Rot leuchtende Hausfassaden? Hier wird Energie und Wärme verschwendet.
Energie wird verschwendet: Die rot leuchtenden Fassaden zeigen es an.
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Energiewende

Flugzeug mit Spezialkamera spürt Energieverschwendung auf

Ein Landkreis in Nordrhein-Westfalen hat beschlossen, die Energielecks in den Häusern aller Kommunen des Kreises aufzuspüren. Wie kann das gelingen, ohne Datenschützer auf den Plan rufen? Der Kreis hat Lösungen. Auch andere Kommunen haben schon Erfahrungen mit Thermografiebefliegung gemacht. Das sind die Ergebnisse!

Neben dem Verkehr ist die schleppende Sanierung und Modernisierung wenig energieeffizienter Häuser ein Problem, wenn es darum geht, die ambitionierten Klimaziele zu erreichen. Wie energieeffizient oder energiefressend Gebäude tatsächlich sind, lässt sich mit dem bloßen Auge nicht erfassen. In Nordrhein-Westfalen arbeitet der Kreis Mettmann seit einem  Kreistagsbeschluss daran, den gesamten Kreis und seinen Gebäudebestand mit Hilfe von sogenannten Thermografie-Befliegungen zu erfassen und aus den so gesammelten Daten Informationen zu gewinnen, welches Energie-Einsparpotenzial es wo zu heben gilt und welche energetisches Schwachstellen eliminiert werden müssten.    

Thermografie-Befliegung erklärt

Dabei fliegen Flugzeuge, bestückt mit modernen Infrarotkameras, über die Stadt und scannen die Dächer. Sinn macht ein solches Projekt nur in Winternächten, wenn die Heizungen laufen und es nicht kälter als 5 Grad ist. Außerdem brauchen die Wärmebildkameras in den Flugzeugen natürlich eine klare Sicht auf die Gebäude. Sind die Bedingungen einwandfrei, dann fliegen die Flugzeuge anhand eines Rasters über die Gebäude und zeichnen sogenannte Transmissions-Wärmeverluste auf. Der Transmissionswärmeverlust (HT) beschreibt, wie viel Wärme ein Haus über Wände, Fenster, Türen und Dach verliert. Die sichtbare Farbskala wandert von blau über grün und gelb Richtung rot. Tiefrot bedeutet: Maximaler Wärmeverlust. Aus der Vogelperspektive lassen sich natürlich erst einmal nur Wärmeverluste über die Dächer aufzeichnen. In einem zweiten Schritt müssen deshalb auch Fenster, Fassaden und Türen gescannt werden. Mittlerweile gibt es Unternehmen, die solche Aufzeichnungen via Autos mit Wärmebildkameras erledigen. 

Immobilienbesitzer: Für alle einen Energiebericht 

 Sebastian Kock, Leiter der Stabsstelle Klimaschutz in der Kreisverwaltung Mettmann, erläutert: "Ziel ist es erst einmal,  genaue Daten zu generieren, die uns in den Bereichen Klimaschutz im Gebäudesektor, welcher knapp ein Drittel unserer Emissionen vorursacht, weiter voranbringen können. Geplant ist, dass mindestens 80 Prozent der Eigentümer und Eigentümerinnen einer Immobilie mittelfristig einen eigenen Energiebericht bekommt und im Anschluss genau weiß, was er oder sie an seinem oder ihrem Haus in Sachen Energieeffizienz tun kann."

Gleiches gelte natürlich auch für Unternehmen und die eigenen kommunalen Liegenschaften. "Wir sind aktuell in der letzten Finalisierungsphase, bevor eine europaweite Ausschreibung des Projektes erfolgen wird", erklär  Kock den Stand der Dinge. Finanziell lässt sich der Kreis das Projekt einiges kosten. Veranschlagt worden ist ein Betrag von 400.000 Euro. Private Immobilienbesitzer werden für ihren Energiebericht voraussichtlich mit etwa 40 bis 50 Euro zur Kasse gebeten werden. Starten soll die thermografische Erfassung in den Monaten Januar bis März 2024.

Wo verliert mein Haus Energie? Wärmekameras geben Aufschluss.

Mögliches Problem: der Datenschutz

Erinnerungen an Google-Street-View werden wach. Damals wie heute befürchten nicht wenige bei derartigen Projekten eine Aushebelung des Datenschutzes. Auch im Kreis Mettmann gab es schon den ein oder anderen Kommentar dazu in den Sozialen Medien. Sebastian Kock nimmt Bedenken dieser Art durchaus ernst: "Wir bewerben das Projekt bereits in dieser frühen Phase sehr offensiv in der Öffentlichkeit und erarbeiten natürlich auch ein Sicherheitskonzept, dass Projekt datenschutzkonform zu gestalten. Dazu werden die erforderlichen technischen und organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung des Datenschutzes und der Datensicherheit umgesetzt." In diesem Bereichen sei mittlerweile vieles denkbar und auch praktisch umsetzbar. Er nennt Beispiele:

  • Die Daten werden nicht zweckentfremdet, sondern ausschließlich für den Klimaschutz im Gebäudesektor verwendet.
  • Einrichtung von verschlüsselten Übertragungswegen bei der Datenübermittlung. 
  • Eine vorgeschaltete Widerspruchsmöglichkeit für alle Immobilienbesitzer, die der Verarbeitung der Daten nicht zustimmen und/oder keinen Energiebericht haben möchten.
  • Die Energieberichte einzelner Immobilien werden nicht veröffentlicht.
  • Öffentlich gemacht werden sollen im Rahmen einer digitalen Wärmelandkarte nur einzelne Straßenzüge mit ihrer durchschnittlichen Energiebilanz, die keine Rückschlüsse auf einzelne Immobilien zulassen.
  • Besitzer, die den eigenen Energiebericht anfordern, müssen sich einer 2-Wege-Authentifizierung unterziehen.

Erkenntnisse kommen auch Kommunen zugute

Die gewonnen Daten und Erkenntnisse sollen natürlich nicht nur privaten Hausbesitzern zugute kommen, sondern auch den kreisangehörigen Städten. Sebastian Kock erläutert: "Generell sollen die Daten in den Kommunen zum Beispiel auch dafür genutzt werden, die eigenen Liegenschaften und - wenn vorhanden - Fernwärmeleitungen energietechnisch zu erfassen und die Kommunen so bei ihrer eigenen Wärmeplanung bestmöglich mit belastbaren Daten zu unterstützen." Man hoffe, sagt Dr. Sebastian Kock, damit auch Kreisen und Kommunen ein "best-practice-Beispiel" an die Hand geben zu können. "Wir gehen davon aus, dass unsere Erfahrungen mit diesem Projekt sich gut auf andere Kommunen übertragen lassen."      

Thermografie-Befliegung: Erfahrungswerte gibt es schon

Andere Kommunen haben ein solches Projekt bereits als "Einzelkämpfer" angeschoben: etwa Mannheim, Brühl in Baden-Württemberg, Schriesheim und Tuttlingen. Welche Erfahrungen wurden gemacht? KOMMUNAL hat in Tuttlingen nachgefragt. Gemeinsam mit einem Start-up hat die Kommune bereits im vorigen Winter die Bedarfe in der Stadt ermittelt und dafür 60.000 Euro eingesetzt. Die Ergebnisse? In etwa so wie erwartet, erklärt Baudezernent Florian Steinbrenner. "Besonders im Bereich der Innenstadt haben wir viele alte Gebäude. Es war abzusehen, dass in diesem Bereich ein besonders hoher Handlungsbedarf bestehen würde." Für die Gebäudebesitzer in der Innenstadt soll es nun, neben Förderprogrammen des Bundes, spezielle finanzielle Anreize geben, um den Sanierungsstau aufzulösen. Den Datenschutz habe man, sagt der Baudezernent, gemeinsam mit einem darauf spezialisierten Unternehmen sichergestellt. "Aus den fundierten Daten werden wir jetzt eine Wärmestrategie für Tuttlingen entwickeln", unterstreicht Florian Steinbrenner. In Münster zieht die Stadt eine positive Bilanz. Die zur Verfügung gestellten Wärmebilder von Hausdächern riefen rund 60 Prozent der von der Stadt angeschriebenen Eigentümer:innen ab, insgesamt sind das mehr als 25.000 Downloads. Die Aufnahmen fragten Privathaushalte, Unternehmen sowie öffenltiche und kirchliche Immobilienbesitzende ab. Auf Basis der Bilder führte die Stadt in der Zeit von Februar 2022 bis Ende Dezember 2022 über 2.000 kostenfreie Energieberatungen durch. Mehr Informationen.



 

 

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