Kommunale Finanzen
Bitterfeld-Wolfen und Barleben gegen Kreisumlage vor Gericht
In den vergangenen drei Jahren gab es zahlreiche Klagen von Kommunen gegen Kreisumlagen, insbesondere in Sachsen-Anhalt, aber auch vereinzelt in anderen Ländern. Einige Kommunen erzielten in einzelnen Verfahren vorinstanzliche Erfolge, aber viele Berufungen wurden in höheren Instanzen abgewiesen.
Bitterfeld-Wolfen klagt gegen den Kreis
Trotz der eher mäßigen Erfolgsaussichten klagen derzeit vier von fünf Kommunen des Altkreises Bitterfeld gegen die vom Kreis geforderte Umlage. Auch Bitterfeld-Wolfen. Die Kommune hat eine 16-jährige Haushaltskonsolidierung hinter sich. Derzeit befindet sich die Kommune in einer Übergangsphase aus der Haushaltskonsolidierung heraus. Die Verantwortlichen hoffen, dass der Jahresabschluss 2025 seit langer Zeit wieder dem Volumen der Haushaltsplanung entspricht.
Aktuell besonders dringlich sind die vielen ausgebliebene Investitionen in die kommunale Infrastruktur. Darunter nicht nur freiwillige Aufgaben, sondern auch verpflichtende. Hier ist man besonders dringend auf Gelder aus Fördertöpfen angewiesen. Wenig gelegen kommt der Kommune in dieser Situation die Kreisumlage. Der Hebesatz lag zwischen 2016 und 2020 zwischen 39 und 40,5 Prozent. Oberbürgermeister Armin Schenk erklärt: "Die zu zahlende Kreisumlage in 2025 stellt allein 27,5 Prozent der ordentlichen Aufwendungen des Gesamtergebnisplanes in Bitterfeld-Wolfen dar."

Finanzielle Mindestausstattung verletzt?
Nun klagt Bitterfeld-Wolfen. Die zuvor in die Wege geleitete Prüfung ergab: "Der Rechtsbeistand der Stadt geht davon aus, dass die Kreisumlagefestsetzung den Grundsatz der finanziellen Mindestausstattung der kreisangehörigen Gemeinden nach Art. 28 Abs. 2 Grundgesetz verletzt. Er sieht maßgebliche Abwägungsfehler beim Landkreis Anhalt-Bitterfeld, die nach seiner Überzeugung zu einer Rechtswidrigkeit der Festsetzungsbescheide und der damit festgesetzten Umlage führen", erläutert der Oberbürgermeister.
Eine Reaktion des Landkreises liegt derzeit noch nicht vor und der Ausgang des Verfahrens ist noch nicht absehbar. Armin Schenk unterstreicht: "Der Rechtsbeistand der Stadt sieht Angriffspunkte im Bescheid und nutzt mit dem gerichtlichen Verfahren die Möglichkeit, das zu überprüfen. Jedes Gerichtsverfahren beinhaltet allerdings ein Prozessrisiko, auch bei umfangreicher Vorbereitung. Aber unser Stadtratsbeschluss macht deutlich, dass wir bereit sind, dieses Risiko einzugehen." Und er fügt an: "Der kommunale Finanzausgleich müsste zwischen Landkreisen und Kommunen zukünftig so ausgewogen gestaltet werden, dass beide Gruppen über eine ihre Aufgabenerfüllung sichernde Finanzausstattung verfügen können."
Barleben klagt und klagt
Frank Nase, Bürgermeister der Einheitsgemeinde Barleben im Landkreis Börde in Sachsen-Anhalt, nennt gerne Beispielsummen für das, was er abführen muss. Und da kommt schnell ein ordentlicher Batzen zusammen: Drei Millionen Euro Finanzausgleichszahlungen ans Land, zwölf Millionen Euro Kreisumlage und vier Millionen Euro Zweckverbindliche Umlagen ergeben summa summarum 19 Millionen Euro. Und das bei einem Haushalt von etwa 40 Millionen Euro. Seit knapp zehn Jahren klagt er wieder und wieder - manchmal bekommt er Recht und manchmal nicht.
Erst im Oktober ist er beim Oberverwaltungsgericht gescheitert: Für das Jahr 2023 sollte seine Kommune 13,9 Millionen Euro Kreisumlage abführen. Dabei sind die Zeiten längst vorbei, als seine Kommune als eine von wenigen in seinem Bundesland als abundante Kommune galt, auch weil Barleben sich über viele Jahre für Unternehmen und Führungskräfte attraktiv gemacht hatte. Frank Nase stellt klar: "Unser Haushalt schwankt enorm. 2012 ist unser Haushalt um ganze 75 Prozent eingebrochen. Die hohe Kreisumlage für 2010 - ein wesentlich besseres Jahr - mussten wir dennoch zahlen. Die Kreisumlage war sogar höher als der gesamte Haushalt. Damals rutschen wir das erste Mal in die Haushaltskonsolidierung. Dabei waren wir zuvor fast kreditfrei." In den Jahren danach war man in Barleben trotz des großen Einschnitts dennoch wieder auf einem guten Weg - bis zur Corona-Krise, auf die seitdem Krise um Krise folgt.
Solidarität ja, aber nicht als Einbahnstraße
So wie bisher, sagt der streitbare Bürgermeister, kann es nicht weitergehen. Zwar sei er durchaus ein Verfechter der Solidargemeinschaft, aber die zum Tragen kommenden Gesetze böten keine Möglichkeit zu Kompromissen in besonders herausfordernden Situationen. "Was wir Kommunen brauchen ist eine Rechtslage, die Anpassungen an die Realität möglich macht. Weil der Kreis aber seine Aufgaben als wichtiger ansieht als die unseren - etwa wenn es um die Sanierung von Schulen geht - ist das Verständnis für uns Kommunen nicht gerade ausgeprägt." In anderen Kommunen seien zumindest Verhandlungen mit dem Landkreis möglich, im Landkreis Börde setze man sich nicht einmal an einen Tisch. Wenn Leistung sich in diesem Land wieder lohnen solle, dann dürften Kommunen wie die seine nicht unverhältnismäßig für ihren Erfolg bestraft werden.
Er könne, sagt Frank Nase, seinen Bürgerinnen und Bürger nicht erklären, warum die Gemeinde den Jahresbeitrag für die Bibliothek von fünf auf 15 Euro erhöhen muss, gleichzeitig aber zweistellige Millionenbeträge für den Kreis fällig würden. "Gerade in diesen Zeiten brauchen wir nicht nur Solidarität, sondern auch Verständnis füreinander und den Willen, zusammenzurücken. Aber auch den Willen zum konstruktiven Streiten - und den haben wir in Barleben." Eigentlich müssten die Kommunen bundesweit für differenziertere Regeln in Sachen Kreisumlage an einem Strand ziehen, aber gerade im Osten registriert Frank Nase bislang nur wenig Unterstützung: "Hier bei uns herrscht vielerorts noch eher die Denkweise - schlucken und weitermachen." Frank Nase macht weiter - und klagt. Er hat Verständnis dafür, dass manche Kommunen nicht einmal dafür die Kosten aufbringen können.

Kreisumlage: die rechtlichen Vorgaben
Kreisumlagen sind Zahlungen von kreisangehörigen Gebietskörperschaften an den für sie zuständigen Landkreis. Da die Kreise selbst keine nennenswerten Steuern erheben dürfen, erhalten sie den Großteil ihrer finanziellen Mittel über diese Umlage, um ihren finanziellen Bedarf teilweise oder komplett zu decken. Im Art. 106 Abs. 6 GG ist die Erhebung einer Umlage durch die Kreise auf Grundlage des Selbstverwaltungsrechts festgeschrieben. Errechnet wird die Umlage aus der jeweiligen Steuerkraft einer Gemeinde und den sogenannten Schlüsselzuweisungen. Daraus wird ein von-Hundert-Satz errechnet, der die Höhe des Umlagesatzes bestimmt. Dies wird im Kreistag beschlossen. Damit sollen die Aufgaben und die Finanzierung der kreiseigenen Aufgaben sichergestellt werden.
Allerdings gilt einschränkend, dass für die Gemeinden ein angemessener finanzieller Spielraum verbleiben muss. Eigentlich haben die kreisangehörigen Kommunen bei der Bestimmung der Kreisumlage kein Mitspracherecht. In Zeiten, in denen die Kommunen über immer größere Belastungen, Investitionsstau und hohe Schuldlast klagen, bleiben Klagen gegen die teils sehr unterschiedlichen Hebesätze nicht aus. Ein Beispiel aus Nordrhein-Westfalen: Im vergangenen Jahr zahlten die Kommunen im Kreis Borken eine Kreisumlage von gerade einmal 26,5 Prozent. Der niedrigste Satz im einwohnerstärksten Bundesland. Die Kommunen im Ennepe-Ruhr-Kreis wurden dagegen mit 46,06 Prozent zur Kasse gebeten.
Wegweisende Urteile in Sachen Kreisumlage
Verwaltungsgericht kippt Hildesheimer Zwei-Klassen-Umlage
Geklagt hatte 2019 die Samtgemeinde Leinebergland und deren drei Mitgliedsgemeinden (Flecken Duingen, Flecken Eime und Stadt Gronau) gegen eine "gespaltene Kreisumlage". Der Hintergrund: Der Landkreis Hildesheim hatte damals beschlossen, dass alle Gemeinden, die nicht einen sogenannten Kita-Vertrag abgeschlossen hatten, statt 55,8 Prozent Umlage nun 65 Prozent zahlen sollten. Den Klägern wurde vor dem Verwaltungsgericht Hannover Recht gegeben, hatte zuvor die eigentliche Klage gegen die Höhe der mit 55,8 Prozent festgesetzten Umlage aber abgewiesen.
Bundesverwaltungsgericht rügt Kreisumlage ohne Blick auf Gemeindebedarf
Ein wegweisendes Urteil fällte das Bundesverwaltungsgericht am 27.09.2021. "Die verfassungsrechtliche Pflicht des Landkreises, bei der Erhebung der Kreisumlage den Finanzbedarf der umlagepflichtigen Gemeinden zu ermitteln und gleichrangig mit dem eigenen zu berücksichtigen, ist verletzt, wenn der Kreistag über einen von der Kreisverwaltung vorgeschlagenen Umlagesatz beschließt, ohne dass ihm zumindest die zugrunde gelegten Bedarfsansätze der betroffenen Gemeinden vorlagen", nachzulesen hier.
Thüringer OVG: Kreisumlage nur nach Anhörung der Gemeinden
Bereits 2016 urteilte das Thüringer Oberverwaltungsgericht, dass vor der Festsetzung von Kreisumlagen die davon betroffenen Gemeinden grundsätzlich gehört werden müssen. Gleichzeitig müsse der Kreis seine Ausgaben erklären und verteidigen.