Lamerdingen im Ostallgäu (hier die Pfarrkirche zu sehen) kehrt wieder zu einem Ehrenamtlichen Bürgermeister zurück - das sind die Gründe
Lamerdingen im Ostallgäu (hier die Pfarrkirche zu sehen) kehrt wieder zu einem Ehrenamtlichen Bürgermeister zurück - das sind die Gründe
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Entscheidung im Gemeinderat

Rolle rückwärts: Eine Gemeinde kehrt zum Ehrenamtlichen Bürgermeister zurück

Lamerdingen, Ostallgäu – im kleinen Dörfchen brodelt’s: Soll künftig wieder ein ehrenamtlicher Bürgermeister gewählt werden? Oder ist ein hauptamtlicher Cheforgan besser? Der Gemeinderat entzweit sich – rund 150 Zuschauer verfolgten am Montagabend hitzig eine Sitzung, in der die Entscheidung fiel: Es soll wieder einen Ehrenamtlichen Bürgermeister geben. Das sind die Gründe!

Lamerdingen in Bayern - eine kleine Gemeinde mit 2300 Einwohnern - seit dem Jahr 2019 gibt es dort einen hauptamtlichen Bürgermeister. Unter anderem, weil es der damals scheidende (noch ehrenamtliche Bürgermeister) Konrad Schulze damals dringend empfohlen hatte. Und so wurde bei der letzten Wahl mit Manuel Fischer ein parteiloser hauptamtlicher Bürgermeister im Ort gewählt. Doch recht überraschend für die Öffentlichkeit forderten vor wenigen Wochen neun der insgesamt 14 Gemeinderäte in einem Antrag, dass dies zurückgedreht wird. Dass der nächste Bürgermeister also wieder im Ehrenamt tätig sein soll. Sie argumentieren, dass der Bürgermeister Manuel Fischer nicht ihre Erwartungen erfüllt habe.

Streit um das Ehrenamt entzweit die Gemeinde

Seit Wochen nun wird im Ort heftig diskutiert, zur entscheidenden Sitzung am Abend kamen 150 Zuhörer. Und die begann mit einem erneuten Austausch der Argumente. Die Kritik des amtierenden Bürgermeister Manuel Fischer: "Es geht den Antragstellern bei der Entscheidung nicht um die Sachfrage, sondern "um meine Person" und vermutet persönliche Interessen bei den neun Gemeinderäten. Die Rückmeldungen der Einwohner jedenfalls seien eindeutig. "Die Lamerdinger wollen einen hauptamtlichen Bürgermeister", so Fischer. 

Im Ostallgäu gebe es keine einzige Gemeinde, die mehr als 2000 Einwohner hat und einen ehrenamtlichen Bürgermeister beschäftige. Der Ort würde somit eine Sonderrolle einnehmen, wenn der Antrag eine Mehrheit finde. Zumindest die rund 150 Zuhörer klatschten begeistert Beifall bei seinen Ausführungen.

Fünf Gemeinderäte waren auf der Seite des hauptamtlichen Bürgermeisters. Ihre Argumente: Ein Hauptamtlicher könne die immer umfassender werdenden Aufgaben besser bewältigen. „Wir sollten die Gemeinde zukunftssicher machen und für das Hauptamt stimmen“, sagte etwa Zweiter Bürgermeister Winfried Kastl. Es solle bei der Abstimmung „nicht um die Personalie Manuel Fischer“ gehen, sondern um die Rechtsstellung. „Wir dürfen uns nicht gegen den Willen der Bürger entscheiden“, gab er nach einem Bericht der Allgäuer Zeitung zu bedenken. 

Auf der Gegenseite argumentierte die Mehrheit der Gemeinderäte vor allem mit finanziellen Aspekten, aber eben auch der Tatsache, dass der amtierende Bürgermeister ihre Erwartungen nicht erfüllt haben. Die Allgäuer Zeitung schreibt zur Debatte: "Die Antragssteller begründeten ihre Forderungen nach dem Ehrenamt indes mit „nicht erfüllten Erwartungen“ an den aktuellen Bürgermeister sowie mit einer finanziellen Einsparung. Ein ehrenamtlicher Rathauschef kostet demnach jährlich rund 60.000 Euro weniger als ein hauptamtlicher. „Das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimmt nicht“, sagte Robert Sing"

Am Ende wurde es dann doch noch einmal extrem eng: Mit 8:7 (inklusive Bürgermeister) fiel der Entschluss denkbar knapp aus. Im Ergebnis heißt das jedoch, dass mit der kommenden Wahl im Jahr 2026 wieder ein Ehrenamtlicher Bürgermeister gewählt wird. 

Die Argumente: PRO Hauptamtlicher Bürgermeister 

  • Volle Kraft voraus – aber nur mit Vollzeit: Komplexe Aufgaben, Digitalisierung, Bauvorhaben, Kita-Ausbau – kleine Gemeinden brauchen berufliche Fachleute, die rund‑um‑die‑Uhr da sind

  • Geschultes Personal an der Spitze: Hauptamtliche werden oft als Verwaltungsfachkräfte eingestellt – nicht nur ein Hobby neben dem Job wie im Ehrenamt

  • Standort‑Attraktivität dürfte steigen: Wer hauptamtlich arbeitet, muss nicht zwingend im Ort wohnen – so können externe Profis rekrutiert werden - Die Argumente dazu haben wir bei KOMMUNAL schon im Jahr 2021 aufgelistet - siehe HIER

  • Arbeitszeit ade, Kirchturmdenken adé: Repräsentationsaufgaben, Veranstaltungen, Sitzungen – hauptamtliche Bürgermeister fahren oft über 60-Stunden‑Wochen, Ehrenamtliche müssen privat nachlegen

  • Arbeitsverdichtung trifft Freizeit: Wer nebenher berufstätig ist, fehlt oft an Zeit für Aufgaben, Bürgerkontakt und Sitzungen

  • Fehlende Zeit für digitale Verwaltung: Komplexe Schnittstellen zur Landesaufsicht, Fördermittel‑Apps oder Datenschutzanforderungen erfordern Erfahrung und Zeit – häufig nicht leistbar im Ehrenamt.

CONTRA: Das führen die Befürworter von Ehrenamtlichen Bürgermeistern an 

  • Nähe zur Bürgerschaft: Ehrenamtliche Bürgermeister wohnen oft im Ort, kennen Vereine, Feste, Sorgen – eine starre Verwaltungspyramide bleibt erspart

  • Kostenersparnis: Kein Beamtenbesoldung, nur Aufwandsentschädigung – für kleine Haushalte kann das entscheidend sein.

  • Demokratische Identifikation: Ehrenamt stärkt Bürgernähe und das Gefühl: Der Chef kümmert sich ehrenamtlich statt fürs Geld.

Die konkreten Argumente in Lamerdingen 

Der Gemeinderat war gespalten: Ein Teil fürchtete, dass hauptamtlicher Aufwand zu hohen Kosten und extern vorbesetzten Posten führt; der andere Teil meinte, ehrenamtliche Bürgerämter würden die komplexe Verwaltung überfordern. Die Allgäuer Zeitung schreibt von einer kollektiven Spaltung, die sich durch den Ort zieht – mit hitzig geführten Fronten und Petitionen, in denen Stimmen laut wurden wie: „Das Problem ist… Fischer!“ – Zielscheibe politischer Dübellust? 

Abweichend argumentieren Befürworter: Die Wahl eines hauptamtlichen Bürgermeisters könne die Talente der Gemeinde professionalisieren, Erfahrung sichern und den Verwaltungsalltag entlasten – ohne dass Lamerdingen zum „anonymen Verwaltungsdschungel“ einer Großstadt wird.