Kreisgebietsreformen sollen Geld sparen - doch das wird immer wieder bezweifelt

Kreisfusion hat Verwaltung offenbar teurer gemacht

Vor zwei Jahren fusionierten Göttingen und Osterode. Der Zusammenschluss sollte Verwaltungskosten sparen. Das Ergebnis sieht anders aus!

Es war von langer Hand geplant und politisch gewollt. Der Landtag stimmte zu, die Landkreise Göttingen und Osterode am Harz stimmten zu - und so konnte zum 1. November 2016 der Kreis Göttingen mit dem Kreis Osterode fusionieren. Ein Imagefilm entstand, politisch lobten die Fusion viele als zukunftsweisend. Der Bund der Steuerzahler etwa verwies darauf, dass größere Landkreise Geld sparen. Und heute, gut anderthalb Jahre später? Sieht die Realität offenbar anders aus! 

Die Zahl der Kreismitarbeiter wuchs auf weit mehr als 1700. Insgesamt wurden 72 Stellen wurden neu geschaffen"

Zahlen der Kommunalaufsicht des Landes Niedersachsen

Statt Geld gespart mehr Stellen geschaffen

Neu, größer, Göttingen hieß es damals zur Fusion. Hauptziel: Verwaltungskosten sparen und so Schulden abbauen. 80 Millionen Euro Entschuldungshilfe bekam der neue Landkreis dafür vom Land Niedersachsen obendrauf - verbunden mit der Auflage zu sparen. Die Folge hat sich die Kommunalaufsicht des Landes nach 19 Monaten in einer Zwischenbilanz mal angesehen. Seither wurden in der Verwaltung 72 neue Stellen geschaffen. 

Der Landkreis will diese Zahlen jedoch nicht umkommentiert stehen lassen: Das Göttinger Tageblatt zitiert einen Sprecher, der die Zahlen aus seiner Sicht erklärt. Demnach resultieren 32 Stellen aus Fallzahlsteigerungen beziehungsweise Aufgabenzuwächsen bei der Betreuung von Flüchtlingen. Das betrifft vor allem das Jobcenter. Neue gesetzliche Bestimmungen erforderten demnach die Schaffung von fünf weiteren Stellen, vor allem im Bereich Umwelt. Zudem seien zahlreiche weitere Stellen befristet, elf sollen demnach noch im Laufe des Jahres 2018 wieder entfallen. 

Prüfung soll insgesamt drei Jahre dauern

Ohnehin sagen Befürworter der Fusion, sei eine Prüfung über einen Zeitraum von drei Jahren vereinbart worden. Somit sei eine abschließende Bewertung verfrüht. Die Kommunalaufsicht verlangt vom Landkreis, dass jeder Bereich der Verwaltung überprüft wird, wie effektiv dort gearbeitet wird. Und das geschieht Abteilung für Abteilung. In diesem Jahr seien die Bereiche "Kulturelle Angelegenheiten" und "Berufsschulen" sowie der "Brand- und Katastrophenschutz" an der Reihe. Erst wenn alle Abteilungen überprüft worden seien, lasse sich eine Bewertung vornehmen. 

Immer wieder Kritik an Gebietsreformen 

Gebietsreformen sind bei den Bürgern grundsätzlich selten beliebt. Das ergab schon im Jahr 2016 eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag von KOMMUNAL. Zuletzt wurden geplante Reformen in Brandenburg und Thüringen nach massiven Protesten gestoppt beziehungsweise vorerst auf Eis gelegt. 

Forsa-Umfrage für KOMMUNAL
Klare Ansagen der Bürger zum Thema Gebietsreformen 

Der Dorfforscher und Buchautor Gerhard Henkel sagt, Gebietsreformen seien nicht mehr zeitgemäß. 

In einem Gastbeitrag für KOMMUNAL schrieb Henkel im vergangenen Jahr: 

Auf dem Lande hat in den letzten Jahrzehnten eine zweifache Entmündigung kommunaler Instanzen stattgefunden. Die Entmündigung der Kommunen zeigt sich in rechtlichen, planerischen und finanziellen Reglementierungen. Inzwischen sind etwa 90 % der kommunalen Ausgaben durch staatliche Gesetze und Richtlinien festgelegt. Die fehlende „freie Spitze“ kommunaler Finanzplanung zwingt viele Kommunen zu verstärkter Schuldenaufnahme. In der ländlichen Kommunalpolitik dominiert daher das Gefühl der Geringschätzung und Bevormundung durch die hohe Politik.  

 

Gebietsreformen sind verheerend für das Heimatgefühl der Menschen. Davon profitieren radikale Parteien"

Studie des IFO-Instituts

 

Studien bestätigen negative Wirkungen 

In einer Studie hat sich das Dresdner Ido-Institut ebenfalls mit den Auswirkungen von Gebietsreformen befasst. Das Ergebnis ist eindeutig. 

Gebietsreformen werden viele positive Eigenschaften angedichtet. Doch sie sind in Wirklichkeit verheerend für das Heimatgefühl der Menschen. Auch die Wahlbeteiligung sinkt nachweisbar. Das Ergebnis: Radikale Parteien profitieren, Menschen fühlen sich nicht mitgenommen und am schlimmsten: Die Zufriedenheit der Menschen mit der Demokratie nimmt spürbar ab.