Wahlunterlagen für eine Kommunalwahl
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Wahlbeteiligung

Warum Bürger bei Kommunalwahlen zu Hause bleiben

Bei den Kommunalwahlen in Hessen war der digitale Wahlkampf trotz Corona eher Nebensache. Die klassischen Medien fanden deutlich mehr Aufmerksamkeit. Kommunal hat mit Forsa nachgefragt. Gastautor Manfred Güllner analysiert, warum viele Bürger gar nicht wählen.

Seit Jahren ist zu beobachten, dass die meisten Parteien die kommunale Politikebene eher stiefmütterlich behandeln - mit entsprechenden Auswirkungen bei den Bürgern: Während sich etwa in Baden-Württemberg 70 Prozent sehr für den Ausgang der Landtagswahl interessierten, zeigte in Hessen nur die Hälfte aller Wahlberechtigten großes Interesse für die Wahlen in den Städten, Kreisen und Gemeinden. Mit 51,5 Prozent war deshalb auch 2021 wieder der Anteil der hessischen Wahlbürger, die sich gar nicht an der Wahl beteiligten oder eine ungültige Stimme abgaben, extrem groß.

Landes- und Bundespolitik spielt kaum eine Rolle

Dabei ist der Blick auf die landesweiten Durchschnittswerte der Parteien nicht sehr aussagekräftig, weil die Entscheidung der Wahlberechtigten, kein bloßer Reflex der bundes- oder landesweiten politischen Stimmung ist, sondern vom Zustand der Parteien und von dem inhaltlichen und per-sonalen Angebot in jeder einzelnen Gemeinde abhängt. So gibt auch eine Mehrheit der hessischen Wahlberechtigten an, dass für die Entscheidung bei der Kommunalwahl in erster Linie die Kommunal- und nicht die Landes- oder Bundespolitik die entscheidende Rolle spielt. Lediglich für die AfD-Anhänger spielt die Bundespolitik die größte Rolle.

Entsprechend unterschiedlich sind auch die Veränderungsraten der Parteien von Region zu Region. So hat die CDU etwa im Landkreis Bergstraße beim Vergleich der Ergebnisse von 2021 mit denen der letzten Kommunalwahl 2016 ihr Ergebnis um 4,5 Prozentpunkte oder im Main-Taunus-Kreis um 3,7 Prozentpunkte verbessern können, während sie in den Städten Frankfurt am Main, Darmstadt und Offenbach Verluste zwischen zwei und sechs Prozentpunkten zu verzeichnen hatte. Die SPD konnte ihren Stimmenanteil in Offenbach um 3,6 Prozentpunkte verbessern, während sie im Vogelsberg- und Wetteraukreis sowie im Kreis Gießen mehr als 7 Prozentpunkte verlor. Noch größere Verluste hatte die SPD im Kreis Werra-Meißner mit einem Minus von neun Prozentpunkten. Und die Grünen konnten in den Kreisen Wetterau, Offenbach und Gießen sowie in der Stadt Kassel über 10 Prozentpunkte zulegen, während sie in ihrer Hochburg Darmstadt 2,3 Prozent weniger Stimmen erhielten.

Wie bekannt sind die Kandidaten?

Wahlverfahren sorgen für geringe Wahlbeteiligung

Für die wiederum niedrige Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl 2021 dürfte nicht zuletzt auch das komplizierte Wahlverfahren verantwortlich sein. So meinten in einer von forsa in Kooperation mit der Universität Hohenheim vor der Wahl durchgeführten Untersuchung in Hessen 56 Prozent der Wahlberechtigten, dass die Wahlentscheidung bei der Kommunalwahl durch die vielfältigen Wahlmöglichkeiten erschwert und keinesfalls erleichtert werde, zumal 74 Prozent so gut wie keinen der Kandidaten vor Ort kennen. Und von der Möglichkeit, den Stimmzettel durch Panaschieren und Kumulieren zu verändern, macht die große Mehrheit kaum Gebrauch.

Welche Wahlwerbemittel schaffen Aufmerksamkeit?36 Prozent der vor der Wahl befragten Hessen nennen denn auch das als zu kompliziert empfundene Wahlrecht als einen Grund für die geringe Wahlbeteiligung. Hinzu kommen die Uneinigkeit der Parteien vor Ort, das schlechter gewordene Kandidatenangebot und die wegen des Wegfalls der Sperrklausel mögliche Vielzahl der vor Ort kandidierenden Parteien. Vor allem aber beklagen die hessischen Bürger, dass sich die Politik vor Ort zu viel um einzelne, sich lautstark bemerkbar machende Gruppen und zu wenig um die Interessen der Mehrheit der Bürger kümmert.

Klassische Werbemittel ziehen ins Wahllokal

Anders als von manchen vermutet, wurde aber von den Wahlberechtigten nicht in erster Linie der digital geführte Wahlkampf wahrgenommen. Vielmehr waren es trotz Corona die klassischen Werbemittel wie Plakate oder Informationsmaterialien, die am ehesten wahrgenommen wurden. Wahlkampf in den sozialen Medien wurde nur von einer Minderheit von 22 Prozent verfolgt. Dabei sind auch generell – unabhängig von Wahlkampfzeiten – die klassischen Medien sowie die Informationen der Stadt und Gemeinde und vor allem die personale Kommunikation als Informationsquelle für das lokale Geschehen wichtiger als die über soziale Medien verbreiteten Informationen – ein Befund, der von den politischen Akteuren vor Ort bedacht werden sollte.