Bürgermeister Andreas Heun in Lauterbach
Bürgermeister Andreas Heun in Lauterbach vor dem Informationszentrum zum Felsenmeer.
© Benjamin Lassiwe

Bürgermeisterporträt

Ein Schiedsrichter im Rathaus Lautertal

Andreas Heun hat einst in der Amateuroberliga gepfiffen, heute trifft er als Bürgermeister von Lautertal im Odenwald politische Entscheidungen. Zwischen Grundsteuer, Kita-Bau und Feuerwehrinvestitionen will bei einer klaren Linie bleiben.

In seinem Büro hängt ein großes Schild vom FC Liverpool. „Aber ich habe natürlich auch eine Dauerkarte für die Lilien in Darmstadt“, sagt Andreas Heun. Denn der Bürgermeister von Lautertal im Odenwald ist Fußballfan. „Mein erster Verein war Borussia Mönchengladbach, da habe ich mein allererstes Bundesligaspiel erlebt – das war noch am alten Bökelberg, den kennt man heute gar nicht mehr.“ Früher stand auch er auf dem Rasen: Schon als Schüler engagierte er sich als Schiedsrichter, pfiff Jugendspiele und arbeitete sich bis in die Amateuroberliga hoch. Damals war das die dritthöchste deutsche Spielklasse: Die Spieler von Kickers Offenbach, Hessen Kassel oder des FSV Frankfurt hörten damals auf die Pfiffe Heuns. 

Bürgermeister leitete früher ein Jobcenter

Heute fühlt sich der 56-Jährige, der vor seinem Wechsel in die Politik das Jobcenter Darmstadt leitete, zu alt für den Einsatz auf dem Platz. Aber von seiner Zeit als Schiedsrichter profitiert er immer noch. „Als Schiedsrichter müssen Sie Dinge schnell entscheiden und auch das nötige Selbstbewusstsein mitbringen“, sagt Heun. „Man ist auch immer Einzelkämpfer, auch wenn es natürlich die beiden Linienrichter gibt.“ Der Schiedsrichter stehe auch immer im Mittelpunkt des Spiels. „Und so ist es ja im Prinzip als Bürgermeister auch.“  Viele Bürger kämen auch in Lautertal mit ihren Anliegen ins Rathaus, erwarteten Entscheidungen. Manches könne er ans Ortsgericht delegieren, eine ehrenamtlich besetzte Einrichtung in hessischen Kommunen mit Aufgaben der freiwilligen Gerichtsbarkeit.“ Aber oft wird dann doch vom Bürgermeister das letzte Wort erwartet. „Das sind manchmal auch unangenehme Entscheidungen, aber im Großen und Ganzen wird es dann am Ende akzeptiert“, so der Bürgermeister. Er ist der erste Ansprechpartner für alle Beschlüsse, die von der Gemeindevertretung gefällt werden. Rudelbildung und Schiedsrichterbeleidigung hat er im Rathaus noch nicht erlebt.

Grundsteuersatz 2025 gesenkt

Die rund 7.000-Einwohner-Gemeinde ist die für eine bizarre Felslandschaft, das „Felsenmeer“, bekannt. Und dafür, dass sie einst mit einem Hebesatz von 1.050 Punkten den bundesweit höchsten Hebesatz der Grundsteuer B hatte. „Damals hatten wir erhebliche Defizite im Haushalt und mussten uns konsolidieren“, erinnert sich Heun. Doch das gelang. Der Haushalt der Gemeinde wurde dank Einsparungen immer stärker ausgeglichen. Vor zwei Jahren konnte man wieder auf den alten Grundsteuersatz von 850 Punkten zurückkehren. Und als in diesem Jahr die Grundsteuerreform anstand, berechnete das Land, dass das jährliche Grundsteueraufkommen in Lautertal auch bei einem niedrigeren Satz von 650 Punkten konstant bleiben würde. „Da waren wir dann eine von nur sehr wenigen Gemeinden in Deutschland, die ihren Grundsteuersatz 2025 gesenkt hat“, sagt Heun. Natürlich hätte man auch tricksen und sich ein bisschen mehr genehmigen können. Aber der Bund hatte im Vorfeld der Grundsteuerreform erklärt, dass die Reform aufkommensneutral sein sollte. „Das war ein Versprechen gegenüber dem Bürger, das wir halten wollten“, unterstreicht er. Zumal die Gemeinde Lautertal den Haushalt des letzten Jahres sogar mit einem kleinen Überschuss abschließen konnte. 

Lautertal im Odenwald
Lauterbach im Odental



„Im Odenwald sind wir nicht reich“, sagt Heun. „Aber wir wirtschaften vernünftig, sind ein solider Mittelstand unter den hessischen Gemeinden.“ Die Verwaltung seiner Ortschaft sei nicht aufgebläht. „Wir würden uns aber schon wünschen, dass das Land und der Bund unsere Sorgen stärker sehen würden“, so der Bürgermeister. Dabei hätten Gemeinden wie  Lautertal derzeit echte Wachstumsschmerzen:  Menschen aus Frankfurt am Main, Wiesbaden oder Darmstadt, die die hohen Mieten nicht bezahlen können, ziehen in den ländlichen Raum. „Wir müssen in die Kinderbetreuung investieren, wir haben eine sanierungsbedürftige Sporthalle“, zählt Heun auf. „Aber gerade die Frage, wie und wo Kinder betreut werden, ist für junge Familien eine sehr entscheidende Frage, wenn sie sich dazu entschließen, auf das Land zu ziehen.“

Doch eine neue Kita oder eine neue Sporthalle würden die Gemeinde zwischen 10 und 15 Millionen Euro kosten. Für Lautertal ist das viel Geld. „Aber Investitionen in die Infrastruktur sind uns wichtig", erklärt der Bürgermeister. Zusammen mit einer Nachbarkommune leistet sich Lautertal deswegen auch einen eigenen Wasserversorger: Rund zwei Drittel des Trinkwassers der Gemeinde stammen aus eigenen Quellen. „Unser Wasser hier hat eine gute Qualität“, sagt er. Ausschlaggebend für die Eigenständigkeit sei aber die Daseinsvorsorge als Aufgabe der Gemeinde gewesen. Denn der Klimawandel sorge dafür, dass das Wasser perspektivisch überall knapp werde. Da wollten sich die Lautertaler nicht einem großen Versorger ausliefern, in dessen Gremien sie am Ende nur wenig Mitspracherechte hätten. 

Fußball und Feuerwehr

Wie Heun die Menschen in seiner Gemeinde erreicht? Natürlich ist der ehemalige Schiedsrichter hin und wieder bei den Fußballvereinen zu Besuch. „Am wichtigsten im ganzen Lautertal sind aber die Feuerwehren“, sagt er. „Bei uns spricht man von den drei Fs, die die Gemeinde zusammenhalten: Fußball, Fastnacht, Feuerwehr.“ Die Mitgliedschaft in den Ortsfeuerwehren ist im Lautertal im Grunde erblich. Mitglieder bringen ihre Kinder mit, anschließend kommen auch die Enkel. Die Feuerwehr hält die Gemeinde zusammen. Doch auch das stellt die Kommune vor Herausforderungen. „Wir wollen natürlich auch stetig in die Feuerwehr investieren: Gerätehäuser sanieren, Fahrzeuge beschaffen.“ Es könne deswegen durchaus passieren, dass auch im Lautertal der Grundsteuerhebesatz eines Tages wieder steigt. Klare Entscheidungen werden dem Fußballschiedsrichter im Rathaus wohl auch in den nächsten Jahren abverlangt.