Schuldenhilfen für Kommunen hat es von den Ländern immer wieder gegeben - nun will auch der Bund einsteigen. Doch was haben die bisherigen Schuldenhilfen wirklich gebracht? Eine Analyse!
Schuldenhilfen für Kommunen hat es von den Ländern immer wieder gegeben - nun will auch der Bund einsteigen. Doch was haben die bisherigen Schuldenhilfen wirklich gebracht? Eine Analyse!
© shutterstock

Vier Jahrzehnte Schuldenhilfen für Kommunen

21. Oktober 2019
Seit Jahrzehnten gibt es immer wieder Schuldenhilfen für Kommunen. Doch was haben die eigentlich gebracht? Eine neue Untersuchung gibt spannende Einblicke. Unser Gastautor Rene Geissler von der Bertelsmann Stiftung stellt sie vor.

Schuldenhilfen für hoch verschuldete Kommunen prägen seit einigen Jahren die Diskussion um die kommunalen Finanzen. Diese Debatte hat im Frühjahr mit der Ankündigung des Bundes einen überraschenden Schub erhalten. Gleichwohl, Schuldenhilfen für Kommunen haben in Deutschland eine lange Geschichte. Welche Formen die Länder wählten, unter welchen Bedingungen, mit welcher Motivation und mit welchen Ergebnissen liegt aber weithin im Dunkel. Dieser Beitrag gibt erste Antworten.

Unter dem populären Begriff Schuldenhilfe, bekannt auch in der englischen Form „bailout“, versteht man einen außerordentlichen Finanztransfer zur Bewältigung einer immanenten Haushaltskrise; meist von einer höheren Verwaltungsebene. Solche Transfers sind jeweils individuelle Entscheidungen, im Regelfall auf Antrag und unter Bedingungen. Dabei ist der Umfang der Transfers selbst nicht entscheidend. Der Begriff geht weit über den Extremfall einer Schuldenübernahme hinaus. Auch Zuweisungen zum Haushaltsausgleich, Zinshilfen oder Umschuldungen werden damit erfasst. Je weiter die Definition, desto mehr Fälle lassen sich selbstredend finden.

Solche „Bailouts“ werden in der Ökonomie seit Langem intensiv diskutiert. Gegen sie spricht die Befürchtung, schlechte Haushaltspolitik zu belohnen, die Haushaltsregeln zu schwächen, Fehlanreize zu setzen und letztlich auch die Überforderung des Landeshaushaltes. Letztlich sind die Argumente dafür schlagkräftiger. Die Funktionsfähigkeit der Kommune muss gesichert und Zweifel der Banken müssen verhindert werden. 

Finanzen

Ein Blick in die Geschichte der Schuldenhilfen für Kommunen 

Die Geschichte der Schuldenhilfen begann Mitte der 1980er Jahre (nicht zufällig) in NRW. Durch Änderungen des Steuerrechts und den Strukturwandel rutschten einige Großstädte in bis dato ungekannte Defizite. Das Land reagierte, indem es in einem kurzen Zeitfenster von 1987 bis 1991 Bedarfszuweisungen an Großstädte gewährte. Im Zuge dessen wurde das Haushaltssicherungskonzept als Bedingung erfunden. Die Aufsichtsmittel waren damals noch schwach und die Hälfte der Gelder musste zurückgezahlt werden. Gleichwohl war das Programm kurzfristig erfolgreich. Nichtsdestotrotz, mit dem Jahr 1991 änderte das Land seine Politik in Richtung einer härteren Kommunalaufsicht.

In allen anderen Ländern blieben Bedarfszuweisungen im System des Kommunalen Finanzausgleichs erhalten. Im Laufe der Jahre wurden sie zu einem massenhaften Phänomen. Haushaltsdefizite breiteten sich aus und alle Länder (außer NRW) reagierten mit Bedarfszuweisungen als Anreiz und Hilfe der Haushaltskonsolidierung. Die Probleme waren stets die gleichen: Die Defizite wuchsen, die Mittel waren begrenzt, die Auflagen wurden stetig höher. Irgendwann verloren die Bedarfszuweisungen ihren Nutzen. Aber selbst Mitte der 2000er Jahre wurden größere Schuldenhilfen oder Umschuldungen nicht ernsthaft diskutiert.  

Schuldenhilfen in Zeiten der Finanzkrise 

Die finanzielle und politische Lage änderte sich abrupt im Zuge der Finanzkrise. Acht der 13 Länder legten kurzfristig spezielle Hilfsprograme auf, die einen erheblichen Teil der Kommunen betrafen. In einigen Ländern war die Mehrheit der Bevölkerung betroffen. So unterschiedlich diese Programme in ihrem Hilfsmechanismus, in den Bedingungen oder der Finanzierung auch waren, sie zielten stets darauf, die Zahlungsfähigkeit der Kommunen zu sichern und nicht zuletzt, Signale an den Kapitalmarkt zu senden. Eine weitere Gemeinsamkeit gibt es: Für die Teilnehmer der Hilfsprogramme wurden die Verfahren und Zuständigkeiten der Kommunalaufsicht geändert. 

Deutlich weniger Beachtung fanden die Programme der vierten Phase, welche 2017 begann und noch anhält. In fünf Ländern ging die Diskussion um Schuldenhilfen weiter und führte zu neuen, Teils auch zusätzlichen Programmen. (In Mecklenburg-Vorpommern gibt es zwischenzeitlich drei.) Mit Brandenburg kam ein weiteres Land hinzu. Wiederum ist die Varianz der Ausgestaltung groß. Aber es scheint, als wären die Ländern nun bereit, größer zu denken. Adressierten die Programme im Nachgang der Finanzkrise noch überwiegend den Haushaltsausgleich, steht nun der Abbau der Verschuldung im Fokus. 

In den 1980er Jahren betraf das Problem nur wenige Städte in NRW. Man konnte günstig und zumindest kurzfristig erfolgreich helfen. In der zweiten Phase wuchsen die Haushaltskrisen, aber die Länderhaushalte waren ebenso defizitär und Druck über die Kapitalmärkte war nicht gegeben. Dies änderte sich mit der Finanzkrise und zwang die Länder trotz eigener Haushaltsprobleme zu Maßnahmen. In der aktuellen Phase verfügen die Länder über hohe Haushaltsüberschüsse und die Haushaltskrisen der Kommunen sind bereits geschrumpft. Der Zeitpunkt für eine relativ „große“ Lösung ist günstig. Ein tieferer Blick auf die Form der Schuldenhilfen zeigt jedoch auch, dass der Umfang der Landesmittel, selbst im vorbildlichen Fall von Hessen, überschaubar bleibt. Für die Länder sind solche Hilfsprogramme somit immer auch ein Instrument des politischen Marketings. 

Finanzen

Die Wirkung der Schuldenhilfen 

 Insbesondere mit Blick auf die Programme nach der Finanzkrise liegen einige Erkenntnisse über deren Wirkungen vor. Rein finanziell waren sie meist erfolgreich. Haushaltsdefizite wurden abgebaut, ebenso die Kassenkredite. In welchem Maße dies Resultat der Hilfsprogramme war bleibt strittig, denn auch die gute Konjunktur und die Hilfen des Bundes zahlten sich aus. Auf den zweiten Blick werden jedoch Probleme sichtbar: Die Steuersätze steigen weiter, die Investitionen sinken, die Sozialausgaben sind ungelöst. Auch über den Haushalt hinaus gibt es Schattenseiten. Die Autonomie der Kommunen wurde arg begrenzt und die Umsetzung der Hilfsprogramme verursachte enorme Bürokratie. 

Fazit: Schuldenhilfen sind offenbar ein notwendiger Bestandteil des kommunalen Finanzsystems. Entsprechende Programme sollten aber formalisiert und transparent sein. Sie machen nur Sinn, wenn sie in ein Gesamtkonzept eingebettet sind. Die Länder sollten die Ursachen laufender Defizite angehen und die Kommunalaufsicht stärken. Gleichwohl müssen jenseits der fiskalischen Effekte die politischen Konsequenzen mitgedacht werden. Schuldenhilfen dürfen kein Dauerzustand einer großen Zahl der Kommunen sein, sonst geht kommunale Selbstverwaltung mit all ihren positiven Funktionen verloren.