Braucht Deutschland mehr hauptamtliche Bürgermeister? - Nicht nur in Sachsen (hier Kriebstein, 2000 Einwohner) wird das emotional diskutiert
Braucht Deutschland mehr hauptamtliche Bürgermeister? - Nicht nur in Sachsen (hier Kriebstein, 2000 Einwohner) wird das emotional diskutiert
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Ehrenamt

Nebenjob im Rathaus? Diskussion über hauptamtliche Bürgermeister

Sachsen will sein Kommunalrechtsgesetz ändern. Hintergrund ist die händeringende Suche nach Bürgermeistern. Denn im Ehrenamt sind immer weniger Menschen bereit, das Amt auszufüllen. Dabei gehen die Diskussionen quer durch alle Lager. Wie die Bundesländer mit dem Thema umgehen.

Die Mehrzahl der Bürgermeister in Deutschland ist ehrenamtlich tätig. Fast 8000 Ehrenamtliche sind es. Im Vergleich dazu gibt es weniger als 4000 hauptamtliche Bürgermeister. Die Zahl ergibt sich, obwohl es "nur" rund 11.000 Kommunen gibt, in größeren Städten gibt es aber häufig mehrere Bürgermeister. Etwa den Oberbürgermeister und die Bürgermeister für Fachbereiche wie Bauen oder Finanzen.

Anders in kleineren Orten: Kleine Kommunen tun sich oft als Verwaltungsgemeinschaft zusammen. Dann gibt es für mehrere Gemeinden einen Leiter der Verwaltung aber für jede Gemeinde einen Bürgermeister. Der oder die übt das Amt neben ihrem eigentlich Beruf aus. Nur genau für solche Aufgaben finden sich immer weniger Menschen. Der Grund liegt auf der Hand: Die Professionalisierung der Gemeindearbeit und allen voran der Verwaltungsaufgaben. Selbst Bürgermeister in sehr kleinen Gemeinden mit weniger als 1000 Einwohnern berichten häufig, dass sie mindestens 20 Stunden pro Woche für ihren "Nebenjob" tätig sind. Da sind Empfänge, Geburtstage, Bürgersprechstunden, Teilnahme an Runden mit der Verwaltung und vieles mehr. Spätestens, wenn die Gemeinde eine eigene Verwaltung hat, ist die Mischung aus "Viel Ehre, kein Gehalt" faktisch nicht mehr leistbar. 

Sachsen will mehr hauptamtliche Bürgermeister zulassen

Ab wann Bürgermeister hauptamtlich tätig sind, ist von Bundesland zu Bundesland sehr unterschiedlich. In Bayern etwa ist es den Gemeinden weitgehend selbst überlassen, das zu entscheiden. Zwingend vorgesehen ist ein hauptamtlicher Bürgermeister hier nur, wenn die Gemeinde mehr als 10.000 Einwohner hat. Üblich ist, dass Gemeinden mit mehr als 5000 Einwohnern einen hauptamtlichen Bürgermeister haben. Es gibt in Bayern aber auch Gemeinden mit 1000 Einwohnern und einem hauptamtlichen Bürgermeister. 

Ehrenamt heißt dabei übrigens nicht, dass sie gar keine Vergütung bekommen. In Bayern bekommen ehrenamtliche Bürgermeister für ihren "Nebenjob im Rathaus" Aufwandsentschädigungen, bis zu 750 Euro sind steuerfrei, der Rest muss versteuert werden. Die Besoldung richtet sich dabei nach der Einwohnerzahl. Bei weniger als 3000 Einwohnern etwa bekommt der ehrenamtliche Rathauschef immerhin knapp 4600 Euro im Monat, bei 5000 Einwohnern sind es schon bis zu 5400 Euro. 

In Sachsen ist das bisher anders geregelt. Auch hier gibt es Aufwandsentschädigungen. Kommunen, die weniger als 5000 Einwohner haben, beschäftigen aber in aller Regel einen ehrenamtlichen Bürgermeister. Erst ab einer Einwohnerzahl von 5000 ist ein hauptamtlicher Bürgermeister vorgesehen. Ausnahme: Die Kommune gehört nicht zu einer Verwaltungsgemeinschaft, hat also eine eigene Gemeindeverwaltung. Dann ist ein hauptamtlicher Bürgermeister schon ab 2000 Einwohnern möglich. Für Streit hatte das zuletzt etwa in Kriebstein in Mittelsachsen geführt. Dort war lange unklar, ob nach den Einwohnerverlusten von über 20 Prozent in den letzten Jahren die Mindestzahl von 2000 Einwohnern gehalten wird. Seit Juli ist nun klar: Die Statistik spricht von 2058 Einwohnern, also Grünes Licht für die Wahl eines hauptamtlichen Bürgermeisters.

In genau solchen Gemeinden aber findet sich dann häufig niemand mehr, der es machen möchte, so denn das Amt "nur noch" im Nebenjob ausgeübt werden kann. Die Landesregierung in Sachsen will das Gesetz daher ändern. Betroffen davon wären 400 Kommunen, die im Moment einen ehrenamtlichen Bürgermeister haben. Hier könnte künftig ein Hauptamtlicher gewählt werden. Doch nicht allen gefällt der Gesetzesentwurf. 

Kritik an mehr hauptamtlichen Bürgermeistern

Je nach Größe der Gemeinde kostet ein hauptamtlicher Bürgermeister dreimal mehr als ein ehrenamtlicher. Das lohne sich für mehr als 100 der 400 Gemeinden auf keinen Fall, meint der Direktor des sächsischen Rechnungshofes, Peter Teichmann. "Und deshalb haben wir gesagt, es würde bei den Gemeinden, die Mitglied in einem Verwaltungsverband oder einer Verwaltungsgemeinschaft sind, ein Missverhältnis entstehen zwischen der Besoldung, die der Bürgermeister bekommt und den Aufgaben, die er tatsächlich hat. Er hat beispielsweise nicht die Personalverantwortung für die Mitarbeiter, die für die Gemeinde tätig sind. Das liegt sozusagen in der Verwaltung bei der erfüllenden Gemeinde."

Auch der Zeitplan ist in Sachsen ein Kritikpunkt. Denn im kommenden Jahr finden viele Bürgermeisterwahlen statt. Das Gesetz könnte kurz zuvor in Kraft treten, das ist wenig hilfreich, meint der Vorsitzende des Städte- und Gemeindebundes, Mischa Woitschek."Wir haben einen Vorschlag eingebracht, dass in kleinen Gemeinden die Bürgermeisterwahl im Jahr 2022 dann bis zu ein halbes Jahr verschoben werden kann, um diese Fragestellung zu klären, damit man auch letztendlich, ich sag es mal sehr platt, einen Kassensturz machen kann, ob man sich das dann auch dementsprechend leisten kann."

Neben den Kosten gilt es noch ein Problem zu lösen - bisher gilt in Sachsen für hauptamtliche Bürgermeister eine Altersgrenze. Gerade viele Ehrenamtliche Bürgermeister sind aber schon im Rentenalter. Sie müssten dann zwangsweise "abtreten" beziehungsweise dürften sich nicht erneut zur Wahl stellen. 

Die Befürworter von mehr hauptamtlichen Bürgermeistern sehen übrigens genau das auch als einen Vorteil an und sprechen von einer Verjüngung im Rathaus. Einmal Bürgermeister, immer Bürgermeister, das soll eben kein faktischer Automatismus mehr sein. 

Das sind die Hauptargumente Pro und Contra hauptamtlicher Bürgermeister 

Die Befürworter von mehr hauptamtlichen Bürgermeistern auch in kleinen Kommunen argumentieren, dass die Gemeinden zur Bewältigung ihrer zahlreichen Aufgaben jemanden brauchen, der sich komplett auf die Belange der Gemeinde konzentrieren kann. Das könne nur mit gut ausgebildeten Fachkräften gelingen, die hauptamtlich arbeiten und entsprechend bezahlt werden. 

Meist gilt zudem: Ein ehrenamtlicher Bürgermeister muss in der Gemeinde, die er oder sie führt, wohnen; ein hauptamtlicher Bürgermeister muss das nicht.

Die Gegner führen derweil an, dass ein Bürgermeister vor allem repräsentieren soll und aus der Mitte der Gemeinde kommen soll. Zudem kommt das Kostenargument in kleinen Gemeinden hinzu. Ein Bürgermeister in einer kleinen Gemeinde in Sachsen etwa würde hauptamtlich rund 75.000 Euro verdienen. Bei 2000 Einwohnern wären das pro Person im Ort fast 40 Euro im Jahr. 

In Thüringen, wo Bürgermeister ab einer Einwohnerzahl von 3000 üblicherweise hauptamtlich tätig sind, gab es im vergangenen Jahr gar ein Bürgerbegehren über das Thema. Die Gemeinde liegt nur knapp über der Grenze von 3000 Einwohnern, der Stadtrat wollte mehrheitlich den Bürgermeister im Ehrenamt beschäftigen. So könnten innerhalb von 5 Jahren rund 500.000 Euro eingespart werden, argumentierten die Befürworter. Der hauptamtliche Bürgermeister der Gemeinde wehrte sich dagegen, es kam zum Bürgerentscheid. Nach langem hin und Her hat sich eine Mehrheit der Bürger in diesem Frühjahr dafür entschieden, dass der Bürgermeister weiter hauptamtlich tätig ist. Nur verzögerte sich dadurch vieles, der bisherige Bürgermeister warf in der Zeit das Handtuch. Aktuell ist die Position unbesetzt, die Kommunalaufsicht drängt die Kommune seit Juni, endlich Bürgermeisterwahlen durchzuführen. Das soll nun möglichst bald passieren.