Zukunftsforscher
Das neue Smart: So werden Kommunen widerstandsfähig
„Smart“ ist mehr als Digitalisierung. Künstliche Intelligenz und Automatisierung können Städte und Gemeinden nachhaltig verändern und stärken. Aus smart wird resilient. In Zukunft wird Widerstandsfähigkeit zum Bestandteil einer umfassenden, digitalen kommunalen Sicherheitspolitik. Dazu gehören sichere Infrastrukturen wie das Gesundheits-, Telekommunikations- und Energiewesen sowie Städte und Gemeinden, die in der Krise funktionieren. Es ist kein Zufall, dass im aktuellen Smart City-Ranking die kleineren und mittelgroßen Städte vorne liegen. Zu den Themen der Zukunft gehören Arbeit und Lebensqualität, Gesundheit, Klimaschutz und gesellschaftlicher Zusammenhalt.
Smart-City: So werden Kommunen resilient
Arbeit, Wohnen und Lebensqualität. Die Digitalisierung kann die Dezentralisierung von Leben und Arbeiten erleichtern. Wenn flächendeckend schnelles Internet verfügbar ist, lässt sich theoretisch in jedem Dorf produzieren und arbeiten. So werden Start-ups auch auf dem Land möglich. Neue Formen der Mobilität entstehen. Zeitaufwendiges Pendeln kann dank Automatisierung und vernetztem Fahren in Zukunft zum Auslaufmodell werden. Vor allem für die Innenstädte ergeben sich dadurch neue Chancen. Aus sozialen Wüsten werden Orte der Begegnung, des Zusammenhalts und der Kreativität. Neuer Raum entsteht für Start-ups, Einzelhandel, Kitas und Kultur. Das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen fördert bis 2026 innovative Lösungen für krisenfeste Stadt- und Quartiersstrukturen. Die Vision der „15 Minuten-Stadt“ wird überall möglich. Arbeit, Wohnen, Kultur und Erholung rücken enger zusammen und damit auch die Bürgerinnen und Bürger.
Gesundheit und Pflege. Der digitale Wandel kann die Gesundheitsversorgung vor Ort verbessern und zu einer barrierefreien und inklusiven Gesellschaft führen. Konkret geht es dabei um die Themen (frühkindliche) Bildung, Pflege und Gesundheit sowie Patientenorientierung. Mobile Health wird sich als Antwort auf Ärzte- und Versorgungsmangel durchsetzen. Patienten können auch am Telefon und online behandelt werden.
Das Rezept und die Krankschreibung folgen per E-Mail. Lange Wegstrecken und Wartezeiten werden überflüssig und das Gesundheitssystem wird entlastet. Gesundheitskioske und Telemedizin können insbesondere im ländlichen Raum und in Städten mit starker sozialer Segregation Menschen versorgen, indem sie niedrigschwellige Angebote bereitstellen. So stellt die Stadt Wuppertal mit Minecraft einen digitalen Gesundheitskiosk zur Verfügung.
In der Pflege können digitale Assistenzsysteme und Robotik Pflegepersonal und Angehörige entlasten, ein selbstbestimmtes und sicheres Wohnen im Alter ermöglichen und sorgende Nachbarschaften vernetzen.
Klimaschutz und Digitalisierung gehören zusammen. Die Nutzung digitaler Dienste und Plattformen verursacht momentan fast vier Prozent aller Treibhausgasemissionen. Mehr als doppelt so viel wie die zivile Luftfahrt. Allein beim Training einer KI zur Spracherkennung fällt fünfmal so viel CO2 an, wie ein Auto während seiner gesamten Lebensdauer emittiert. Nachhaltigkeit wird in der digitalen Wirtschaft zum Mainstream. Dazu gehören auch dezentrale Energienetze, autonome, energieeffiziente Fahrzeuge und eine digitale Kreislaufwirtschaft. Die englische Hauptstadt London baut das Bahnnetz aus und verbessert es mithilfe von Big-Data-Analysen stetig. Finanziert wird der Umbau durch eine City-Maut für alle Autos. Das Ziel: Bis 2040 sollen 80 Prozent aller Fahrten mit öffentlichen Verkehrsmitteln möglich sein.
Die Niederlande und Dänemark wappnen sich mit klimaresilienten Städten gegen Hochwasser und Überschwemmungen und setzen auf das Konzept der „digitalen Zwillinge“. Auch in Deutschland nutzen immer mehr Kommunen digitale Tools und Systeme, um die globalen Nachhaltigkeitsziele zu erreichen. München will mit Daten Mobilität und Luftqualität messen und die Infrastruktur mit Hilfe von Bürgerbeteiligung steuern. Die Stadt Münster verfolgt mit „Stadt Temperatur“ eine präventive Strategie des Hitzeschutzes und will künftig „kühle Orte“ schaffen. Das Potenzial im Gebäude-, Strom- und Wärmesektor ist enorm. In Zukunft kommunizieren Gebäude, Quartiere und Infrastruktur in Echtzeit. Vernetzte und sich selbststeuernde Gebäude, Städte und Gemeinden schützen das Klima und erhöhen die Lebensqualität.
Gesellschaftlicher Zusammenhalt und Demokratie. Naturkatastrophen, Terroranschläge und Cyberattacken setzen auch deutsche Städte und Gemeinden unter Stress und gefährden das Vertrauen in Zusammenhalt und Demokratie. Eine resiliente Stadt bindet ihre Einwohner ein. Moderne Beteiligungsverfahren und Orte machen aus Bürgern, die etwas verhindern wollen, Bauherren, die ihre Stadt verändern. So setzt die Stadt Würzburg zusammen mit dem Landkreis auf „soziale Resilienz – menschlich aus der Krise“ und will die Lebensqualität in der Region verbessern, die Stadt Guben in Brandenburg entwickelt mit „Resi.Form“ eine digitale Plattform, um Schutzmaßnahmen gegen Hochwasser zu testen. Digitale Tools und Plattformen verbessern die Diskussionskultur in der Stadt und sorgen für ein besseres soziales Klima.
Kunst und Kreativität sind das stärkste Material
„Die Menschen machen die Stadt, nicht die Häuser“, sagte der griechische Staatsmann Perikles vor mehr als 2000 Jahren, als er in Athen die Akropolis neu bauen ließ. Das widerstandsfähigste Material sind die Kunst und Kreativität der Städteplaner, Architekten und Bürger. „Smart“ ist eine City und ein Country, sind Stadt und Land dann, wenn ihre Einwohner nicht nur mit Technologien und Maschinen, sondern auch untereinander mit Menschen vernetzt sind. Künstliche Intelligenz und Digitalisierung machen Städte und Gemeinden lebenswerter, gesünder und grüner.
Dr. Daniel Dettling ist Zukunftsforscher und leitet das von ihm gegründete Institut für Zukunftspolitik (www.institut-zukunftspolitik.de). Sein aktuelles Buch heißt: „Eine bessere Zukunft ist möglich. Ideen für die Welt von morgen“ (Kösel Verlag, 20 Euro).