Deutschlands Städte müssen ihre Chancen besser nutzen

Landleben: Wer baut die Stadt der Zukunft?

Die Zukunft des Landlebens hat gerade erst begonnen. Die Digitalisierung ist nicht nur Megaaufgabe, sondern auch Megachance. Damit das Comeback gelingt, muss die viel zitierte „German Angst“ überwunden werden, meint Christian Erhardt.

Deutschland umbauen - mit diesen Worten ist der Kommunalkongress des Deutschen Städte- und Gemeindebundes betitelt, der Ende Juni in Berlin stattfindet. Rund 700 Bürgermeister und Entscheider aus den Kommunen kommen hier zusammen. Und haben eine Menge zu besprechen. Es geht um nichts Geringeres als darum, unser Land fit zu machen für die digitale Zukunft. Darum, dass die Kommunen im Zeitalter der Globalisierung nicht abgehängt werden. Darum, dass weiter die Menschen vor Ort die Lebensqualität in den Kommunen entscheidend beeinflussen können und die Bürger nicht allein von Unternehmen im Silicon Valley abhängig sind.

Comeback für das Landleben? Die Chancen stehen gut!

Der Trend, dass die Menschen in Deutschland vom Land in die Städte ziehen, ist seit Jahren gebrochen. Die Differenz aus Zu- und Fortzügen in den deutschen Großstädten ist negativ. Das wird sich laut Forschern auch weiter verstärken. Auch die Mär vom schrumpfenden Deutschland ist widerlegt. Wir sind nach den USA das attraktivste Einwanderungsland der Welt, Deutschland schafft sich nicht ab, sondern wächst. Die Zahl der Arbeitsplätze auf dem Land steigt kontinuierlich – in 98 Prozent aller deutschen Landkreise ist die Zahl der Arbeitsplätze in den vergangenen Jahren spürbar gestiegen. Das liegt vor allem am deutschen Mittelstand – sie haben ihren Sitz fast immer in der Provinz, nicht in der Großstadt. Die Zahl der Arbeitslosen auf dem Land sinkt stärker als in den Städten, dort ist sie deutlich höher. Die Mieten in den Städten explodieren, die Flucht in die Stadt macht arm!

Deutschland umbauen - das ist Auftrag an jeden einzelnen Entscheider vor Ort, meint Christian Erhardt

Die Zukunft für das Land sieht also rosig aus. Sie ist aber wahrlich kein Selbstläufer. Im digitalen Zeitalter der vernetzten Stadt werden die Karten komplett neu gemischt. Nur mit mutigen Kommunen wird die smarte Stadt von morgen gelingen. Der größte Feind ist dabei die viel zitierte „German Angst“. Viel zu zögerlich artikulieren wir als Städte und Gemeinden etwa unsere Forderung, Hoheit über Daten zu bekommen. In Deutschland misstrauen die Menschen tendenziell Behörden und Politikern, wenn es um persönliche Daten geht. Dass Konzerne wie Facebook und Google diese längst besitzen, regt weniger auf. Wir brauchen aber diese Daten für die Stadt von morgen. Beispiel Hamburg: Hier erhellen sich mittlerweile Straßenlampen, wenn ein Radfahrer kommt, Ampeln registrieren, wann sich Bürger nähern und LKW bekommen längere Grünphasen. Das alles setzt aber voraus, dass Standort- und Bewegungsprofile anonymisiert erstellt werden können. Nur wem es gelingt, die nötigen Daten zu kombinieren und diese intelligent auszuwerten, kann seinen Bürgern erklären, wie er etwa am sinnvollsten von A nach B kommt. Dabei macht es wenig Sinn die einzelnen Elemente wie Auto, Bus oder Fahrrad getrennt zu betrachten. Big Data heißt das Stichwort, dazu müssen Kommunen so viele Daten wie möglich nutzen dürfen.

Der autonome Roboter für mehr Lebensqualität?

German Angst jedenfalls ist fehl am Platze – nutzen wir doch lieber die Chancen, die uns die Digitalisierung bietet. Stellen Sie sich vor, Ihr voll autonom fahrender Roboter bringt Sie in Hochgeschwindigkeit in die nächste Stadt, längere Fahrtzeiten sind für die Menschen kein Problem mehr, weil sie ja „im Auto“ telefonieren, arbeiten oder schlafen können. Fahrtzeit ist keine verschwendete Zeit mehr, Staus gehören der Vergangenheit an. Was das unbeliebte Business-Hotel für Geschäftsleute dann ebenfalls überflüssig macht. Ihre Kinder bringt der Roboter natürlich auch selbstständig zum Fußballverein oder in die Schule, der teure ÖPNV in den Städten wird auch überflüssig, der Roboterauto-Carsharing-Markt hingegen wächst ins Unermessliche. Die Freizeit und die Lebensqualität steigen enorm. Dieses Szenario lässt sich auf nahezu alle aktuellen Probleme auf dem Land ausweiten. Dank „mobile Health“ ist der Landarzt wieder digital vor Ort, Rezept und Krankschreibung erfolgen per Mail. Dank schnellem Internet sitzen die Start-Up-Unternehmen – ähnlich wie im Silicon Valley – in der Provinz. Der globale Dorfbewohner, heimatverbunden und doch viel in der Welt unterwegs, wird das neue Ideal vieler Menschen.

Landleben oder Silicon Valley? Wir haben es in der Hand!

Deutschlands Kommunen haben es in der Hand, ob sie die Stadt der Zukunft aktiv mitgestalten, oder die Gestaltung der Zukunft lieber Unternehmen aus dem Silicon Valley überlassen wollen. Der Vergleich zwischen Stadt und Land – das ist in etwa der Vergleich zwischen „traditionellem Industriekonzern“ und einem „Start Up Unternehmen“ – denn kleine Städte haben zwar weniger Mittel und Personal, aber eben auch mehr Kreativität, Spontanität und hoffentlich auch mehr Mut!  „Deutschland umbauen“ ist daher mehr als nur ein Titel für einen Kongress. Es ist Auftrag an jeden einzelnen Entscheider vor Ort. Packen wir es an!