Bürgersprechstunde mit Bürgermeister

"Kommunen sollten mehr Aufgaben selbst übernehmen"

Er setzt sich dafür ein, dass Städte und Gemeinden weniger Aufgaben an den jeweiligen Landkreis abgeben. Selbst hat er lange für die Kreisfreiheit seiner Stadt gekämpft. Portrait über Steffen Scheller, Oberbürgermeister von Brandenburg an der Havel.

Es ist die Stadt, die einem ganzen Bundesland dem Namen gab: Brandenburg an der Havel, seit dem Mittelalter das Zentrum der Mark Brandenburg. Ein imposantes, gotisches Rathaus steht bis heute am Altstädtischen Markt, einem von drei historischen Stadtkernen. Davor der Roland, das Symbol städtischer Eigenständigkeit. Drinnen residiert seit etwas mehr als einem Jahr Steffen Scheller, der Oberbürgermeister der Havelstadt. 2018 war er als Nachfolger der in den Bundestag gewechselten Dietlind Tiemann (CDU) gewählt worden. Zuvor hatte er als Stadtkämmerer gemeinsam mit ihr erfolgreich für den Erhalt der Kreisfreiheit der 72.000-Einwohner-Stadt gekämpft. 

„Als Oberbürgermeister hat sich das Spektrum etwas geändert, ich bin sehr viel mehr mit der Vertretung der Stadt nach außen beschäftigt“, sagt Scheller. Wiewohl der Haushalt den Oberbürgermeister natürlich weiter beschäftigt: Denn die kreisfreien Städte in Brandenburg haben exorbitant hohe Kassenkredite in den Büchern stehen. „Das sind Altlasten, die aus früheren Haushaltsjahren stammen“, sagt Scheller. Vor allem Ausgaben in den Bereichen Jugend- und Sozialhilfe seien vom Land nicht ausfinanziert gewesen, obwohl es sich dabei um die Ausführung staatlicher Aufgaben handelte. „Ende 2014 hatten wir noch 176 Millionen Euro, derzeit stehen wir bei etwas über 100 Millionen Euro“, sagt Scheller.

Auch dank des Einsatzes von Eigenmitteln sei man kräftig dabei, den Haushalt zu konsolidieren. Aber lohnt sich die Kreisfreiheit für eine Stadt dann überhaupt noch? Für Scheller, der an vorderster Front dabei war, als es darum ging, eine umstrittene Kreisgebietsreform in Brandenburg zu stoppen, die die Einkreisung der kreisfreien Städte bedeutet hätte, ist die Antwort ein klares „ja“. „Für die Stadt ist es gut, über ein größeres Aufgabenbündel selbstbestimmt entscheiden zu können“, sagt Scheller. Das gehe von der unteren Naturschutzbehörde bis zur unteren Bauaufsichtsbehörde. „Da, wo so viele Menschen auf einem Haufen leben, macht es Sinn, so etwas selbst machen zu können.“ Auch Bürgermeistern kreisangehöriger Städte rate er deswegen dazu, sich um die Übernahme weiterer Aufgaben von den Kreisen zu bemühen. „Denn das führt dazu, dass wir zum Beispiel bei Investitionen flexibler sind: Man muss sich nicht immer mit dem Kreis abstimmen.“ Flexibilität sei der große Vorteil der Kreisfreiheit. 

Man darf nie dem Eindruck erliegen, dass in der Stadt alles rund laufe

Das zeigte sich auch bei einem kleinen Coup des Oberbürgermeisters, der kürzlich für Schlagzeilen sorgte. Das Bundesaußenministerium wird eine neue Bundesoberbehörde, das geplante „Bundesamt für Auswärtige Angelegenheiten“, in Brandenburg an der Havel ansiedeln. „Das habe ich natürlich nicht alleine gemacht“, sagt Scheller. Die Stadt habe mitbekommen, dass so eine Behörde geschaffen werden soll, und dann alle Hebel in Bewegung gesetzt, um die Behörde nach Brandenburg zu holen. Die örtliche Bundestagsabgeordnete war daran ebenso beteiligt, wie der Landrat des Nachbarkreises. Alle Kanäle, die die Stadt irgendwie hatte, wurden genutzt. „Der Oberbürgermeister ist in solchen Fällen der Koordinator“, sagt Scheller. „Ein Oberbürgermeister ist ein Kümmerer“.

Wer auf kommunaler Ebene Verantwortung trage, müsse immer für die Bürger da sein. Die Bürger erwarteten, dass diese Menschen ein offenes Ohr für sie hätten. „Es ist mir aber auch ein wichtiges Anliegen, den Menschen zuzuhören“, sagt Scheller. So kennt Scheller neben den offiziellen Bürgersprechstunden auch die „kleine Sprechstunde“ - „die findet überall statt: Beim Einkaufen, beim Tanken, im Baumarkt.“ Man dürfe nie dem Eindruck erliegen, dass in der Stadt alles rund laufe. „Selbstzufriedenheit ist eine der größten Gefahren für einen Bürgermeister“, sagt Scheller. „Die darf nie über jemanden siegen.“ 

Bürgersprechstunde mit Oberbürgermeister Steffen Scheller
Oberbürgermeister Steffen Scheller will ein offenes Ohr für die Bürger haben


Als Oberbürgermeister ist es Steffen Scheller wichtig, für alle Gruppen in der Stadt ansprechbar zu sein. „Das Amt als Oberbürgermeister verpflichtet zu parteipolitischer Neutralität“, sagt Scheller. Persönlich ärgert es ihn deswegen eher, wenn in der Lokalzeitung hinter seinem Namen die Abkürzung (CDU) für seine Parteizugehörigkeit steht. „Natürlich gehört es irgendwie dazu – aber wenn ich mich als Oberbürgermeister um Dinge kümmere, mache ich das als Chef der Verwaltung, und da bin ich zur Neutralität verpflichtet.“ Was ihn an Kommunalpolitik fasziniert? „Bei uns ist der Grad der Abstraktion viel geringer als auf der Ebene der Landes- oder Bundespolitik“, sagt Scheller.

„Wir reden nicht abstrakt über Straßenbau, sondern wir reden sehr konkret darüber, in welcher Straße wir welche Oberfläche oder welchen Radweg neu machen.“ Nur im Kommunalen könne man die Dinge, die man macht, auch unmittelbar in ihrer Wirkung erleben.