Melanie Huber, Personalreferat Stadt München
Melanie Huber vom Personalreferat der Stadt München im Multispace.
© Gudrun Mallwitz

New Work

Neues Arbeiten in der Kommunalverwaltung

Ob Homeoffice, Selbstmanagement oder innovative Bürowelten – die bayerische Landeshauptstadt München hat bereits viele Elemente von New Work umgesetzt. KOMMUNAL zeigt spannende Einblicke in die Verwaltung der Zukunft – mit Tipps fürs neue Arbeiten auch für kleine Kommunen.

Im dritten Stock eines modernen Bürobaus in München-Moosach ist die Arbeitswelt von morgen schon heute angekommen: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter können es sich hier bei Dienstantritt aussuchen, wo sie gerade arbeiten wollen: Im „Stand-Up-Meeting-Raum“, um sich dort mit zwei Kollegen in kleinem Kreis auszutauschen? Oder geht es in den klassischen größeren Büroraum, in dem fünf Schreibtische stehen und die Kollegen in Hör- und Reichweite sind? Zwischendrin lässt es sich rasch kurz in die kleine Kammer mit der Glastür wechseln, um ein Telefonat zu führen. Nein, wir sind bei keinem Start Up-Unternehmen zu Besuch, sondern im IT-Rathaus der Landeshauptstadt München. Auf  450 Quadratmetern wird hier die neue Arbeitswelt einer Kommunalverwaltung mit einem innovativen Raumkonzept erprobt. Stichwort: Neues Arbeiten.

Neues Arbeiten: Multispace im öffentlichen Dienst

„Unsere Multispaces sind nach dem sogenannten Aktivitätsbasierten Organisationsprinz konzipiert“, erläutert Andrea Herzog vom Facilitymanagement des IT-Referats bei einem Rundgang auf der Etage. „Für verschiedene Aktivitäten stehen unterschiedlich gestaltete Raum- und Flächenmodule zur Verfügung. Die Beschäftigten auf dieser Etage im IT-Rathaus können sich die passende Arbeitsumgebung für ihre jeweilige Tätigkeit aussuchen.“  An den Legebatterien- Großraum der 70er-Jahre erinnert hier auch in den größeren offenen Bereichen nichts. Weiche Teppiche unter den Füßen und schwebende Schallschutz-Platten über den Köpfen dämpfen die Geräusche. An einigen transportablen Pinnwänden klebt schallschluckender Filz.  Immer wieder Farbtupfer, ein leuchtendgelber fahrbarer Hocker, bunte Kreise an der Wand.

Konzentriertes Arbeiten bei gedämpften Farben

„Wo konzentriert gearbeitet wird, haben wir gedämpfte Farben gewählt, wo viel kommuniziert werden soll, anregende, intensive Farben“, erklärt Andrea Herzog das Einrichtungsprinzip. Das zum Teil sensorgesteuerte Licht wird unterschiedlich eingesetzt, mal als dimmbarer Lichtkegel, mal erhellt es den gesamten Raum.  Auf den elektrisch auf die passende Höhe einstellbaren Schreibtischen stehen graue Filztaschen – gedacht für Mousepad, Mouse und Tastatur. Denn einen festen Arbeitsplatz hat im IT-Bereich hier zwar jeder, keiner aber einen bestimmten Schreibtisch. Für die persönlichen Sachen sind abschließbare Fächer im Eingangsbereich vorgesehen.

Wo viel kommuniziert werden soll, haben wir anregende intensive Farben gewählt.“

Andrea Herzog vom Facility-Management, Stadt München

„Im Multispace zu arbeiten war für einige sicherlich eine Umstellung“, sagt Andrea Herzog, „doch die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen waren von Anfang an mit einbezogen, sie haben die Räume selbst konzipiert. Angeleitet von einer Fachfirma konnten sie die Flächen frei gestalten.“  Das Projektteam habe die Konzeption, den Einzug und das erste Jahr eng mit dem Change-Management begleitet. Die innovativ gestalteten Räume sind ein weiterer Baustein des ganzheitlichen New-Work-Konzepts, das die Stadtverwaltung München verfolgt - und das sie in allen Verwaltungsneubauten und sukzessive in bestehenden Gebäuden in den nächsten Jahren umsetzen will. 

Tasche für Mousepad etc.
Flexibel mit Mouse, Mousepad und Stick in der Filztasche.

Doch zunächst: Was ist New Work eigentlich? „New Work ist ein Überbegriff für die gegenwärtigen Veränderungen rund um die Arbeit, Führung und Organisation“, erläutert Melanie Huber aus dem Personal- und Organisationsreferat. „Es geht uns um eine Kultur der Teilhabe, um mehr Selbstbestimmung und auch mehr Freude bei der Arbeit. Im Zentrum von New Work stehen daher die Themen Selbstorganisation, Flexibilisierung und Sinnstiftung.

New Work hat hat ein Sachse erfunden

Den Begriff New Work hat der in Sachsen geborene, als 19-Jähriger in die USA ausgewanderte Philosoph Frithjof Bergmann bereits vor Jahrzehnten erfunden.  Doch erst in der Corona-Pandemie ist New Work, das wörtlich mit Neues Arbeiten übersetzt wird, zum Schlagwort geworden.  Experten sind sich einig: Die öffentliche Verwaltung verändert sich in den nächsten Jahren massiv. Will sie die freiwerdenden Stellen der Babyboomer, also der geburtenstarken Jahrgänge, wieder besetzen, muss sie eine neue Arbeitskultur ermöglichen.

Flexible Arbeitszeiten bei der Stadtverwaltung München

  „Die Stadt München hat bereits viele New Work-Elemente umgesetzt“, berichtet Melanie Huber vom Personal- und Organisationsreferat, die auch bei unserem Rundgang dabei ist und zusammen mit ihrer Kollegin Lisa Westermeier die Organisationsentwicklung im Zuge von New Work betreut. „Neben den neuen Büroraumkonzepten sind das flexible Arbeitszeiten, Homeoffice oder Kulturthemen wie eine veränderte Rolle der Führungskraft und Selbstorganisation.“ Die Kernarbeitszeit ist von 6 bis 20 Uhr angesetzt. Doch die Mitarbeiter können sich die Zeit einteilen, in der sie arbeiten. Zudem wird empfohlen, regelmäßig ins Büro zu kommen, damit sich alle austauschen können. Eine Dienstvereinbarung zu mobilem Arbeiten ist in Arbeit, künftig sollen die Referate möglichst selbst entscheiden können, wieviel Arbeitszeit die Beschäftigten zuhause und  wieviel sie im Büro verbringen wollen. Das hängt natürlich stark von der Aufgabe ab – und wie weit die Digitalisierung in dem jeweiligen Bereich fortgeschritten ist.  Der persönliche Kundenkontakt bleibt auch in München weiterhin wichtig – und das geht nicht vom häuslichen Arbeitszimmer aus.

203 Onlinedienste der Stadt im BayernPortal

Klar ist: Keiner schleppt die Aktenordner zu sich nach Hause, ohne eine digitale, papierarme Arbeitsweise wird sich nichts ändern in den deutschen Amtsstuben und ihrem verstaubten Image. Auch wenn das Onlinezugangsgesetz aus vielerlei Gründen nicht wie geplant Ende vorigen Jahres umgesetzt werden konnte, schaffen immer mehr – auch kleine – Kommunen einen immer weiteren Sprung ins digitale Zeitalter. Mehr als 203 Onlinedienste der Stadt München sind inzwischen im „BayernPortal“ verlinkt. Zwei Beispiele: Wer etwa eine Baugenehmigung beantragt hat, kann sich online über den Bearbeitungsstand informieren. Anwohnerparkausweise werden fast ausschließlich online und kaum mehr analog beantragt.

New-Work-Tipps für Kommunen

Was rät die New Work-Expertin anderen Kommunen? „Zunächst ist es sinnvoll, sich auf die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zu konzentrieren, die die Veränderung wollen und sie mittragen“, sagt Melanie Huber.  Die Bedenken der Skeptiker könnten dabei besonders hilfreich sein, da sie Verbesserungspotenziale sichtbar machen.

Schreibtische im Multispace
Klare Formen, gedeckte Farben: Hier  stimmt die Atmosphäre.

„New Work hat so viele Facetten, daher empfiehlt es sich, sich nach und nach auf einzelne Themen zu konzentrieren, statt gleich eine Gesamtlösung angehen zu wollen“, so Huber.  „Das lässt sich am besten durch gezielte Bedarfsabfragen herausfinden, wie etwa Mitarbeiterbefragungen. Gleich zu Beginn sollte ein Veränderungsmanagement etabliert werden, das die Maßnahmen gezielt erarbeitet.

Wichtig ist, Führungskräften und Mitarbeitern das notwendige Handwerkszeug zu vermitteln: Das bedeutet, neue Tools und Methoden zu erlernen, aber hauptsächlich auch eine positive innere Einstellung zum Thema New Work aufzubauen und innere Qualitäten wie Selbstreflexion oder Resilienz zu stärken. Schulungen reichen hierfür allein nicht aus, vielmehr geht es um einen ganzheitlichen Ansatz im Sinne einer Kompetenzentwicklung“ unterstreicht Huber. „Wie wir New Work leben wollen, haben wir mit verschiedenen Beteiligungsformaten wie Workshops, Fokusgruppen und FührungskräfteInterviews erarbeitet. Das Ergebnis ist der New Work-Baukasten mit 27 Elementen zu verschiedenen Themen.“ Mit Hilfe einer stadtweiten Befragung unter den 19.000 Beschäftigten der Stadt mit einem Büro-Arbeitsplatz konnten die einzelnen Elemente priorisiert werden.



Die Rangliste mit den Wünschen der Mitarbeiter:

 ● Konstruktive Kommunikation: Ein konstruktiver und ehrlicher Umgang der Mitarbeiter und Führungskräfte untereinander

● Kompetenzorientiertes Arbeiten in flachen Hierarchien

● Mehr Eigenverantwortung

● Etablierung einer Fehlerakzeptanz: Es ist in Ordnung, Fehler zuzugeben und gemeinsam daraus zu lernen

● Flexible Arbeitszeiten und Selbstmanagement: Aufgaben eigenständig priorisieren und diese zeitlich ohne Kontrolle der Führungskraft erledigen.

● Homeoffice: 85 Prozent der befragten Mitarbeiter wünschen sich, auch über das Ende der Corona-Zeit hinaus, mithilfe einer angemessenen Ausstattung von zu Hause aus arbeiten zu können.

Melanie Huber, Frank Weise und  Andrea Herzog in dem nach den Wünschen der Mitarbeiter gestalteten Pausenbereich im Multispace.
Melanie Huber, Frank Weise und  Andrea Herzog in dem nach den Wünschen der Mitarbeiter gestalteten Pausenbereich im Multispace.

„Natürlich ist die Umstellung auf die Digitalisierung, aber auch die veränderte Raumnutzung teuer“, sagt Frank Weise vom Kommunalreferat, das für das stadtweite Multispace-Projekt zuständig ist. „Doch die neue Arbeitsweise lässt die Stadt langfristig Geld einsparen.“ So werden geschätzt 30 Prozent weniger Büroflächen gebraucht, wenn nicht alle gleichzeitig ins Büro kommen. Zudem kann die Arbeit auch durch die fortschreitende Digitalisierung effektiver und schneller erledigt werden. Das Ziel: Bereits bis 2030 soll das New Work-Konzept mit den Multispaces für rund 3.000 Mitarbeiter in mehreren Neubauten umgesetzt werden. Frank Weise zeigt sich überzeugt: „Die Kommunalverwaltung muss sich der Zukunft stellen und sich für Veränderungen weiter öffnen, nur so kann sie als Arbeitgeber attraktiv sein.“  

Open Government Tag

Viele andere Kommunen interessieren sich für die New Work-Strategie  Münchens und so manche Delegation ließ sich schon durch die innovativ gestalteten Räume des IT-Rathauses führen. Nur gemeinsam lässt sich die Arbeitswelt im öffentlichen Dienst transformieren: Einmal im Jahr und das seit zehn Jahren kommen mehr als 200 Innovatoren aus Behörden, Wirtschaft, Wissenschaft und Forschung sowie der Politik auf dem Open Government Tag München zusammen. Dabei diskutieren sie über Ideen und Strategien einer offenen und innovativen Verwaltung.

 

Fotocredits: Gudrun Mallwitz