicht als mögliche notwendige Maßnahme in Erwägung gezogen. Henn sagte der „Heilbronner Stimme“, er setze zunächst auf persönliche Debatten und Gespräche über solidarisches Verhalten. 

Nach dem Infektionsschutzgesetz könnte das Bundesgesundheitsministerium mit Zustimmung des Bundesrats eine Impfpflicht „für bedrohte Teile der Bevölkerung“ anordnen. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte bisher immer betont, er sei gegen eine generelle Impfpflicht. Auch er hält aber eine Debatte darüber für Notwendig, Menschen die gegen das Corona-Virus geimpft sind, mehr Freiheitsrechte zurückzugeben.