"Warum wir unsere Kommunen nur mit Hoffnung gestalten können" - Christian Erhardt fordert ein "Jahr des Optimismus"
"Warum wir unsere Kommunen nur mit Hoffnung gestalten können" - Christian Erhardt fordert ein "Jahr des Optimismus"
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Leitartikel

"Optimismus: Warum es Zeit ist, die ständigen Warnungen der Politik zu hinterfragen

Inflation, Rezession und teures Wohnen haben die Angst der Deutschen weiter gesteigert. Doch Angst lähmt, macht krank und ständiges Warnen stumpft ab. Christian Erhardt ruft daher das Jahr 2023 zum "Jahr des Optimismus" aus und betont: "Die eigentliche Gefahr ist, dass die Folgen der Warnung schlimmer sind als der Schaden, vor dem wir warnen".

Optimismus war gestern: Laut Mythos wurde der Überbringer schlechter Nachrichten in der Antike hart bestraft. Heute erleben wir das krasse Gegenteil. Wer in der Politik immer wieder vor dem Schlimmsten warnt, gilt als weitsichtig. Überbringer schlechter Nachrichten werden nicht zur Rechenschaft gezogen. Denn wenn es doch nicht so schlimm wird, atmen alle auf, die Horrorszenarien des Warners sind vergessen. Spätestens in der Corona-Krise haben wir gelernt: Wer auf Realismus oder gar das Gute setzt, landet schnell in der Ecke der Unseriösen oder gar der Querdenker. Trifft die schlechte Prognose hingegen ein ist derjenige, der nicht genug gewarnt hat, der „Leichtsinnige“, der unverantwortlich gehandelt hat.

Das ist wohl der Grund, warum die Politik der letzten Jahre zunehmend wirkt, als würde ein Panik-Orchester pausenlos das immer gleiche Lied spielen. Oft auch das „Lied von der totalen Entsagung“. Keine noch so martialische Metapher scheint zu monströs, um die Schrecken des Winters namens Blackout, Energiekrieg, Wohlstandsverlust und Corona-Winterwelle zu beschreiben. Keine Frage: Wer Übergewicht hat, hat ein größeres Risiko für diverse Krankheiten. Ich meine jedoch, man darf bestimmte Lebensrisiken auch mal genießen, wenn man denn wenigstens was davon hat. Das Leben endet ohnehin fast immer tödlich.

Wie ständiges Warnen zu einer sich selbst erfüllenden Eigendynamik führt 

Das ständige Warnen der Politik hat zu einem Abstumpfungsprozess geführt, der gefährlich ist. Denn das Warnen führt zu einer sich selbst erfüllenden Eigendynamik. Wir laufen Gefahr, dass die Folgen der Warnung schlimmer sind als der Schaden, vor dem gewarnt wurde. Am Beispiel der Inflation lässt sich das gut aufzeigen. Die Inflation rollt, weil alle Angst vor steigenden Preisen haben. Die Baufirmen erhöhen aus Angst vor höheren Kosten vorsorglich ihre Preise, Wohnraum wird dadurch noch teurer. Es folgen Tarifforderungen, damit die Arbeitnehmer die steigenden Preise bezahlen können. Nur kurbelt das die Inflation noch weiter an. Menschen passen ihr Verhalten eben den Umständen und den Erwartungen an.

Optimismus

Wie Optimismus in der Bankenkrise die schlimmsten Folgen verhindert hat 

Das war nicht immer so. In der Bankenkrise etwa hat Kanzlerin Merkel nicht gesagt: „Die Situation wird ganz furchtbar, wir werden alle verarmen“. Nein, die damalige Regierung hat sich im Kanzleramt hingestellt und behauptet: „Ihr Geld ist sicher. Das garantieren wird Ihnen“. Das war überspitzt gesagt eine Lüge. Dieser Zweckoptimismus hat aber dazu geführt, dass wir eben nicht in die Banken gerannt sind und unser Geld abgehoben haben. Genau das hätte nämlich unweigerlich zu Bankenpleiten geführt. Durch eine Lüge von der sicheren Geldeinlage wurde das Geld, das der Staat uns nicht mehr wirklich garantieren konnte, gesichert. Ein schönes Beispiel das zeigt, dass es sich manchmal lohnt, seine Denkmuster zu ändern.

Ruf zum Jahr des Optimismus: Warum wir unsere Angst überwinden müssen 

Im Jahr 2023 muss daher endlich Schluss sein mit dem täglichen Weltuntergangs-Szenario. Wenn wir dauerhaft vor den Folgen des Klimawandels gewarnt werden, gibt es keine Hoffnung, die Probleme je bewältigen zu können. Die Folge ist Resignation, es fehlt jeder Antrieb, die Herausforderungen zu meistern.  Die ewigen Warner spielen ein gefährliches Spiel. Und oft geht es den Warnern – siehe Corona – auch nicht wirklich um Sicherheit, sondern darum, das eigene Narrativ zu retten.

Was mir in diesem Artikel bleibt ist daher nur die Warnung vor der Warnung. Denn Warnen lähmt die Menschen, macht krank, führt zur Abstumpfung. Irgendwann ist dann die Bereitschaft zum Maske tragen vor lauter Warnung dahin. Niemand nimmt die Dauerwarnung noch wahr oder gar ernst.

Optimismus

"Optimismus statt Pessimismus: Warum wir unsere Kommunen nur mit Hoffnung gestalten können"

Als Gestalter vor Ort sollten wir nicht auf einen Preis dafür hoffen, dass wir rechtzeitig gewarnt haben. Sondern auf einen Preis, Optimismus verbreitet zu haben. Ja ich weiß, einen Orden gibt es in der Kommunalpolitik (leider) fast nie zu gewinnen. Aber machen Sie mal folgendes Experiment, rund um Ihre Haushaltsberatungen zum neuen Jahr. Nehmen Sie sich den Haushalt des Vorjahres und schreiben Sie auf ein Blatt Papier alle Projekte, die in ihrer Gemeinde im vergangenen Jahr angestoßen wurden. Von der Brückensanierung über die neuen Kita-Plätze bis zur Neuansiedlung eines Geschäfts: Sie werden feststellen, die Liste wird weit länger, als Sie selbst geglaubt haben. Und wenn Sie dann immer noch Zweifel haben, denken Sie an meine These zur Bankenrettung und zur selbsterfüllenden Eigendynamik. Eine Alternative zum Optimismus haben wir ohnehin nicht, wenn wir unsere Kommunen gestalten wollen. Mit einer „Gesellschaft mit beschränkter Hoffnung“, jedenfalls ist keine Zukunft zu machen.