Oberbürgermeister Ingo Meyer Hildesheim am Schreibtisch
Ingo Meyer sagt: "Die beste Entscheidung nutzt nichts, wenn die Bürger sie hinterher nicht verstehen können.”
© Benjamin Lassiwe

Smart City

Oberbürgermeister will Hildesheim auf digitalen Weg bringen

Ingo Meyer steht an der Spitze von Hildesheim. Er will die vom UNESCO-Welterbe geprägte niedersächsische Stadt auf den digitalen Weg bringen. KOMMUNAL zu Besuch im Rathaus.

Über dem Schreibtisch des Hildesheimer Oberbürgermeisters Ingo Meyer spannt sich ein gotisches Gewölbe. Das ist durchaus passend, denn die Stadt im Harzvorland gehört zu den ältesten Städten Deutschlands. Ein tausendjähriger Rosenstock, romanische Kirchen und Klöster erinnern an die Zeit, als die Könige und Kaiser aus dem Geschlecht der Ottonen das Heilige Römische Reich Deutscher Nation regierten. „Das war die Blütezeit der Stadt”, sagt Meyer. Heute ist die gut 100.000 Einwohner zählende Stadt eine von nur wenigen Orten in Deutschland, an denen es mit dem Dom und der Michaeliskirche gleich mehrere Gebäude gibt, die sich auf der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO wiederfinden. „Und gleichzeitig haben wir dank unserer Universität auch sehr viel junge Kultur zu bieten”, sagt Meyer. „Hier werden viele junge Menschen ausgebildet, die unglaublich tolle Ideen in die Stadt bringen.”

Hildesheim will Smart City werden

Vor allem aber setzt die Stadt auf Digitalisierung: Hildesheim will nach 1.000 Jahren des Pergaments und des Papiers eine „Smart City“ werden. „Das Thema Digitalisierung ist einfach von enormer Bedeutung innerhalb der Verwaltung, aber auch für die gesamte Stadt”, sagt Meyer. Als Beispiel nennt er die Hochwasser der Innerste, des Flusses, an dem Hildesheim liegt. „Da haben wir oft gerätselt, was passiert da eigentlich genau und wieso?”, erzählt der Oberbürgermeister. Durch die Digitalisierung könne man eine wesentlich bessere Übersicht über die Messstellen und das, was im Fluss tatsächlich passiert, gewinnen. Man könne vorher abschätzen, welche Auswirkungen die Flutwelle auf die Stadt haben werde. Schäden ließen sich so besser vermeiden.

Hildesheim  Marktplatz
Der historische Marktplatz von Hildesheim.
 

Wichtig ist es Meyer dabei, die Bürger der Stadt beim Smart City-Konzept mitzunehmen. Im Herbst soll in der Fußgängerzone ein eigener Showroom entstehen, der bei den Bürgern Interesse an dem Thema wecken soll. „Es macht aus unserer Sicht wenig Sinn, einfach alles zu digitalisieren, was irgendwie digitalisierbar ist, sondern es muss schon auch einen echten Mehrwert bringen”, sagt Meyer. „Und wir wollen zugleich die Menschen mitnehmen in eine immer digitalere Welt, vor der viele Menschen heute noch schlicht Angst haben.”

Digitalisierung der Verwaltung vorantreiben

Allerdings geht es dabei nicht gleich von „Null auf Hundert”: Ein Beispiel sieht man, wenn man aus seinem Amtszimmer schräg aus dem Fenster blickt. Denn im Nachbarhaus findet sich das große, zentrale Bürgerbüro der Stadt. Es wird auch weiter nötig bleiben. “Vieles wird sich ändern, aber wir werden über längere Zeit noch mehrere Kanäle haben”, sagt Meyer. Man werde die Menschen nicht zwingen können, den digitalen Weg zu gehen. Dennoch müsse man die Digitalisierung der Verwaltung voranbringen: Denn auch eine Stadt wie Hildesheim leide unter Fachkräftemangel. „Wir brauchen mehr Effektivität, wir brauchen mehr digitale Unterstützung, um mit weniger Personal unsere Aufgaben lösen zu können.” Immer neue Vorschriften aus Brüssel, Berlin oder Hannover sorgten dafür, dass ständig neue Aufgaben auf die Kommunen zukämen.

Weltkulturerbe Hildesheim Dom
Der Hildesheimer Dom zählt zum Weltkulturerbe.

„Wenn man sich anschaut, wie viele Menschen in der Zukunft in Deutschland, gerade auch in den Verwaltungen, in den Ruhestand gehen und wie viele in der jüngeren Vergangenheit eigentlich so nachgerückt sind, dann stehen wir vor einer riesigen Lücke”, warnt Meyer. In Niedersachsen habe es eine lange Phase gegeben, wo das Land quasi gar nicht ausgebildet habe und auch die Kommunen viel zu wenig ausgebildet hätten. „Es wird immer schwerer, Stellen adäquat zu besetzen”, sagt Meyer. Die Tätigkeit in der Verwaltung habe durchaus Vorteile: Den sicheren Arbeitsplatz etwa. „Und wer in einer Verwaltung arbeitet, tut jeden Tag etwas Sinnvolles für die Menschen.”

Wir brauchen mehr digitale Unterstützung, um mit weniger Personal unsere Aufgaben lösen zu können.”

Ingo Meyer, Oberbürgermeister von Hildesheim

Vater und Großvater in der Kommunalpolitik

Das gilt auch für den Oberbürgermeister. Die Kommunalpolitik hat ihn schon als Kind begleitet: „Mein Vater, mein Großvater, die waren alle schon als Bürgermeister oder Gemeindedirektor tätig”, sagt Meyer. Der Vater brachte es zum Präsidenten des Niedersächsischen Städte- und Gemeindebunds. „Das habe ich natürlich von Kindesbeinen an mitbekommen und durchaus immer als attraktiv und spannend empfunden”, sagt Meyer. Dennoch wählte er zunächst einen anderen Beruf, wurde Anwalt und Steuerberater. Doch irgendwann wurde er gefragt, ob er sich vorstellen könne, in seiner Heimatstadt Oberbürgermeister zu werden. Ihm habe geholfen, dass er jahrelang Trompete und Bassgitarre in verschiedenen Bands und Vereinen gespielt habe. „Da bin ich immer mit ganz unterschiedlichen Menschen zusammengetroffen”, sagt Meyer.

Er setzt auf das Gesprächsformat „Verwaltung ganz nah”: Mindestens zweimal im Jahr ist er mit weiteren leitenden Mitarbeitern an einem Marktstand in der Fußgängerzone anzutreffen. „Da kann jeder spontan vorbeikommen”, sagt Meyer. „Das ist ein ganz niedrigschwelliges Angebot – und jeder, der sich an uns wendet, bekommt am Ende eine Antwort.” Ein Bürgermeister muss seiner Ansicht nach ein Menschenfreund sein und benötigt ein breites Wissen – schließlich müssten permanent irgendwelche Entscheidungen getroffen werden. Und schließlich müsse man das alles auch noch kommunizieren können. “Denn auch die beste Entscheidung nutzt nichts, wenn die Bürger sie hinterher nicht verstehen können.”

Fotocredits: Marktplat und Dom: Adobe Stock