Tiny Houses gelten als neue, moderne Möglichkeit im Kampf gegen Wohnungsmangel - doch sie sind viel mehr. Das zeigt sich auch, weil konkrete Planungen vor allem in kleineren Kommunen laufen - aus guten Gründen!
Tiny Houses gelten als neue, moderne Möglichkeit im Kampf gegen Wohnungsmangel - doch sie sind viel mehr. Das zeigt sich auch, weil konkrete Planungen vor allem in kleineren Kommunen laufen - aus guten Gründen!

Kleiner Wohnen im Tiny-House

Es ist der Rückzug aufs Wesentliche: winzige Häuschen kommen gerade ganz groß raus – in einer kleinen Stadt im Münsterland soll die erste Tiny-House Siedlung Deutschlands entstehen.

Die Idee stammt eigentlich aus den USA und entstand in der Zeit der Immobilienkrise. Viele Hausbesitzer mussten sich Anfang der 2000er Jahre von ihren Häusern trennen und suchten nach Alternativen. Inzwischen finden sich auch in Deutschland immer mehr Anhänger der alternativen Wohnform auf minimalem Raum. Dabei ist die große Freiheit oft kleiner als gedacht: 20 bis 25 Quadratmeter messen die meisten sogenannten Tiny-Houses, zumindest die auf Rädern. Selbst der Kaffeeröster Tchibo hatte schon entsprechende Häuser im Angebot. Ohne Räder und somit für die dauerhafte Nutzung gedacht, sind die Minihäuser bis zu 50 Quadratmeter groß. Allen Angeboten gemein ist: Mit einer Deckenhöhe von drei Metern 50 wird ein enormes Raumgefühl auf kleinem Raum geschaffen und mit dieser Höhe dürfen die Tiny-Houses auch noch auf Campingplätzen stehen, auch Dauercampen ist also erlaubt. Die Stellplatz- und die Baugenehmigung fällt weg. Das ändert sich aber, sobald es um sogenanntes „Dauerwohnen“ geht – dann legen die Gemeinden die Regeln fest. Die Fachleute unterscheiden daher zwei Arten von Tiny-Houses. Da sind zum einen die Häuser, die zu Wohnzwecken genutzt werden, etwa auf Campingplätzen. Wer hingegen dauerhaft in einem Tiny-House wohnen möchte, also mindestens über drei Monate und sein Haus auf einem Grundstück abstellen will, der benötigt eine Baugenehmigung. Handelt es sich zudem um ein Haus auf Rädern, das mobil ist, brauchen Käufer in Deutschland eine Straßenverkehrszulassung. 

Ein Fraktionsantrag zu Tiny Houses brachte enormes ins Rollen 

Galten die Minihäuser Anfangs als Baustein gegen Wohnungsnot, könnte in Deutschland die erste Siedlung mit Tiny-Houses ausgerechnet in einem kleinen Ort im Münsterland entstehen. Im westfälischen Warendorf hatte im vergangenen Jahr ein Antrag einer Fraktion im Stadtparlament hohe Wellen geschlagen. 15 bis 20 Mini-Häuser sollen entstehen, die Stadt möge Planungskosten in den Haushalt einstellen, so vor knapp einem Jahr der Antrag von Andre Wennig. Beim Fraktionsvorsitzenden der Freien Wähler stand danach über Wochen das Telefon nicht mehr still. So enorm war das Interesse an seiner Idee. Inzwischen hat die Stadt das Geld tatsächlich eingestellt, sucht aktuell nach einem geeigneten Standort. Zwei bis drei Hektar sollten es schon sein, heißt es aus dem Bauamt der Stadt. „Ein Mix aus Wohnhäusern, Ferienhäusern und Kleingarten-Parzellen“, nennt Wennig seine Vision und hofft auch auf eine Ankurbelung des Tourismus in dem Ort an der Ems. Ohnehin rund um das Gewässer im innenstadtnahen Bereich will er die Minihäuschen gerne ansiedeln. 

Hintergrundinformation:

Das Wort „Tiny House“ stammt aus dem Englischen und heißt übersetzt so viel wie „winziges Haus“. In den USA wurde der Begriff inzwischen im Baugesetz verankert – darunter fallen Häuser mit maximal 4,11 Metern Höhe, 2,60 Metern Breite und maximal 7,30 Metern Länge. 

Viele Kommunen stehen in den Startlöchern 

Auch andere Städte, allen voran in Nordrhein-Westfalen, stehen in Sachen Tiny-Houses in den Startlöchern. Dortmunds Bauverwaltung prüft ebenfalls aktuell die Bereitstellung einer Fläche, der Stadtrat hatte dort in diesem Jahr die Durchführung der Kampagne „Tiny Einfamilienhäuser“ beschlossen. Auch in Bremen, Hannover und Schwäbisch-Hall gibt es Initiativen. Bereits entstanden ist eine Tiny-House-Village in Mehlmeisel im Fichtelgebirge. Hier jedoch auf einem ehemaligen Campingplatz. Neben buchbaren Tiny-House-Hotelunterkünften gibt es hier Pachtplätze für Vollzeit-Tiny-House-Bewohner. Die Idee ging hier von einem jungen Paar aus. 

Auch die Anbieter für Tiny Houses wittern schon ihr Geschäft 

Auf der Anbieterseite jedenfalls ist die Goldgräberstimmung enorm. Mehr als zwei Dutzend Hersteller gibt es inzwischen allein in Deutschland, diverse Videos mit Ideen und Impressionen erreichen Klickzahlen in Millionenhöhe. Die Videos zeigen intelligent gemachte Raumlösungen. So fungieren Raumteiler zwischen Wohnraum und Küche oft gleichzeitig als Treppe und Stauraum. Die Versorgung mit Strom und Wasser funktioniert reibungslos wie im Standarthaus aus Stein. Die Kosten sind gerade für Singles oder junge Paare im Vergleich zum klassischen Haus sehr überschaubar. Je nach Ausstattung müssen Interessenten etwa 50.000 bis 80.000 Euro einplanen, Bad mit Dusche und Küchenzeile inklusive. Frei nach dem Motto: Klein, aber mein! 

Das Interesse an den Mini-Häusern ist groß. Auch der Tourismus könnte von einer Tiny-House-Siedlung profitieren“.

Andre Wennig, Freie Wähler Warendorf

Andre Wennig

Der sogenannte Trend zum Downsizing verstärkt die Nachfrage noch. Gemeint ist, dass immer mehr Menschen auf Minimalismus setzen. Sie wollen nur noch das besitzen, was sie wirklich brauchen. Die Anbieter werben zudem mit der großen Flexibilität. Neuer Job in einer neuen Stadt? Kein Problem – mit einem Tiny-House ist der Umzug schnell erledigt. 

Tiny Houses und der Umweltschutz? Mehr Schein als Sein? 

Vom energetischen Standpunkt her sind die Minihäuser übrigens nicht ganz unumstritten. Wegen der vielen Außenwände und der Isolierung ist die Effizienz nicht die Beste. Daher bekommt seit einiger Zeit die Idee des klimaneutralen Minihauses immer größere Bedeutung. Hannover plant bereits eine Siedlung für etwa 200 Menschen mit hohen Ökostandards. Die Siedlung mit den Zwergenhäusern soll komplett klimaneutral werden. Denn unter den Interessenten für die Minihäuser sind viele, die auf ökologische Fragen viel Wert legen. Beim Städte- und Gemeindebund ist man daher auch sehr offen für diese neue Bauform: „Die Tiny-House Projekte sind ein spannender Ansatz“, heißt es dort. Gleichzeitig verweist man darauf, dass Städte und Gemeinden in ihren Satzungen gut daran tun, diese Minihäuser mit aufzunehmen und natürlich auch hier die Anforderungen an Statik und Brandschutz wie bei klassischen Häusern zu wahren. 

Und wie sieht es planungsrechtlich aus? 

Und in der Tat planen immer mehr Städte Maßnahmen, um die Häuser ins Ortsbild zu integrieren. Denn anders als in den USA wollen deutsche Kommunen keinen „Wildwuchs“ riskieren. Das Zwergenhaus auf Rädern mitten im Wald als Dauerwohnlösung ist hier nicht erlaubt. Denn dann muss das Stück Land als Baugrund gelten. Wer dauerhaft darauf wohnen will, muss zudem an das Straßenverkehrsnetz angebunden sein sowie an Ver- und Entsorgungsnetze von Elektrizität, Wasser, Gas und Kanalisation. Die Stadt Dortmund hat sich daher mit dem Thema schon genauer befasst, ihr Stadtplaner Gerald Kampert findet: „Je kleiner das Haus, desto geringer der Energieverbrauch beim Bauen und beim Wohnen“. So wurde inzwischen ein verlassener Sportplatz in der Stadt als Baufläche ausgewiesen, aber mit dem Zusatz, dass die Grundstücke und die Häuser darauf „Tiny“ sein müssen. Konkret heißt das, der Aufstellungsbeschluss lässt keine Minihäuser auf Rädern zu, sondern nur „feste“ Bauten. Das kann dann das feste Tiny-House mit 20 Quadratmetern ebenso sein wie das besonders kleine Einfamilienhaus mit maximal 100 Quadratmetern. Mitgedacht haben die Stadtplaner auch bereits mögliche gemeinsame Aufenthaltsräume oder Waschküchen. Als Zielgruppe sieht die Stadt auch ältere Menschen, deren Kinder aus dem Haus sind. „Ich habe das Gefühl, wir sprechen weniger finanziell klamme an, die verzichten müssen, sondern eher jene, die sich schon etwas Größeres leisten können, aber eben nicht wollen“, so Stadtplaner Kampfert. In der Stadt im Ruhrgebiet rechnet man in zwei bis drei Jahren mit den ersten Bewohnern auf dem ehemaligen Sportplatz. 

Das westfälische Warendorf geht bei der Bauplanung einen etwas anderen Weg. Hier rechnet man vor allem mit Tiny Houses auf Rädern. Diese sollen in die Landesbauordnung fallen, damit man als Erstwohnsitz darin leben kann. Das verkürzt vor allem den Planungsprozess in der Stadt. „Ich hoffe, dass wir einen Erstbezug bis Anfang 2021 hinbekommen“, zeigt sich Andre Wennig optimistisch. Sollte also mit den angedachten Grundstücken alles klappen, könnten sich im Münsterland somit schon in einem Jahr die ersten Minimalisten ihren großen Traum vom klitzekleinen Haus erfüllen.