Belastungsgrenze für Kommunen
Corona: Kommt jetzt der Lockdown durch die Hintertür?
Es ist zu Recht das große Ziel der Politik, einen zweiten Lockdown zu verhindern. Er würde nicht nur die Milliardenpakete der Bundesregierung, die wir uns auf Pump der nächsten Generationen geliehen haben, zerstören. Es würde auch die Wirtschaft in eine noch tiefere Rezession stürzen. Und mit ihr die Kommunen. Doch was in diesen Tagen passiert, gleicht der Vorbereitung eines Lockdowns durch die Hintertür. Nur mit dem Unterschied, dass dieses Mal der "schwarze Peter" von Bund und Ländern an die Kommunen abgeschoben wird. Doch der Reihe nach:
Einreisende aus Berlin sollen in Quarantäne - kontrollieren muss das örtliche Gesundheitsamt - das Ergebnis ist "Lockdown-Light"
Wer aus bestimmten Bezirken in Berlin kommt und nach Schleswig-Holstein einreist, der muss sich laut einem Landesgesetz im Norden zunächst in Quarantäne begeben. Auch andere Großstädte wie Hamm sind betroffen. Für die Überprüfung der Quarantäne sind dann die Gesundheitsämter in den Landkreisen verantwortlich. Bei einer Einreise müssen sie also hoffen, dass sich die Person selbst meldet. Dann ist es immerhin möglich, sporadisch telefonisch zu überprüfen, ob sich die Person an die Quarantäne-Pflicht hält.
Die Gesundheitsämter selbst sagen schon jetzt, dass sie vor allem personell unterbesetzt sind und daher in vielen Fällen an der Kapazitätsgrenze arbeiten. Solange die Fallzahlen in einem Landkreis gering sind, kann auch eine solche telefonische Quarantäne-Überwachung noch gelingen. Sobald die Werte steigen, haben die Ämter wahrlich anderes zu tun. Im Fall des Falles ist die Regelung also völlig haltlos.
Und in genau dem Augenblick werden die Kommunen mit ihren Gesundheits- und Ordnungsämtern dafür verantwortlich gemacht, wenn es nicht klappt.
Schlimmer aber ist: Solche kopflosen und haltlosen Sonderwege in der Pandemie haben am Ende die Wirkung eines Lockdowns durch die Hintertür. Denn schon in der ersten Lockdown-Phase haben wir gesehen, welche Auswirkungen es hat, wenn Menschen nicht mehr reisen. Geschäftsreisen fallen aus, private Reisen ohnehin, Bars, Cafés, Restaurants und Innenstädte leiden darunter. Das Signal, das von Schleswig-Holstein nun ausgeht ist: "Ihr habt keine Sicherheit, auch nur Urlaub innerhalb Deutschlands zu planen. Möglich, dass ihr nach einem Besuch an der Nordsee daheim in Quarantäne müsst". Und dieses Signal ist Gift für die Konjunktur. Die Wirkung ist vergleichbar mit einem "Lockdown-Light".
Warum Berlin so heillos überfordert ist und vor einem neuen Lockdown steht
Teil der Wahrheit ist aber auch: Die Bundeshauptstadt kriegt es mal wieder nicht in den Griff. Und darunter muss nun ganz Deutschland wieder mal leiden. Berlin und seine Stadtregierung sind unfähig (oder unwillig?) für Ordnung auf den Straßen zu sorgen. Gewiss: In einer Großstadt mit seiner Enge ist es immer schwieriger, Abstände einzuhalten. Das Problem haben Hamburg und München ebenso, daher sind auch hier die Fallzahlen höher als auf dem Land. Aber eben deutlich geringer als in Berlin. Es gibt unzählige Restaurants, in denen nicht einmal ordentlich die Adressen abgefragt werden. Auf den Straßen und Parks tummeln sich Menschenmassen und die Polizei schaut tatenlos zu. Masken im Restaurant? Wer denn will, der kann...In dieser Stadt gestaltet weiter jede seine Regeln nach Lust und Laune. So wird aus Laissez-faire fahrlässig und gefährlich.
Und so baut der zahnlose Tiger namens Senat eine Drohgebärde nach der anderen auf. Seit Monaten hört man von der Stadtregierung, es drohe ja das Schlimmste. Nur wenn dann nie etwas passiert, weil das Land Berlin an allen Ecken und Enden kapituliert, sobald es ans "Machen" geht, ist es leider logisch, wenn einige Bürger die Drohkulissen immer weniger ernst nehmen. Das ist keine Entschuldigung. Aber wer Regeln aufstellt, muss sie auch kontrollieren. Wer das nicht kann, sollte es besser bleiben lassen. Alles andere wirkt lächerlich. Berlin muss nun dringend beweisen, dass die Alkoholverbote und die Sperrstunde auch konsequent umgesetzt werden - sonst lachen sich zahlreiche Bürger auch ohne vorgehaltene Maske schlapp.
Wie kann nun ein neuer Lockdown verhindert werden - wie die kommunalen Ämter unterstützt werden?
Zunächst einmal sollten wir uns in der Corona-Pandemie ehrlicher machen. Viele Bürger sehen nur noch zermürbt zu, wie das Robert Koch Institut täglich neue Schreckenszahlen über Erkrankte herausgibt. Nur was gibt die Zahl den Menschen an die Hand? Der reine Inzidenzwert sagt zu wenig aus. Zumal es immer wieder falsche Tests gibt, wie Modellrechnungen nahelegen. Neulich brach in der Reisebranche Panik aus, weil angeblich sechs Mitarbeiter auf einem Kreuzfahrtschiff infiziert waren. Die Meldung, dass die Tests falsch waren und ein zweiter Test bei allen negativ war, lief dann nur noch als Randmeldung. Die Panik jedoch war wieder geschürt.
Daher fordern (meist hinter vorgehaltener Hand) auch viele Mitarbeiter in den örtlichen Gesundheitsämtern schon länger, die Zahlen differenzierter zu betrachten. Wichtig ist doch vor allem zu sehen, wie viele Menschen wirklich schwer erkrankt sind. Eine wichtige Zahl wäre also etwa die Zahl der Menschen, die wegen Covid-19 ins Krankenhaus eingeliefert werden müssen.
Nötig wäre also eine Erweiterung der Meldepflichten von Corona-Fällen. Die Stärke der Erkrankung müsste mit erfasst werden. Solche Werte sind allemal aussagekräftiger, als Inzidenzwerte wie 30 oder 50 auf 100.000.
Auch Sentinelpraxen, wie es sie schon für die Grippewellen gibt, können hier weiterhelfen. Zum Verständnis: Sentinelpraxen tragen mit ihrem ehrenamtlichen Engagement dazu bei, wichtige Eckdaten über die Aktivität akuter Atemwegserkrankungen und der jährlich auftretenden Grippewelle zu erfassen.
Und für die vorhandenen oder möglicherweise noch nötigen Verschärfungen der Regeln gilt wie immer: Jedes neue Gesetz muss auch kontrolliert werden. Sonst führt sich ein Rechtsstaat selbst ad absurdum. Kurzfristig mehr Personal für die Gesundheits- und Ordnungsämter muss also finanziert werden. Zumindest das Geld müssen Bund und Länder zur Verfügung stellen, in der Hoffnung, dass sich dann vor Ort Mitarbeiter finden lassen.