Flensburg Auswirkungen Bundesnotbremse
In Flensburg gab es schon einmal nächtliche Ausgangssperren. KOMMUNAL befragte Oberbürgermeisterin Lange zur Notbremse.
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Infektionsschutzgesetz

Das sagen Kommunen zur Bundesnotbremse

Die jetzt vom Bundestag beschlossene Bundesnotbremse über das veränderte Infektionsschutzgesetz engt den Spielraum der Kommunen ein. Kritik gibt es vor allem an der Fixierung auf den Inzidenzwert, den Regelungen für die Schulen und den nächtlichen Ausgangsbeschränkungen. Das Gesetz wurde jetzt auch im Bundesrat abschließend beraten und tritt am Sonnabend in Kraft.

Die Reaktionen auf den vom Bundestag gebilligten veränderten Infektionsschutzgesetzes mit der Bundesnotbremse zeigen: Es ist schwer, alle von einer einheitlichen Linie beim Pandemie-Management zu überzeugen. Die Opposition von Linke, FDP und AfD stimmte nach einer hitzigen Debatte im Plenum gegen die Bundesnotbremse - aus  recht unterschiedlichen Gründen. Die Grünen enthielten sich. Die FDP kündigte Klage beim Bundesverfassungsgericht an, nachdem ihre Änderungvorschläge ablehnt worden waren. Bei den Kommunen herrscht  einerseits Erleichterung über nun klarere Vorgaben, andererseits sehen die Städte und Gemeinden sowie Landkreise ihren Handlungsspielraum deutlich eingegrenzt.

Bundesnotbremse: Die wichtigsten Änderungen

Die Bundesnotbremse, die an diesem Donnerstag abschließend im Bundesrat beraten wurde, gilt maximal bis 30. Juni. Die beiden umstrittensten Beschlüsse dazu: Schulen müssen ab einer Inzidenz von 165 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner und Woche schließen, ab einer Inzidenz von 100 dürfen die Menschen zwischen 24 Uhr und 5 Uhr das Haus nur noch aus triftigen Gründen verlassen. Ab 22 Uhr darf man allein noch Sport treiben und spazierengehen.

"Misstrauensvotum gegenüber Ländern und Kommunen"

Der Landkreistag spricht von einem  "Misstrauensvotum gegenüber Ländern und Kommunen". Denn mit dem veränderten Infektionsschutzgesetz schafft der Bund jetzt bundesweit einheitliche Regelungen in der Corona-Pandemie. Sie gelten bis 30. Juni.

Städte-und Gemeindebund: Infektionsschutzgesetz sorgt für Klarheit

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund steht der Gesetzesänderung  positiv gegenüber. "Es braucht nun keine zusätzliche Verordnung des Landes mehr, das schafft Klarheit und Transparenz. Das ist für die Akzeptanz in der Bevölkerung entscheidend",  hebt Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg die Vorteile für die Kommunen hervor. Oberstes Ziel müsse es sein, Kontakte zu reduzieren und damit die Pandemie einzudämmen. Danach könne unter Hygienebedingungen und mit Tests wieder gelockert werden. "Die Modellprojekte und Konzepte für den Einzelhandel und die Kultur, die jetzt erprobt werden, könnten wichtige Hinweise geben", so Landsberg. Er begrüßte, dass die Regierungskoalition von CDU und SPD den Gesetzesentwurf noch angepasst hatte. So war zuvor eine strengere Ausgangsbeschränkung geplant, die Schulen sollten erst ab einer Inzidenz von 200 in den Distanzunterricht wechseln.

Bürgermeister und Landräte kritisieren Fixierung auf Inzidenz

Landräte, aber auch Bürgermeister kritisieren vor allem, dass die Bundesnotbremse sich zu sehr an den Inzidenzen orientiert. Die Oberbürgermeisterin von Flensburg, Simone Lange, sagte KOMMUNAL auf Anfrage: "Es ist ungewöhnlich, dass die Bundesregierung so weitreichend in die Zuständigkeit der Kommunen eingreift. Dies sollte nur im absoluten Ausnahmefall erfolgen." Die Ausgangsbeschränkungen hält sie grundsätzlich für einen wichtigen Beitrag, um Infektionen zu reduzieren. Doch diese Maßnahme bundesweit an einer bestimmten Inzidenzzahl festzuzurren, das sieht die Oberbürgermeisterin skeptisch.

Ausgangsbeschränkung konnte bald aufgehoben werden

In Flensburg galt vom 20. Februar bis 26. Februar dieses Jahres eine strenge nächtliche Ausgangsbeschränkung von 21 Uhr bis 5 Uhr. Dazu durfte sich ein Hausstand nicht mehr mit einer weiteren Person treffen. Die Zahl der Neuinfektionen lag damals pro 100.000 Einwohnern und Woche bei fast 200, sank dann aber rasch. So konnte die Ausgangsbeschränkung nach den damals geltenen Vorgaben schnell aufgehoben werden. "Welche Regelungen und in welchem Umfang sie sinnvoll sind, ist im Einzelfall zu entscheiden" betont Lange.

Schulen: Nicht nur Inzidenzwert sollte entscheidend sein

Das gleiche gilt für die Flensburger Bürgermeisterin auch bei den Schulen. "Es ist sinnvoll, den Unterricht so weit wie möglich aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig müssen Kriterien gefunden werden, ab wann dieses nicht mehr möglich ist", sagte sie. "Dabei ist nicht allein der Inzidenzwert, sondern vor allem der dynamische Faktor mitentscheidend. "Mit 165 liegt diese deutlich oberhalb des Grenzwertes von 100 und unter dem Wert 200, bei der die Situation zunehmend kritisch wird." Mehr Flexibilität wäre ihrer Ansicht nach besser.

Derzeit liegt die Inzidenz in Flensburg bei 45,5. Somit gehört Flensburg nicht zu den Städten und Landkreisen, die derzeit von den harten Maßnahmen über die Bundesnotbremse betroffen ist.

Der Bürgermeister von Käbschütztal bei Meißen in Sachsen, Uwe Klingor, hält die neuen Regeln für überzogen.  Er fordert: "Wir müssen das Impftempo dringend weiter erhöhen, die Priorisierungen der Impfgruppen sollte bundesweit aufgehoben werden."

Lehrerverband fordert schnellere Schulschließungen

Der deutsche Lehrerverband hatte gefordert, die geplante Notbremse noch einmal nachzuschärfen und Schülerinnen und Schüler früher in den Distanzunterricht zu schicken als bisher vorgesehen. Es sei zwar ein Fortschritt, dass der maßgebliche Inzidenzwert für Schulschließungen von 200 auf 165 gesenkt worden sei, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger den Zeitungen der Funke Mediengruppe. "Doch auch eine Inzidenz von 165 ist noch deutlich zu hoch."

Der Beschluss des Bundestages als pdf.