Bundesministerin Giffey mit Kommunalpolitikerinnen bei der Verleihung Helene Weber-Preis
Bundesministerin Giffey verleiht engagierten Kommunalpolitikerinnen den Helene Weber-Preis.
© photothek.de/Florian Gaertner

Helene Weber-Preis

Kommunalpolitikerinnen ausgezeichnet

Die Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen haben es wieder einmal gezeigt: Nur wenige Frauen streben ein Spitzenamt an. Bundesministerin Franziska Giffy hat 15 Kommunalpolitikerinnen den Helene Weber-Preis überreicht. Ein wichtiges Zeichen! Denn in kommunalen Parlamenten sind Frauen immer noch stark unterrepräsentiert. In KOMMUNAL kommen zwei der Ausgezeichneten zu Wort.

Diese Zahlen signalisieren ganz deutlich Handlungsbedarf: Unter den 323 Kandidaten bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen waren nur 63 Frauen. Das sind lediglich rund 19,5 Prozent.  36 Frauen bewarben sich für einen Oberbürgermeister-Posten, 27 Frauen kandidierten für Landratsämter. In keiner Stadt und in keinem Gemeinderat in NRW stellen Frauen bisher auch nur die Hälfte der Abgeordneten. Warum die Lokalpolitik vor allem eine Männerdomäne ist, hat vielfältige Gründe. Für Aufsehen hat dabei jüngst eine Recherche von CORRECTIV.Lokal gesorgt, wonach Lokalpolitikerinnen von sexistischen Übergriffen berichteten.

Helene Weber-Preis soll Kommunalpolitikerinnen motivieren

Um Frauen zu ermutigen, sich auf kommunaler Ebene politisch zu engagieren, verleiht das Bundesfamilienministerium seit 2009 den Helene Weber-Preis. Er ist benannt nach einer CDU-Politikerin: Helene Weber ist eine der vier "Mütter des Grundgesetzes" und hat den Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ in der Verfassung der Bundesrepublik mit erkämpft. Anliegen des mit 1000 Euro dotierten Preises ist es, die Kommunalpolitik als "Basis der Demokratie" zu stärken und mehr Frauen für kommunalpolitische Mandate zu gewinnen.

Bundesministerin Franziska Giffey hat jetzt wieder 15 Frauen ausgezeichnet, die sich für den kommunalpolitischen Nachwuchs sowie die Vielfalt in der Kommunalpolitik einsetzen und Vorbilder für potenzielle Kommunalpolitikerinnen sind.

Politik ist keine 'Männersache'. Sie geht uns alle an. Es ist Zeit, dass mehr Frauen Politik machen, nicht nur auf Bundesebene und in den großen Metropolen, sondern auch in den kleinen Gemeinden und in den ländlichen Regionen. Gerade in der Kommunalpolitik kann 'Frau' viel bewegen. Das ist nicht nur wichtig für ein besseres Zusammenleben, das kann auch viel Freude machen."

Bundesfamilienministerin Franziska Giffey

Auch die Parteien sind bei diesem Thema gefragt, betonte Giffey weiter. Sie müssten sich noch stärker dafür engagieren,  Frauen für politische Ämter zu gewinnen -  und die Frauen dabei unterstützen, neben ihren ganzen anderen Verpflichtungen Zeit für die politische Arbeit zu finden."

Denn mehr als 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts ist in der Politik noch lange keine Parität erreicht: 2019 wurden nur 27,7 Prozent der Mandate in den kommunalen Vertretungen Deutschlands von Frauen ausgeübt. Dies ist  im gerade erst veröffentlichten 4. Gleichstellungsatlas nachzulesen.

Sarah Zalfen aus Potsdam: "Danke fürs Mut machen!"

Eine der von der Ministerin ausgezeichneten 15 Frauen ist Sarah Zalfen aus Potsdam. Auf Facebook schrieb sie nach der Verleihung: "Gemeinsam mit 14 anderen Kommunalpolitikerinnen habe ich heute von Bundesministerin Franziska Giffey den Helene Weber-Preis entgegen nehmen dürfen. Danke für die Wertschätzung! Danke fürs Mut machen! Danke für die Aufnahme in ein starkes Netzwerk! Sie versprach:  "Ich will umgekehrt meinen Beitrag leisten, mehr Frauen den Weg in die Politik zu zeigen/öffnen/ebenen. Und natürlich dazu, die weiblichen Kräfte in Potsdam bei der Weiterwicklung der Stadt zur vollen Entfaltung zu bringen....!"

Für den Helene Weber-Preis 2020 hatten Abgeordnete des Bundestages 66 Frauen benannt. Der Jury, die dann die 15 diesjährigen Preisträgerinnen auswählte, gehörten Vertreterinnen und Vertreter der politischen Stiftungen, des Deutschen Frauenrates, der kommunalen Spitzenverbände und des parteiübergreifenden Helene Weber Netzwerkes an. 

Die  promovierte Kulturmanagerin Sarah Zalfen wurde von dem brandenburgischen Bundestagsabgeordneten Stefan Zierke aus der Region für die Auszeichnung vorgeschlagen. Davor hätten aber zahlreiche andere Frauen für sie geworben. "Ich bin dankbar dafür, dass Stefan Zierke dem gefolgt ist", sagte die Kommunalpolitikerin zu KOMMUNAL. Zuerst habe sie sich - typisch Frau-  gefragt: Habe ich diesen Preis denn verdient? "Ein Mann hätte sich diese Frage wohl erst gar nicht gestellt", meint Zalfen. 

Sarah Zalfen
Kommunalpolitikerin Sarah Zalfen freut sich über den Helene Weber-Preis

Sarah Zalfen hat seit anderthalb Jahren ein kommunalpolitisches Mandat inne. Jüngst wurde sie zur Co-Fraktionschefin der SPD in der Stadtverordnetenversammlung Potsdam gewählt. Zu dem Zeitpunkt stand schon fest, dass sie den Helene Weber-Preis erhalten wird. "Diese Nachricht hat mich zusätzlich motiviert, die neue Herausforderung anzunehmen", betont sie.

Mein Rat an andere Frauen: Sagt nicht immer, ich bin noch nicht so weit, wenn Ihr Verantwortung übernehmen könnt."

Sarah Zalfen, Kommunalpolitikerin aus Potsdam

Die  41-Jährige  hat den Preis auch dafür bekommen, dass sie ein erfolgreiches Gemeinschaftsprojekt  mit initiiert hat. Zehn Frauen haben dafür gesorgt, dass Potsdam ein "Frauenwahllokal" bekommen hat. Im Eissalon "Evas Sünde" hatte es in der Potsdamer Innenstadt anlässlich des 100.Jubililäums des Frauenwahlrechts eröffnet. Eine durchaus nachahmenswerte Pop-up-Installation.

Frauenwahllokal - eine erfolgreiche Initiative

Den Beginn machte eine Ausstellung über den langen Weg zum Frauenwahlrechts. Geschaffen wurde ein Ort der Information, der Begegnung und des Gedankenaustauschs. 54 Veranstaltungen haben die Organisatorinnen innerhalb eines halben Jahres durchgeführt,  darunter eine Filmreihe zum Frauenwahlrecht. Zudem wurden Mentoring-Angebote  geschaffen, um Frauen dabei zu unterstützen, in die Politik zu gehen. Beim Brunch konnten aktuelle und ehemalige Kommunalpolitikerinnen aller Parteien Erfahrungen austauschen.

"In kleinen Runden haben wir über den Einstieg in die Politik, über Erfolge und auch ein mögliches Scheitern gesprochen", erinnert sich Sarah Zalfen. Es war für sie unmöglich, so sagt sie, das   "Wahllokal"-Projekt abzuschließen - ohne selbst für weitere Ämter zu kandidieren.  Dabei steht sie schon seit fast vier Jahren dem größten ostdeutschen SPD-Ortsverbandes vor -  Potsdam Mitte Nord mit über 300 Mitgliedern. "Ich war früher auch eine, die quasi in letzter Minute angerufen wurde: Wir brauchen noch eine Frau für die Wahl oder den Vorstand." Und da setzt ihre Kritik schon an: "Die Bereitschaft, die Rahmenbedingungen für eine breite Beteiligung von Frauen zu verändern, ist oft gar nicht da. Umso wichtiger ist es, dass sie selbst nach vorne drängen und diese Bedingungen schaffen."

Bürgermeisterin von Pegnitz: Männer haben einen Vertrauensvorschuss

Ebenfalls ausgezeichnet wurde Sandra Huber, zweite Bürgermeisterin von Pegnitz im Landkreis Bayreuth. Die promovierte Politikwissenschaftlerin engagiert sich seit 2014 im Stadtrat für umwelt- und gesellschaftspolitische Belange. "Als Grüne liegt mir natürlich der Natur- und Umweltschutz sehr am Herzen. Es ist wichtig, den Klimaschutz auf kommunale Ebene herunterzubrechen", sagte  Huber "Nordbayern.de", dem Onlineportal der Nürnberger Nachrichten. Auch Sozial- und Kindereinrichtungen will sie mit ihrer Arbeit fördern, weil diese wichtig für Pegnitz sind. Der Frauenanteil lag zu der Zeit etwa bei einem Drittel und sei nach der letzten Wahl gleich geblieben, berichtet Huber von der Geschlechterverteilung im Stadtrat.

Für das Gefälle hat die promovierte Wissenschaftlerin mehrere Erklärungen.  Männern würden  eher Kompetenzen zugeschrieben, ohne diese zu hinterfragen. "Männer haben eine Art Vertrauensvorschuss", wird Sandra Huber zitiert. Hinzu kämen traditionelle Rollenbilder. "Frauen werden immer gefragt, wie sie Politik und Familie unter einen Hut bringen wollen. Die Frage ist natürlich berechtigt, aber man müsste sie auch den Männern stellen", sagt die Kommunalpolitikerin.

Sandra Huber zeigt sich davon überzeugt, dass Frauen einen neuen Blick in die Politik mit einbringen  -  und das nicht nur bei "typisch weiblichen" Themen. "Frauen stellen andere Fragen, die Männer in den letzten Jahrzehnten gestellt haben. Das soll kein Vorwurf sein, es liegt einfach in der Natur der Sache."

Die Preisverleihung war für die Kommunalpolitikerin eine gute Gelegenheit, sich zu vernetzen und mit den früheren Preisträgerinnen Erfahrungen auszutauschen.

Hier alle Preisträgerinnen auf einen Blick:

  • Christine Finke (Junges Forum, Baden-Württemberg)
  • Afra Gamoori (SPD, Niedersachsen)
  • Katja Glybowskaja (SPD, Thüringen)
  • Susanne Häcker (Bündnis 90/Die Grünen, Baden-Württemberg)
  • Sandra Huber (Bündnis 90/Die Grünen, Bayern)
  • Christine Jung (SPD, Saarland)
  • Marion Övermöhle-Mühlbach (CDU, Niedersachsen)
  • Marion Prange (parteilos, Sachsen)
  • Silvia Rabethge (CDU, Mecklenburg-Vorpommern)
  • Lena Christin Schwelling (Bündnis 90/Die Grünen, Baden-Württemberg)
  • Heidi Terpoorten (Bündnis 90/Die Grünen, Bayern)
  • Ana-Maria Trasnea (SPD, Berlin)
  • Annkathrin Wulff (SPD, Baden-Württemberg)
  • Miro Zahra (Bündnis 90/Die Grünen, Mecklenburg-Vorpommern)
  • Sarah Zalfen (SPD, Brandenburg)