Garmisch-Partenkirchen klagt wegen zu vielen Flüchtlingen, die die Stadt unterbringen soll.
Garmisch-Partenkirchen sieht sich bei der Flüchtlingsunterbringung am Ende.
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Unterbringung

Zu viele Flüchtlinge: Weltbekannter Ort verklagt Freistaat

Die Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen hat Klage wegen der ungerechten Verteilung von Flüchtlingen im Landkreis eingereicht. Die Bürgermeisterin beschreibt gegenüber KOMMUNAL, weshalb sie und der Marktgemeinderat diesen juristischen Schritt gehen und schildert die Zustände in dem weltbekannten Touristenort nahe der Zugspitze. „Wir sehen das Selbstverwaltungsrecht als Kommune verletzt. Das ist ein Verstoß gegen das Grundgesetz“, so die Bürgermeisterin.

Elisabeth Koch hat die Klageschrift und den Eilantrag selbst verfasst. Die Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen ist Juristin, und als ehemalige Rechtsanwältin weiß sie, worauf es ankommt. Mit allen Anlagen sind es mindestens 135  Seiten, die sie jüngst dem Bayerischen Verwaltungsgericht zukommen ließ. „Ich saß in meiner Freizeit daran, oft schon um 4 Uhr früh und abends oft bis nach Mitternacht“, erzählt sie. Doch jede Stunde dieser zusätzlichen Arbeit sei es ihr wert gewesen. Denn die Marktgemeinde sieht sich bei der Flüchtlingsaufnahme weit über die Belastungsgrenze.

Ungerechte Flüchtlingsverteilung? Marktgemeinderat unterstützt Klage

„Ich will, dass das Handeln des Landratsamtes von einem Gericht überprüft wird“, sagt Koch. Mit nur einer Gegenstimme war auch der Marktgemeinderat dafür, den juristischen Weg zu beschreiten. Die oberbayerische Marktgemeinde mit ihren rund 28.570 Einwohnern musste bisher weitaus mehr Asylbewerber und Flüchtlinge aus der Ukraine aufnehmen, unterbringen und versorgen als die meisten anderen Kommunen im Landkreis. „Wir sehen darin das Selbstverwaltungsrecht als Kommune verletzt. Das ist ein Verstoß gegen das Grundgesetz“, so die Bürgermeisterin. 

Bürgermeisterin: Knapp ein Viertel höhere Ausgaben

Formal richtet sich die am 11. Oktober versendete Klage gegen den Freistaat Bayern, doch der Streit um das, was eine Kommune leisten kann, wird seit Jahren mit dem Landratsamt Garmisch-Partenkirchen geführt. „Ich habe 2015 im Aufnahmelager die Betten bezogen und will den Menschen helfen, die unter Kriegen, Flucht und Vertreibung gelitten haben“, betont Elisabeth Koch.  Die Marktgemeinde sei daher auch bereit gewesen, viele Flüchtlinge aufzunehmen. „Doch inzwischen können wir unsere ureigenen Pflichtaufgaben nicht mehr erfüllen, sagt die Bürgermeisterin. „Unsere Finanzhoheit ist unserer Ansicht nach rechtswidrigen Handeln der Landkreisverwaltung betroffen. „Wir haben durch die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge knapp ein Viertel höhere Ausgaben.“

Ich habe 2015 im Aufnahmelager die Betten bezogen und will den Menschen helfen, die unter Kriegen, Flucht und Vertreibung gelitten haben“

Elisabeth Koch, Bürgermeisterin von Garmisch Partenkirchen

Anspruch auf Kinderbetreuung  und Schulplatz

In Garmisch-Partenkirchen betreibt die oberbayerische Regierung ein sogenanntes Ankerzentrum. Die Kommune bekomme gar nicht mit, wie viele Menschen dort aufgenommen werden – erst, wenn sie sich beim Einwohnermeldeamt anmelden, sagt die Bürgermeisterin. Insgesamt leben rund 2800 Flüchtlinge in dem Ort, davon sind rund 1770 Ukrainer. „EU-Bürger, die sich bei uns anmelden, haben einen Anspruch auf Kinderbetreuung und einen Schulplatz“, so Koch. „Wir haben in den letzten zwei Jahren vier zusätzliche Kinderbetreuungsgruppen in den kommunalen Kindertageseinrichtungen geschaffen und wir haben nicht genügend Personal für eine Betreuung.“ Die Appelle an andere Kommunen im Landkreis, die weniger Flüchtlinge unterbringen müssen, seien erfolglos gewesen, bedauert die Bürgermeisterin. „Dabei brauchen wir bei dieser riesigen Herausforderung die Solidarität innerhalb der kommunalen Familie.“

150 Flüchtlinge sollen aus den Wohnungen ausziehen

Das Problem des weltweit bekannten Tourismusortes: Eigentümer von Ferienunterkünften und Hotels funktionieren sie zu Flüchtlingsunterkünften um -  auch, weil das viel lukrativer ist.  „Die Unterbringungen von Flüchtlingen ist für viele eine Gelddruckmaschine“, sagt die Bürgermeisterin. Dabei kommt es laut Bürgermeisterin zu Missständen, die nicht hingenommen werden dürften.  Die zuständigen Stellen bei der Marktgemeinde wenden sich immer wieder an Vermieter, aufgrund von Beschwerden aus der Nachbarschaft oder von den Flüchtlingen selbst. Die Lage spitzte sich jüngst weiter zu, als der Eigentümer mehrerer Wohnblocks auf einen Schlag zahlreiche Wohnungen gekündigt hat, für die ein Vertrag mit dem Landratsamt zur Unterbringung der Flüchtlinge geschlossen wurde. " Jetzt droht über 150 Menschen die Obdachlosigkeit“, so die Bürgermeisterin. Die Kommune sei in diesem Fall verpflichtet, die obdachlosen Familien entsprechend unterzubringen.

Elisabeth Koch, Bürgermeisterin Garmisch-Partenkirchen

Die Unterbringungen von Flüchtlingen ist für viele eine Gelddruckmaschine“

Elisabeth Koch, Bürgermeisterin von Garmisch-Partenkirchen

"Unhaltbare Situation in Kinderbetreuungseinrichtungen"

Bürgermeisterin Elisabeth Koch sieht die Marktgemeinde weit über dem Limit – personell und finanziell. „Wir haben ein großes Problem bei der Integration der Kinder“, beklagt sie. „Wenn der Anteil in der Gruppe mit Kindern mit Migrationshintergrund zu groß ist und eine Verständigung über die Sprache nur schwer möglich ist, sei dies für die Erzieher und Kinder eine unhaltbare Situation. Es gebe immer wieder lange Wartelisten für den Kindergarten und die Krippen. Das Landratsamt hat laut Koch bislang keine Stellungnahme zur Klageschrift abgegeben.  Und was sagen die umliegenden Gemeinden dazu, dass Garmisch-Partenkirchen gerichtlich durchsetzen will, dass sie nicht mehr so viele Flüchtlinge aufnehmen muss? „Ich habe die Klage in einer Bürgermeister-Dienstbesprechung angekündigt“, sagt Elisabeth Koch. Mir ist klar: Ich mache mir bei meinen Kollegen damit keine Freunde.“ Doch sie und der Marktgemeinderat sehen keinen anderen Ausweg mehr.

Landratsamt: "An geltendes Recht und Gesetz gehalten"

Auf Anfrage bestätigte der Sprecher des Landkreises, Stephan Scharf, das Landratsamt habe die Klage des Marktes Garmisch-Partenkirchen erhalten. Derzeit prüfe das Landratsamt die vorliegende Klageschrift eingehend. "Grundsätzlich ist das Landratsamt der Auffassung, sich bei der Verteilung von Flüchtlingen im Landkreis an geltendes Recht und Gesetz gehalten zu haben", sagte der Sprecher.

Fotocredits: Marktgemeinde Garmisch-Partenkirchen