
vor Millionenpublikum
Kommunen am Limit - ein Bürgermeister spricht Klartext
Die Kommunalwahlen in NRW rütteln Deutschland wach - und das kommt sogar in den großen Talkshows der Republik an. Denn Kommunalpolitik findet dort eigentlich nur selten ein offenes Ohr. Zu sehr sind Bundespolitiker damit beschäftigt, die Debatten mit vermeintlich viel wichtigeren Themen zu fluten. Einer, der immer wieder Kommunalpolitiker in seine Show einlädt, ist Markus Lanz. Offenbar hat seine Redaktion ein Gespür dafür, dass die Diskussion über den richtigen Sand auf dem Spielplatz am Ende doch weit mehr Menschen ganz direkt betrifft, als so manche auf Metaebene geführte Diskussion über die Digitalisierungsoffensive eines Ministeriums.
So bot Lanz in dieser Woche sogar einem Bürgermeisterkandidaten ein Podium, damit dieser erzählt, was seine Wähler vor Ort bewegt. Es geht um Dennis Rehbein. Er ist Kandidat für das Oberbürgermeisteramt in Hagen im Ruhrgebiet, muss dort in der NRW-Stadt, der früheren Herzkammer der Sozialdemokratie, als CDU Kandidat in gut einer Woche in eine Stichwahl mit Michael Eiche, der von der AfD aufgestellt wurde.
Viele Migranten haben die AfD gewählt – weil sie unzufrieden sind.“
Es ist kein Versprecher, kein rhetorischer Fehltritt. Es ist die nackte Diagnose: Menschen, die selbst Zuwanderer sind, wenden sich einer Partei zu, die nach Meinung vieler Menschen ausländerfeindlich ist. Warum? Weil sie erleben, dass Stadtteile kippen, dass Versprechen nicht eingelöst werden, dass Politik den Alltag nicht mehr ordnet.
Und er hat Belege: In Sankt Augustin erzielte bei der Integrationsratswahl eine AfD-nahe Liste 52 Prozent– die absolute Mehrheit. Dazu muss man wissen, dass bei den Integrationswahlen nur Menschen ausländischer Herkunft wahlberechtigt sind. Und Sankt Augustin war bei den Integrationswahlen in vielen Städten in NRW bei den Kommunalwahlen am 14. September keine Ausnahme. In mehreren Städten wurden AfD nahe Listen stärkste Kraft.
Rehbein spricht Klartext: "Kinder sprechen kein Deutsch mehr"
Noch deutlicher wird Rehbein, wenn er über die Schulen seiner Stadt spricht.
„Wir haben Klassen mit 30 Schülern, wo die Hälfte kein Deutsch spricht. Die Kinder gehen zwei, dreimal hin – und dann nicht mehr.“
Er berichtet von Familien aus Bulgarien, Rumänien, Ungarn, die über Mini-Jobs ins System kommen. „Wenige Hundert Euro Verdienst reichen aus, um als Arbeitnehmer zu gelten – dann haben sie vollen Zugang zum Sozialsystem.“ Das Ergebnis: überforderte Schulen, frustrierte Lehrer, Kinder ohne Perspektive.
Was der Kommunalpolitiker fordert
Rehbein bleibt nicht beim Jammern stehen. Seine Forderungen sind klar:
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Mehr Präsenz – eine feste City-Wache mitten im Zentrum.
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Mehr Licht – moderne Installationen gegen Angsträume.
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Abriss von Schrottimmobilien – mit Landesmitteln, wenn nötig.
Er will aus Problemvierteln wieder Lebensräume machen. Nicht irgendwann, sondern sofort. „Wir können uns keine weitere Vertröstung leisten.“ Natürlich steht auch Rehbein dabei im Wahlkampf, natürlich sind das alles Versprechen, um die Wahlen zu gewinnen. Doch ihm ist im Sessel bei Markus Lanz anzumerken, dass es sich nicht um Wahlslogans handelt, er wirkt tief bewegt und hat offensichtliche Angst, wenn er an den Zustand der Kommunen denkt.
Auch anderen Kommunalpolitiker platzt der Kragen
Nicht nur Rehbein redet Tacheles. In Duisburg sagt Oberbürgermeister Sören Link, was viele Genossen lieber verschweigen. Er ist seit 13 Jahren Oberbürgermeister in der Hochburg der SPD, erstmals muss auch er nun in eine Stichwahl mit Carsten Groß, dem OB Kandidaten der AfD.
Entsprechend drastisch fällt ein Kommentar in Richtung seiner Partei aus:
Ich habe keine Lust, verarscht und beschissen zu werden.“
Links Zorn richtet sich gegen falsche Anreize im Sozialsystem.
"Wenn die Leute den Eindruck haben, dass andere sie ausnutzen, wenden sie sich ab – erst von der Stadt, dann von der Demokratie."
Rees: „Massive Steuererhöhungen“ drohen
Ein paar Kilometer weiter, in Rees am Niederrhein, bringt Bürgermeister Sebastian Hense die finanzielle Lage auf den Punkt:
„Wenn Land und Bund uns nicht endlich entlasten, stehen massive Steuererhöhungen bevor.“
Die Rechnung ist einfach: Soziallasten steigen, Einnahmen stagnieren. Das Ergebnis: Löcher im Haushalt, Investitionen werden gestrichen, die Bürger zahlen doppelt – mit höheren Steuern und schlechteren Leistungen.
Personalmangel frisst die Rathäuser
Geld ist nur die eine Seite. Auf der anderen Seite: Personal. Aus Heilbronn meldet die Verwaltung, was bundesweit gilt: „In unseren Rathäusern fehlen Fachkräfte an allen Ecken und Enden. Die Ruhestandswelle kommt erst noch.“
Die Folge: Anträge liegen wochenlang, Kitas schließen Gruppen, Bauprojekte bleiben liegen. Bürger erleben nicht Verwaltung, sondern Stillstand.
Vertrauensloch wird zur Gefahr
Aktuelle Zahlen aus Köln zeigen, wohin das führt: Nur noch 17 Prozent der Bürger sind mit der Stadtverwaltung zufrieden. Das war das Ergebnis einer Umfrage kurz vor den dortigen Kommunalwahlen. Erstaunlich, dass trotz des Befundes die Kandidaten, die sich in Köln für eine moderate Weiterentwicklung der Verwaltung aussprechen, das Rennen gemacht haben. Nachdem Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die unter anderem von Grünen, FDP und CDU unterstützt wurde, nicht erneut angetreten war, kommt es in Köln zu einer Stichwahl zwischen Kandidaten von SPD und Grünen.
Schwer werden es beide haben, denn die Umfrage zeigt: Vertrauen? Fehlanzeige. Das ist kein kommunales Randproblem – das ist ein Alarmsignal für die Demokratie insgesamt.
Rehbein fasst es so zusammen:
„Die Kommune ist der Ort, an dem die Demokratie lebt. Wenn wir hier scheitern, scheitert sie insgesamt.“