Poller in der Innenstadt
Stopp: Keine Einfahrt! Poller könnten Passanten in der Fußgänger schützen
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Debatte nach Amokfahrt in Trier

Mehr Poller als Schutz in den Innenstädten

Nach der Amokfahrt von Trier ist die Diskussion um einen besseren Schutz der Passanten in Innenstädten neu entbrannt. Müssen Fußgängerzonen besser geschützt werden? Manche Kommunen haben sich bereits dazu entschieden. KOMMUNAL fragte bei Städten nach, wie ihre Sicherheitskonzepte aussehen.
Aktualisiert am 3. Dezember 2020

Triers Oberbürgermeister Wolfram Leibe kann nicht verbergen, wie sehr ihn das erschüttert, was geschehen ist: Am Dienstag war ein Autofahrer mit seinem Geländewagen durch die Fußgängerzone von Trier gerast. Nach bisherigen Erkenntnissen der Polizei handelte der 51-jährige Mann gezielt. Er wollte offenbar möglichst viele Menschen Leid zufügen. Fünf Menschen starben bei der Amokfahrt, darunter ein erst neuneinhalb Jahre altes Baby und sein Vater.

Ermittler sehen beim Amokläufer in Trier kein politisches Motiv

Die Polizei sieht bislang für ein terroristisch geartetes, politisches oder religiöses Motiv keine Anhaltspunkte. Der Täter, der im Landkreis Trier-Saarburg leben soll, wurde vier Minuten nach dem Eingang des ersten Notrufs von Polizisten gestoppt und festgenommen.

Wir sehen solche Bilder im Fernsehen ganz oft und denken, das kann bei uns nicht passieren. Jetzt ist es auch in Trier passiert."

Wolfram Leibe, Oberbürgermeister von Trier

Tat erinnert an die Tragödie von Münster

Es ist nicht das erste Mal, dass Menschen in Deutschlands Innenstädte gezielt getötet und verletzt werden. An einem Sonnabend im April 2018 fuhr ein 48-Jähriger in Münster mit einem Kleinbus in eine Gruppe von Menschen auf der Terrasse vor einem Restaurant. Vier Menschen starben bei der Amokfahrt auf dem Platz am Kiepenkerl-Denkmal, mehr als 20 Menschen wurden verletzt. Anschließend erschoss sich der Täter im Auto. Er soll psychisch krank gewesen sein.

Konsequenzen auf Attentat auf Breitscheidplatz in Berlin

In Berlin auf dem Breitscheidplatz starben elf Besucher des Weihnachtsmarktes, nachdem der Islamist Anis Amri am 19. Dezember 2016 mit einem vorher gestohlenenen Lastwagen  in die Menge raste. Mindestens 67 Besucher wurden zum Teil schwer verletzt. Zuvor hatte er den Fahrer des Lkws umgebracht.

Seither wird diskutiert, wie weit solche Straftaten verhindert werden können, ob es überhaupt möglich ist, Menschen überall vor Terror und persönlich motivierten Straftätern in der Öffentlichkeit zu schützen.

Diskussion um besseren Schutz der Passanten in Innenstädten

Nach der Amokfahrt von Trier ist die Diskussion um einen besseren Schutz der Passanten in Innenstädten neu entbrannt. KOMMUNAL fragte in deutschen Städten nach, ob  und vor allem wie sie die Fußgängerzonen besser schützen wollen. Dabei hat sich herausgestellt, dass einige Kommunen bereits dauerhafte Lösungen gefunden haben. Dazu zählen Bad Oldesloe und Schwerin in Schleswig-Holstein und die baden-württembergische Stadt Lörrach.

KOMMUNAL-Blitz-Umfrage bei Städten

  • "Die Stadt Bad Oldesloe hat  bereits seit 2017 Schutzvorkehrungen getroffen", sagte eine Sprecherin  der Stadtverwaltung. "Es wurden schon 2017 an allen Eingängen zur Innenstadt elektrisch absenkbare Poller eingebaut."
  • Die Stadt Lörrach hat schon länger - nämlich seit 2014 - eine Polleranlage im Bereich der Innenstadt installiert. "Diese Polleranalge gehört bei großen Veranstaltungen in der Innenstadt auch zum Schutzkonzept der Veranstaltungen wie beim Stimmen-Festival", sagte ein Sprecher der Stadt. Grundsätzlich würden Sicherheitsfragen zwischen der Polizei und der Stadt Lörrach in den regelmäßigen Besprechungen abgestimmt.   
  • In der mecklenburgischen Landeshauptstadt Schwerin sind ebenfalls bereits Poller angeschafft worden, um die Fußgänger in der Innenstadt zu schützen. Damit sollten vor allem illegale Durchfahrten in den späten Abendstunden und nachts verhindert werden. "Die Schweriner Fußgängerzone ist in weiten Teilen durch Poller geschützt, in der Freiluftsaison von Mai bis September sogar noch durch einen mobilen Poller verstärkt", betonte eine Sprecherin der Stadt KOMMUNAL. Die Poller seien zeitweise für den Lieferverkehr geöffnet. Eine Verstärkung der Poller ist momentan nicht vorgesehen

Nürnberg sieht nach Amokfahrt in Trier keinen akuten Handlungsbedarf

Andere Städte haben bislang auf einen besonderen Schutz verzichtet. "Es hat eine erste Bewertung des Vorfalls in Trier bei der Polizei gegeben und eine erste gemeinsame Einschätzung auch bei der Stadt", sagte der Sprecher der Stadtverwaltung. Andreas Franke, zu KOMMUNAL. Er fügte hinzu: "Aktuell wird bei der Stadt kein Handlungsbedarf gesehen. Die Situation wird aber weiter beobachtet."

Die Stadt Nürnberg plane aktuell keine Schutzvorkehrungen vor Rasern in der Fußgängerzone. Auch wegen des strengeren Lockdowns zum Schutz vor Corona in Nürnberg, sei die Polizei derzeit aber verstärkt im Stadtgebiet unterwegs.  Spezielle Schutzvorkehrungen gebe es in dem großen Stadtgebiet von Nürnberg mit 540 000 Einwohnern nicht.

Regenburg: Betonquader schützen Weihnachtsmarktbesucher

Auch die Stadt Regensburg hat bislang  keine gesonderten Schutzvorkehrungen vor Rasern vorgesehen.  "Nur während der Weihnachtsmärkte, die dieses Jahr jedoch coronabedingt ausfallen, werden seit mehreren Jahren Betonquader als Schutzvorkehrungen im Altstadtbereich aufgestellt", sagte eine Sprecherin auf Anfrage.

Berlin: Dauerhafte Lösung zum Schutz wird angestrebt

In Berlin wird seit dem Attentat am Breitscheidplatz darüber diskutiert, wie die Bürger und Besucher geschützt werden können.  Innensenator Andreas Geisel warnte in der Diskussion stets davor, die Stadt mit Pollern abzuschirmen." Wir haben nach dem Anschlag auf dem Breitscheidplatz dort temporäre Anti-Terror-Schutzmaßnahmen aufgebaut", sagte der Sprecher der Innenverwaltung, Martin Pallgen KOMMUNAL.  "Diese haben sich bis heute bewährt." 

Zwei Jahre nach dem Lkw-Anschlag auf dem Breitscheidplatz waren zum Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche schwere Metallpoller, mit Sandsäcken gefüllte Stahlgitterkörbe und Stahlsockel mit Beton aufgestellt worden. Der Sprecher von Innensenator Andreas Geisel verwies darauf, dass Berlin sich noch nicht damit begnügt.  "Wir versuchen gerade mit dem Bezirk und anderen zu beteiligenden Senatsverwaltungen Verkehr, Kultur/Denkmalschutz  eine dauerhafte Lösung zu erreichen. Dies ist noch nicht abgeschlossen", so Pallgen.

Hannover: Sicherheitskonzepte für Veranstaltungen wie Weihnachtsmarkt

Eine Sprecherin der Stadt Hannover teilte KOMMUNAL auf Anfrage mit: "Für Veranstaltungen wie zum Beispiel der Weihnachtsmarkt werden selbstverständlich auch hier entsprechende Sicherheitskonzepte erstellt und derartige Ereignisse der jüngsten Vergangenheit berücksichtigt." Dies erfolge stets in enger Abstimmung mit der Polizei.

Augsburgs Stadtrat für Bürgerangelegenheiten und Ordnung, Frank Pintsch, verweist darauf, dass bei größeren Veranstaltungen mobile Schutzemelemente aufgestellt werden. Damit werde der Bereich der Fußgängerzone und der zentralen Plätze in Augsburg gesichert. "Feste bauliche Schutzmaßnahmen in Form von Pollern sind ebenfalls punktuell aus Gründen der Verkehrssicherheit vorhanden", so der Stadtrat.

Kommunalverbände für mehr Poller und Barrieren

Kommunalverbände haben sich nach der schrecklichen Tat in Tier für mehr Poller und Barrieren in den Städten ausgesprochen. Gleichzeitig betonen sie, dass sich eine hundertprozentige Sicherheit nicht erreichen lässt. “Wir brauchen zertifizierte Barrieren nach bundesweit einheitlichen, aktuellen technischen Sicherheitsstandards”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).

Landsberg für versenkbare Sperren oder auch Bänke

Neben mobilen Pollern könnten auch städtebaulich verankerte Barrieren eine sinnvolle Option zum Schutz der Plätze sein, etwa versenkbare Sperren oder auch Bänke, die als Schutzvorrichtungen dienten. “Diese haben den Vorteil, dass sie in das Stadtbild integriert werden können”, betonte Landsberg. Eine komplette Sperrung von Innenstädten, Fußgängerzonen und Plätzen sei aber nicht möglich und könne auch nicht im Interesse unserer offenen Gesellschaft sein.

Dedy: Hundertprozentige Sicherheit lässt sich nicht erreichen

Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy, sagte dem RND, er habe Zweifel, dass man sich gegen Taten wie in Trier schützen könne. “Amok-Fahrten, wie in Trier oder wie vor zwei Jahren in Münster, sind fast nie vorhersehbar. Das macht sie so gefährlich.”

Dedy verwies gegenüber dem RND darauf, dass Städte und Sicherheitsbehörden vor Ort eng zusammenarbeiteten und dann entschieden, wo Poller und Absperrungen sinnvoll sein könnten für einen besseren Schutz. “Bei allen Anstrengungen gilt aber leider auch: Eine hundertprozentige Sicherheit lässt sich nicht erreichen.”