Das Urteil über die Abschiebung von zwei gefährlichen Extremisten sorgt für Aufruhr

Abschiebung von gefärlichen Islamisten

29. März 2017
islamistische Gefährder können jetzt einfacher abgeschoben werden, das ergab ein Grundsatz-Urteil. Die Hürden dafür sind gering, das Urteil sorgt für Aufregung.

Nachdem Anis Amri am 19. Dezember mit einem LKW in einen Berliner Weihnachtsmarkt raste und dabei 12 Menschen tötete und 67 schwer verletzte, begann eine Diskussion um sogenannte islamistische „Gefährder“. Neben der elektronischen Fußfessel zur Kontrolle von potenziellen Terroristen ging es in den öffentlich geführten Debatten um die Möglichkeiten der Abschiebung von ausländischen Extremisten. Das BKA teilte mit, dass derzeit 616 Menschen als sogenannte islamistische Gefährder eingestuft werden. Rund die Hälfte davon halte sich in Deutschland auf. 62 von ihnen sind ausreisepflichtig, müssten eigentlich sofort abgeschoben werden. Doch in vielen Fällen fehlen gültige Papiere, sodass eine Abschiebung verhindert wird. Die deutsche Regierung und die Sicherheitsbehörden geraten in diesem Zusammenhang immer wieder in die Schusslinie, werden teilweise heftig für ihre „Untätigkeit“ kritisiert. Die Tat von Anis Amri war keine Überraschung. Deutsche Behörden kannten ihn bereits im Vorhinein, beobachteten ihn und stuften ihn sogar als „Gefährder“ ein. Abgeschoben wurde er dennoch nicht. Der Fall Anis Amri? Ist noch lange nicht abgeschlossen. Klar ist in diesem Zusammenhang aber auch, dass sich die Sicherheitsbehörden keinen weiteren Anis-Amri-Fall mehr leisten können, wenn sie Wut, Angst oder Hass in der Bevölkerung verhindern wollen.

Abschiebung von Islamisten - Hoffnung für die Zukunft

Doch in Zukunft könnte die Abschiebung von islamistischen Gefährdern einfacher werden. Dafür wurde ein Präzedenzfall in Niedersachsen geschaffen. Der Gesetzesabschnitt, der dies auch in Zukunft ermöglichen könnte, ist Paragraf 58a Aufenthaltsgesetz, den es schon seit 2004 gibt. Bislang wurde jedoch nicht damit gerechnet, dass die Rechtsprechung die Hürden für die Annahme einer terroristischen Gefahr so niedrig definieren würde. Immer wieder hieß es, die Hürden seien zu hoch, der Paragraf gar „untauglich“. Im Fall von Anis Amri wurde er nicht angewendet. Obwohl ihm Mitglieder aus den eigenen Reihen davon abrieten, entschied sich der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius dafür, den Paragrafen als Rechtsgrundlage im Falle von zwei zwei Göttinger Islamisten zu nutzen. Die beiden "Gefährder" – ein Algerier und ein Nigerianer wurden Anfang Februar bei einer Großrazzia in Göttingen festgenommen. Bei ihnen wurden Waffen, Munition und IS-Flaggen gefunden. Von den beiden Männern geht laut Rechtsprechung eine „terroristische Gefahr“ aus, weshalb sie abgeschoben werden sollen. Die Leipziger Richter, die mit diesen Fällen betraut wurden, definierten nun auch wann von einer „terroristischer Gefahr“ gesprochen werden könne. Nämlich dann, wenn aufgrund „tatsächlicher Anhaltspunkte“  ein „beachtliches Risiko“ bestehe, dass ein terroristischer Anschlag verübt wird. Das Risiko eines Anschlags muss nicht wahrscheinlicher sein als das Ausbleiben, was im Klartext bedeutet, dass nicht abgewartet werden muss, bis etwas passiert.

Eine konkrete Vorbereitung der Tat ist nicht nötig

Die Richter rechtfertigen ihre Entscheidung damit, dass sich ein Anschlag mit terroristischem Hintergrund „ohne großen Vorbereitungsaufwand“ und mit allgemein verfügbaren Mitteln jederzeit und überall ausführen lässt. Deshalb ist es nicht notwendig, dass der „Gefährder“ den Anschlag bereits vorbereitet oder eine konkrete Vorstellung von Ort, Zeit, Tatmittel und Ziel des Anschlags habe. Es reiche schon der „feste Entschluss“. Möglich wäre es auch, diejenigen Ausländer abzuschieben, die sich besonders stark mit radikal-extremistischen Islamismus identifizieren, gewaltbereit sind, sich auf Identitätssuche befinden und sich regelmäßig mit Gleichgesinnten austauschen. Die Gefahr jedoch muss vom Täter persönlich ausgehen und gerichtlich überprüfbar sein. Der Algerier aus Göttingen, so heißt es, war nicht nur in der radikal-islamistischen Szene unterwegs, sympathisiere mit dem IS und habe Kontakt zu einer salafistischen Gruppe mit dschihadistischer Tendenz. Sondern habe außerdem privat mehrfach Gewalttaten mit Waffen angedroht. Die Abschiebung, so die Richter, sei verhältnismäßig, obwohl der Mann in Deutschland geboren und aufgewachsen sei und sein „Heimatland“ nur von Besuchen kenne. Der Algerier jedoch hat Angst. Er befürchtet als Islamist in Algerien gefoltert zu werden, wovon die Richter zwar nicht ausgehen, aber dennoch, eine Zusicherung von algerischer Seite fordern, dass der Mann nicht gefoltert wird oder unmenschlich/ erniedrigend bestraft wird. Eine Abschiebung könne nur mit Zusicherung von staatlicher Stelle stattfinden, so das Bundesverwaltungsgericht.

Bundesweite Auswirkung auf Abschiebungen?

Das Urteil zum Fall des Nigerianers ist noch nicht veröffentlicht. Doch auch in seinem Fall hält das BVerwG die Abschiebung für rechtmäßig. Der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) will nun überprüfen, ob Bremen ebenfalls einen russischen und algerischen Islamisten abschieben kann. Vorstöße aus anderen Bundesländern könnten demnächst folgen…