Wer darf bestimmen, wo ich wohne? Die Wohnsitzauflage bleibt umstritten

Wohnsitzauflage bleibt umstritten

Die Wohnsitzauflage ist eins der Kernstücke des Integrationsgesetztes. Doch sie wird bisher nur in wenigen Bundesländern umgesetzt. Die politische Diskussion über das Für und Wider läuft.

Das Integrationsgesetz machts möglich: Bis zu drei Jahre lang kann anerkannten Flüchtlingen ohne Job vorgeschrieben werden, wo sie zu wohnen haben. Die sogenannte Wohnsitzauflage ist erst im Sommer vom Bund beschlossen worden. Seither streiten die Bundesländer, ob sie die Auflage umsetzen wollen. Den Anfang machte im August das Bundesland Bayern, gefolgt von Baden-Württemberg. Neben der CSU-Regierung im Süden hat somit auch der Grüne-Ministerpräsident im Südwesten das Gesetz umgesetzt. Die Rot-Gelb-Grüne Landesregierung im Nachbarbundesland Rheinland-Pfalz hingegen lehnt eine Umsetzung der Auflage ab. Schon allein das zeigt, dass die Diskussion quer durch alle Parteien und politischen Strömungen geht.

Wohnsitzauflage: Die Umsetzung macht Probleme

Recherchen von KOMMUNAL zeigen nun: Am Ende müssen wieder einmal die Kommunen ausbaden, was in der Schnelle der Gesetzgebung auf Landes- und Bundesebene an die Umsetzenden vor Ort delegiert wurde. Viele Kommunen fürchten sich nun vor möglichen Rechtsstreitigkeiten, kämpfen mit Unklarheiten bei den Ausführungsrichtlinien. Was passiert zum Beispiel, wenn der Flüchtling in Kommune A aufgrund der neuen Bestimmung nicht mehr wohnen darf, in der ihm zugewiesenen Kommune B aber keine Wohnung mehr hat?

KOMMUNAL Deutschlandreport zur Wohnsitzauflage

In der kommenden Ausgabe, die ab dem 25. November verfügbar ist, geht KOMMUNAL der Frage nach, welche Vor- und Nachteile die Wohnsitzauflage hat. Unsere Reporterin war in Bayern und in Baden-Württemberg unterwegs, hat mit den Verantwortlichen vor Ort gesprochen. Im Vorfeld haben wir Politiker und Verbände befragt, was Sie von der Wohnsitzauflage halten. In unserem Magazin werden zwei zuständige Minister (die Integrationsministerin von Bayern und die Integrationsministerin von Rheinland-Pfalz) in einem Pro und Contra zur Wohnsitzauflage "streiten". Das Geschäftsführende Präsidialmitglied des Bayerischen Gemeindetages, Franz Dirnberger wird zudem einen Einblick in die Praxis geben und erläutern, an welchen Stellen aus seiner Sicht bei dem Gesetz nachgebessert werden muss.

Niedersachsen lehnt die Wohnsitzauflage ab

 

Lesen Sie schon jetzt vorab den Gastbeitrag der Fraktionsvorsitzenden der niedersächsischen Grünen, Anja Piel - sie spricht sich deutlich GEGEN die Wohnsitzauflage aus. Die Wohnsitzauflage will in Niedersachsen keiner

Ist gegen eine Wohnsitzauflage: Niedersachsens Grünen-Fraktionschefin Anja Piel ©Grüne-Niedersachsen

Warum sollte man eine Regelung einführen, die niemandem nutzt? Die Wohnsitzauflage ist so ein Fall. In Niedersachsen will sie keiner.

Aus Sicht der Kommunen wäre die von der Bundesregierung im sogenannten Integrationsgesetz vorgesehene Möglichkeit nicht mehr als eine bürokratische Mehrbelastung. Über Wohnsitzzuweisungen und Zuzugssperren, wie sie das Gesetz vorsieht, müsste individuell entschieden werden. Von den Sanktionen bei Verstößen ganz zu schweigen. Die Kriterien im Gesetz sind zudem so schwammig formuliert, dass es für die Verwaltungen nicht nur rechtlich, sondern auch menschlich kaum möglich wäre, tragfähige Entscheidungen zu treffen.

Aus Sicht der Landesregierung und vieler Verbände ist die Wohnsitzauflage rechtlich höchst zweifelhaft. Die UN, die EU und die Genfer Flüchtlingskonvention sprechen Geflüchteten das Recht zu, ihren Wohnsitz innerhalb eines Staates so frei zu wählen, wie es anderen Personen auch möglich ist.

Für die anerkannten Flüchtlinge wäre die Auflage schließlich die gravierende Einschränkung eines Grundrechtes. Man muss sich mal vorstellen, was das heißt: Menschen vorzuschreiben, wo sie zu wohnen haben. Das ist nicht nur eine demütigende Ausübung von Zwang. Es hindert die Geflüchteten auch daran, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen, sich um Ausbildung und Arbeit zu kümmern und ein Zuhause aufzubauen.

Laut Bundesregierung dient die Wohnsitzauflage der Integration. Das ist ein Witz. Wie sollen Menschen mit solchen Zwängen in eine Gesellschaft integriert werden, die sich selbst als frei und offen definiert? Für mich sind Menschen keine Masse, die man einfach hin und herschieben kann.

Wer darf bestimmen, wer wo wohnen muss? Die Wohnsitzauflage bleibt umstritten

Die niedersächsische Landesregierung und die Kommunen werden die Wohnsitzauflage auf kommunaler Ebene aus guten Gründen nicht umsetzen. Volle Freizügigkeit genießen anerkannte Flüchtlinge aber auch hier nicht. Denn das sogenannte Integrationsgesetz schreibt ihnen vor, in dem Bundesland zu wohnen, das ihnen erstmalig zugewiesen wurde. Innenminister Pistorius hat sich erfolgreich dagegen gewehrt, das Gesetz rückwirkend anzuwenden, mehr ging aber leider nicht.

Bund und Länder sollten Geflüchteten echte Integrationsangebote machen, anstatt sie zu schikanieren. Die Kommunen haben nicht nur in Niedersachsen ohnehin Wichtigeres zu tun. Und die Geflüchteten auch.

Weitere Argumente zur Wohnsitzauflage, die komplette Reportage und Stellungnahmen aus den Kommunen sowie das Pro und Contra der beiden zuständigen Ministerinnen lesen Sie ab dem 25. November in Ausgabe 12/2016 von KOMMUNAL!

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