
Infektionsschutzgesetz
Bundesnotbremse: Die neuen Corona-Regeln
Aktualisiert am 25. April 2021
Schon vorher stand fest: Wenn der Bundestag am 21. April, das Infektionsschutzgesetz mit der darin verankerten Bundesnotbremse beschließt - dann nur mit gravierenden Änderungen im Vergleich zum Gesetzesentwurf, den die Bundesregierung verabschiedet hat. Nach heftiger Kritik aus den Ländern und Kommunen, aber auch großer Unzufriedenheit in den eigenen Reihen und der Opposition hatten sich Union und SPD zuvor auf einen Kompromiss geeinigt. Das Gesetz hat nun auch den Bundesrat passiert. Es war nicht zustimmungspflichtig. Trotz Kritik aus den Ländern wurde der Vermittlungsausschuss nicht angerufen. Die sogenannte Bundsnotbremse in der Corona-Pandemie gilt seit Sonnabend, 24. April.
Das sind die Änderungen bei der Bundesnotbremse:
- Ausgangsbeschränkungen sollen künftig nicht - wie vorgesehen - bereits von 21 Uhr gelten, sondern erst ab 22 Uhr bis 5 Uhr. Sie treten in den Regionen in Kraft, in denen die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche den Inzidenzwert von 100 überschreitet. Das muss drei Tage nacheinander der Fall sein.
- Zudem soll es nun doch erlaubt sein, zumindest bis Mitternacht allein spazieren zu gehen oder joggen zu gehen.
- Der Präsenzunterricht soll bereits ab einer Inzidenz von 165 ausgesetzt werden. Im vom Kabinett verabschiedeten Gesetzesentwurf war die verpflichtende Umstellung auf den Distanzunterricht erst ab einer Inzidenz von 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen vorgesehen.
Gut zu wissen: Sinkt die Inzidenz in einem Landkreis oder einer kreisfreien Stadt unter die jeweiligen Schwellenwerte an fünf Werktagen nacheinander, nachdem die Maßnahmen verfügt wurden, treten sie am übernächsten Tag außer Kraft.
Neue Regelungen: So sieht die Bundesnotbremse aus
- Kontaktbeschränkungen für private Treffen drinnen und draußen: Bei einer Inzidenz über 100 darf sich ein Hausstand nur mit einer weiteren Person treffen. Dabei sein darf auch ein Angehöriger bis zur Vollendung des 14.Lebensjahres.
- Öffnungen von Geschäften: Offenbleiben können der Lebensmittelhandel einschließlich der Direktvermarktung, ebenso Getränkemärkte, Reformhäuser, Babyfachmärkte, Apotheken, Sanitätshäuser, Drogerien, Optiker, Hörgeräteakustiker, Tankstellen, Stellen des Zeitungsverkaufs, Buchhandlungen, Blumenfachgeschäfte, Tierbedarfsmärkte, Futtermittelmärkte und Gartenmärkte. Entsprechende Hygienekonzepte und die Maskenpflicht sind einzuhalten.
- Der Einzelhandel muss nicht - wie geplant - bei einer Inzidenz von über 100 schließen. Bis zu einer Inzidenz von 150 dürfen Geschäfte nach vorheriger Terminbuchung (Click & Meet) aufgesucht werden. Voraussetzung dafür: ein negativer Corona-Test. Vorher bestellte Waren könnten bei allen Inzidenzwerten abgeholt werden.
- Im Dienstleistungsbereich bleibt offen, was nicht eigens untersagt wird: Dazu gehören Fahrrad- und Autowerkstätten, Banken und Sparkassen und Poststellen.
- Körpernahe Dienstleistungen – nur in Ausnahmen: Körpernahe Dienstleistungen dürfen nur zu medizinischen, therapeutischen, pflegerischen oder seelsorgerischen Zwecken in Anspruch genommen werden.Der Friseurbesuch ist weiterhin erlaubt, auch die Fußpflege. Die Kunden müssen einen negativen Corona-Test vorlegen können – und Maske tragen. Andere körpernahe Dienstleistungen sollen nicht mehr möglich sein.
- Eingeschränkte Freizeit- und Sportmöglichkeiten: Gastronomie und Hotellerie, Freizeit- und Kultureinrichtungen müssen bei einer Inzidenz über 100 schließen. Berufssportler sowie der Leistungssportler der Bundes- und Landeskader können weiter trainieren und Wettkämpfe austragen - ohne Zuschauer und unter Beachtung von Schutz- und Hygienekonzepten. Ansonsten gilt: Sport ja, aber alleine, zu zweit oder nur mit Mitgliedern des eigenen Hausstandes. Kinder bis zur Vollendung des 14. Lebensjahres dürfen Sport im Freien in Gruppen von höchstens fünf Kindern treiben.
- Bei Todesfällen sind Trauerfeiern mit bis zu 30 Personen erlaubt.
- Ausgangsbeschränkungen: Im Zeitraum zwischen 22 Uhr und 5 Uhr darf nur derjenige das Haus verlassen, der einen guten Grund hat, zum Beispiel arbeitet, medizinische Hilfe braucht oder den Hund ausführen muss. Alleine spazieren gehen und Sport treiben bleibt nach dem neuen Vorschlag auch zwischen 22 Uhr und 24 Uhr erlaubt. Zwischen Mitternacht und 5 Uhr aber nicht.
- Kein Präsenzunterricht bei einer Inzidenz über 165. Bei einer Inzidenz über 165 soll der Präsenzunterricht in Schulen und die Regelbetreuung in Kitas untersagt werden. Mögliche Ausnahmen: Abschlussklassen und Förderschulen. Die Regelung wird auf berufsbildende Schulen erweitert. Schüler und Lehrer an allgemeinbildenden Schulen und Berufsschulen müssen zweimal in der Woche getestet werden, wenn sie am Präsenzunterricht teilnehmen.
- Die Pflicht zum Homeoffice wird gesetzlich geregelt bis 30. Juni. Arbeitgeber sind verpflichtet, bei Büroarbeiten oder vergleichbaren Tätigkeiten Arbeiten im Homeoffice anzubieten.
Städte- und Gemeindebund: Verfassungsrechtliche Bedenken berücksichtigt
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, begrüßte die geplanten Änderungen im Gesetzesentwurf. "Damit ist die Ausgangsbeschränkung zeitlich und inhaltlich deutlich entschärft", sagte Landsberg auf Anfrage KOMMUNAL. Dies sei ein "klares Signal, dass die Politik den verfassungsrechtlichen Bedenken auch des Städte- und Gemeindebundes Rechnung tragen will".
Neu: Die Bundesregierung soll ermächtigt werden, Rechtsverordnungen zu Corona-Maßnahmen mit Zustimmung des Bundesrates zu erlassen, wenn die Inzidenz über 100 steigt.
Von 412 Landkreisen und kreisfreien Städten in Deutschland liegen aktuell 85 Prozent bei einer Inzidenz über 100.
Notbremse soll Gesundheitssystem entlasten
Das Parlament hatte am Freitag, 16. April, erstmals in einer hitzigen Debatte mit einer Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel über den Entwurf der Regierung beraten, nun stimmte es mehrheitlich dafür. 342 Abgeordnete gaben ihre Ja-Stimme, 250 votierten dagegen, 64 enthielten sich. Das sogenannte vierte Bevölkerungsschutzgesetz hat an diesem Donnerstag, 22. April, den Bundesrat in einer Sondersitzung passiert, es ging nicht in den Vermittlungsausschuss. Noch am gleichen Tag hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier das Gesetz unterschrieben. Die Länderkammer könnte jedoch den Vermittlungsausschuss von Bundestag und Bundesrat anrufen, um das Gesetz inhaltlich nachverhandeln zu lassen. Hierfür wäre eine absolute Mehrheit von 35 der 69 Stimmen nötig. Am Tag nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt trat das Gesetz mit der Bundesnotbremse in Kraft.
Dieses Dritte Bevölkerungsschutzgesetz ergänzt das Infektionsschutzgesetz um einen Paragrafen, der die rechtliche Grundlage für Maßnahmen der Länder zur Pandemiebewältigung konkretisiert.
Das Gesetz soll so lange gelten, wie der Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellt, höchstens aber bis 30. Juni. Mit der Notbremse will der Bund die drohende Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern. Mediziner und Pflegekräfte auf Intensivstationen schlagen wegen der sich dort zuspitzenden Situation Alarm.
Der Beschluss des Bundestages als pdf.
Wollen Sie noch mehr erfahren? Offizielle Infos der Bundesregierung zur Bundesnotbremse.