"Unser Rettungsdienst ist in Gefahr"
Genervte Patienten, gestresste Ärzte - die Notaufnahmen unserer Krankenhäuser sind überlaufen. Deshalb will Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die ambulante, stationäre und rettungsdienstliche Notfallversorgung in einem System zusammenfassen. So sollen Notfallleitstellen gegründet werden, für die die kassenärztliche Rufnummer 116 117 und die Notrufnummer der Feuerwehr 112 zusammengelegt werden sollen. Davon erhofft er sich, dass die Mitarbeiter der Notfallleitstellen nach einheitlichen Standards einschätzen, wie dringlich die Behandlung der Patienten ist. Zudem sollen sie entscheiden, wo der Patient am besten behandelt werden soll: in einem Krankenhaus oder bei einem ambulanten Arzt. Das Ziel dahinter: Die Notaufnahmen der Krankenhäuser sind immer häufiger von Patienten mit harmlosen Erkrankungen überfüllt. Das geht im Extremfall auf Kosten von wirklichen Notfällen und belastet das Klinikpersonal. Jens Spahn will deshalb, dass der Rettungsdienst mit der Zusammenlegung entlastet wird.
Doch: Jetzt äußern der Deutsche Feuerwehrverband (DFV) und die Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes (vfdb) Kritik an Spahns Plänen! "Deutschland verfügt über eines der europaweit vorbildlichsten Rettungsdienst-Systeme, um das uns viele sogar beneiden", erklären die Präsidenten des DFV und vfdb. Dennoch räumen sie ein, dass es Optimierungsbedarf gibt, was die ärztliche Versorgung außerhalb der üblichen Praxiszeiten angeht, weil der Rettungsdienst durch viele Anrufe und Einsätze ohne Dringlichkeit überlastet wird. Deshalb fänden es die Verbände grundsätzlich gut, dass der kassenärztliche Bereitschaftsdienst unter der wenig bekannten Rufnummer 116 117 und die Mitarbeiter der Notfallhotline, die unter der 112 zu erreichen sind, zusammenarbeiten. Allerdings, das betonen sie, müssten hierfür die technischen und personellen Voraussetzungen geschaffen werden. "Sollte der Gesetzentwurf so, wie er jetzt ist, in die Wirklichkeit umgesetzt werden, wäre unser Rettungsdienst in Gefahr", warnen die beiden Präsidenten. Denn wenn man die Nummer 116 117 bei der Feuerwehr aufschaltet, bräuchte diese wiederum natürlich mehr Personal. Die Kosten dafür, das fordert Hartmut Ziebs, sollten jedoch nicht bei den Landkreisen und Kommunen landen, sondern bei den kassenärztlichen Vereinigungen bzw den Krankenkassen.
Werden die Notfallleitstellen nicht mit ausreichend Personal ausgestattet, drohen lange Wartezeiten für die Betroffenen. Die Folgen wären verheerend: "Nicht auszudenken, wenn hilfesuchende Anrufer eines Tages beim Wählen der Notrufnummer 112 zunächst in einer Telefon-Warteschlange wie im Kaufhaus statt bei einem kompetenten und ortskundigen Disponenten landen würden."
Kritik an den Reform-Plänen kommt aber auch von den Kommunen und Landkreisen. Denn unter der Notfallnummer 112 sind der Rettungsdienst sowie die Feuerwehr mit dem Katastrophenschutz verzahnt. Die kommunalen Leitstellen sind somit auch für Waldbrände, Hochwasser und schwere Verkehrsunfälle zuständig.
Spahn plant, die Aufgabe des Rettungsdienstes von den Ländern an den Bund abzugeben. Die dafür nötige Grundgesetzesänderung will der Bundesgesundheitsminister trotz der massiven Kritik in Kauf nehmen.