Studie: Gebietsreformen wirken sich negativ aus
Heute exakt vor 10 Jahren - im August 2008 - wurden in Sachsen zahlreiche Landkreise zusammengelegt. Auch Sachsen-Anhalt zog im Jahr 2007 eine Kreisgebietsreform durch. Nun haben sich Forscher vom Ifo Institus in Dresden und vom Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung in Mannheim die Ergebnisse der Gebietsreformen wissenschaftlich angesehen. Feierlaune komme zum Jubiläum der Reformen kaum auf, so die Forscher.
Gebietsreformen sind ein Auslaufmodell
Der Studienleiter Felix Rösel wird besonders deutlich: "Kreisgebietsreformen werden zum Auslaufmodell", bilanziert er und verweist auf die massiven Proteste der Bevölkerung gegen geplante Gebietsreformen in Thüringen und Brandenburg. "Die Menschen möchten in überschaubaren und bürgernahen Strukturen leben", so Rösel. Beide Bundesländer haben ihre geplanten Gebietsreformen inzwischen aufgegeben beziehungsweise auf Eis gelegt. Auch in Rheinland-Pfalz läuft aktuell eine Diskussion über Gebietsreformen.
Gebietsreformen: Das haben sie wirklich gebracht
Die Studie ist eindeutig: Die durchgeführten Gebietsreformen haben demnach weder Einsparungen gebracht noch eine gemeinsame Identität hervorgebracht. In Sachsen-Anhalt sei zwar - ebenso wie in Sachsen - ein finanzieller Vorteil nicht nachweisbar, dafür aber ein Rückgang der Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen. "Das Interesse der Bürger an der Kreispolitik ist rückläufig", heißt es in der Studie wörtlich.
Die Forscher weisen in ihrer Studie zudem nach, dass die Verwaltungsaufgaben in fusionierten und nicht-fusionierten Landkreisen sich völlig gleichmäßig entwickeln - vor und nach den Gebietsreformen. Die durchschnittlichen Verwaltungsausgaben je Bürger entwickeln sich völlig unabhängig davon nach oben, ob ein Reform stattfand oder nicht. Die Kostensteigerung lag zwischen 2007 und 2014 im Schnitt bei 28 Prozent. Das ist sogar ein minimal stärkere Erhöhung der Ausgaben im Vergleich zu den nicht-fusionierten Landkreisen. Dort lag die Kostensteigerung bei 27 Prozent.
Auch in den Bereichen Personal- und Sachausgaben sind die Verschiebungen wissenschaftlich nicht messbar. Kosteneinspareffekte gab es nicht.
Reform brachte auch keine Ausgabenverschiebung
Gerade Sozialpolitiker hatten immer wieder argumentiert, so könne das Geld effektiver in bestimmten Bereichen ausgegeben werden, auch wenn die eigentlichen Verwaltungsausgaben nicht sinken. So untersuchten die Forscher auch, ob es Verschiebungen innerhalb der Ausgabenbereiche gab - etwa im Bereich Soziales und Bildung. Doch auch hier Fehlanzeige! In keinem Bereich gab es größere Veränderungen. Auch in den Bereichen Personal- und Sachausgaben sind die Verschiebungen wissenschaftlich nicht messbar. Kosteneinspareffekte gab es nicht.
Die große Gefahr der Gebietsreformen
Während sich also finanziell keine Auswirkungen feststellen lassen, sind die Folgen bei den Bürgern besonders drastisch. Vereinfacht gesagt schwindet das Interesse der Bürger an der Politik vor Ort massiv. Und das gilt in allen Bundesländern, in denen Gebietsreformen durchgeführt wurden. In Mecklenburg-Vorpommern etwa sagen 85 Prozent aller Kreistagsmitglieder, dass sie ein schwindendees Interesse der Bürger seit der dortigen Kreisgebietsreform feststellen. In Sachsen-Anhalt führte die Kreisfusion nach Berechnung der Wissenschaftler zu einem Rückgang der Wahlbeteiligung um über 4 Prozent, ähnlich das Ergebnis in Sachsen. In beiden Ländern ist zudem der Stimmanteil für rechtspopulistische- bzw. extreme Parteien bei den Kreistagswahlen gestiegen - und das bereits deutlich vor der Gründung der AfD und vor der Diskussion über die deutsche Flüchtlingspolitik im Jahr 2015.
Es war nicht die erste vernichtende Studie
Erst im Juni war in Niedersachsen eine ähnliche Studie erschienen. Dort wurden die Folgen einer freiwilligen Zusammenlegung von Göttingen und Osterode untersucht. Finanziell ging hier der Schuss sogar nach hinten los - die Verwaltung ist seither teurer geworden. Hier ein Auszug aus unserem Artikel vom 26. Juni 2018:
Dass Gebietsreformen zudem das Ehrenamt massiv gefährden, hatte KOMMUNAL-Chefredakteur Christian Erhardt bereits im Jahr 2016 in seinem Leitartikel gewarnt. Damals waren die Reaktionen aus der Politik sehr gemischt - vor allem Landespolitiker aus Thüringen (vor allem der Linken) hatten sich zu Wort gemeldet und Kritik an dem Artikel geübt.
Die Studie aus Sachsen und Sachsen-Anhalt finden Sie übrigens ausführlich auch online hinter DIESEM Link: