Stadtwerke auf der Erfolgswelle, der Fusionswelle oder der Pleitwelle?

Stadtwerke: Aus dem Windschatten auf die Überholspur

Stadtwerke in Deutschland investieren Milliarden, um erneuerbare Energien in den Markt zu integrieren. Wo geht die Reise hin? Christian Erhardt im Gespräch mit Stefan Kapferer, dem Vorsitzenden des Verbandes bdew über Wettbewerbsvorteile und Konkurrenzkampf.

Deutschlands Energiesektor ist im Umbruch. Großen Anteil daran haben Deutschlands Stadtwerke. Doch der Investitionsbedarf ist enorm. Stadtwerke auf der Erfolgswelle, der Fusionswelle oder der Pleitewelle?  

KOMMUNAL: E.ON fährt Milliardenverluste ein – zeigt das die Richtung auch für kleinere, kommunale Stadtwerke?

Nein, ich sehe das anders. Viele Bilanzverluste sind durch politische Entscheidungen entstanden, und sind auch heute noch nicht ganz ausgestanden. Doch wir durchschreiten gerade die Talzone und gehen in einen Wachstumspfad über, einfach weil im Zeitalter der Sektorkopplung das Kernprodukt Strom wichtiger wird, beispielsweise im Wärme-und Elektromobilitätsbereich.

Die Energiewende kostet Milliarden – die Bürger suchen sich aber immer den günstigsten Stromanbieter im Netz – wie soll das Überleben der Kleineren vor Ort da funktionieren?

Christian Erhardt im Gespräch mit Stefan Kapferer, Hauptgeschäftsführer des Verbandes bdew, der zahlreiche Stadtwerke in Deutschland vertritt

Ich denke, dass die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Stadtwerken immer wichtiger wird – besonders für die Kleinen. Dabei geht es in Zukunft nicht verstärkt um Fusionen, sondern um Kooperationen. Und das ist wirklich etwas, worin die Stadtwerke viel Erfahrung vorweisen können. Das wurde bereits mehrmals bewiesen.

Wo sehen Sie konkret die Vorteile, die die Stadtwerke ausspielen können?

Natürlich haben circa 40 Prozent der Verbraucher mindestens einmal in ihrem Leben den Versorger gewechselt. Aber damit haben nicht alle gute Erfahrungen gemacht. Deshalb würde ich die „Hilfe-alle-Kunden-wechseln“-Aussage nicht überschätzen. Außerdem wird aus meiner Sicht die Regionalität an Bedeutung gewinnen. Das sieht man daran, dass viele Verbraucher Lebensmittel aus dem Umland kaufen und am besten noch den Erzeuger kennen wollen. Da haben die Stadtwerke einen Riesenvorteil und das wird auch in Zukunft so bleiben.

Die Digitalisierung macht auch vor Ort nicht halt – das klingt nach Globalisierung und nicht nach Lokalisierung, oder?

Die Digitalisierung umfasst mehrere Bereiche, die man im Auge behalten muss. Zum einen auf der Seite der Kunden: sie sind froh, wenn sie ihren Zählerstand online eingeben und ablesen können und nicht mehr Zuhause sein müssen, damit jemand vorbei kommt. Bei den Unternehmen selbst werden die Instandhaltung, die Anlagensteuerung und Anlagenüberwachung digitalisiert. Und der letzte, aber spannendste Bereich: der Umgang mit sensiblen Daten. Wem vertrauen die Bürger eigentlich, wenn sie ihre Daten zukünftig zur Verfügung stellen? Und hierbei hat das lokale Stadtwerk einen riesigen Vorteil. Nämlich, dass der Kunde im Zweifelsfall sagt: ich vertraue dem örtlichen Versorger, der hier vor Ort angesiedelt ist, lieber meine Daten an, als einem amerikanischen Konzern, von dem ich niemanden kenne.

Werfen wir den Blick nach vorne - wo werden die Stadtwerke in 15 Jahren stehen?

Wir werden eine größere Spreizung zwischen innovativen Stadtwerken, die viel ausprobieren, und konventionellen Stadtwerken sehen. Das wird dazu führen, dass manche Unternehmen das kopieren, was andere schon ausprobiert haben, aber das ist ja noch nicht verboten.

Und wir werden eine neue Kooperationsform zwischen den Kunden und den Stadtwerken sehen. Das ist etwas, was sich auch heute schon entwickelt –Stichwort Prosumer. Denn die Kunden setzen verstärkt auf Autonomie und Autarkie, was dazu führt, dass die Kunden ein höheres Mitspracherecht bekommen werden.

Können Kommunen auch in Zukunft noch gute Ausschüttungen bekommen?

Kommunen sind gut beraten, wenn sie als Aufsichtsrat die Investitionspläne nicht nur unter dem Blickwinkel betrachten, ob noch genügend Geld für die Ausschüttung übrigbleibt, sondern ob das Stadtwerk auch für die Zukunft gewappnet ist. Und da kann die Ausschüttung an der einen oder anderen Stelle etwas kleiner ausfallen. Damit wird aber die langfristige Zukunftsfähigkeit des Unternehmens gesichert.