
aus kommunaler Sicht
Altschulden der Kommunen und Migration - die Knackpunkte in den Koalitionsverhandlungen
UPDATE vom 26. März: Die Koalitionspapiere im Wortlaut! Die bisherigen Verhandlungsergebnisse aus Sicht der Kommunen! Am Ende dieses Textes stellen wir Ihnen die Papiere mehrerer Arbeitsgruppen zum Herunterladen zur Verfügung. Sie enthalten (in schwarz) die Punkte, bei denen man sich einig ist, (in blau) die Forderungen der Union, die mit der SPD strittig sind und (in rot) die Forderungen der SPD, die bei der Union strittig sind.
Mit Sorgenfalten schauen viele Bürgermeister und Kommunalpolitiker in diesen Tagen auf die Verhandlungen zwischen Union und SPD. Zwei Themen, die den Kommunen besonders unter den Nägeln brennen – die ungelöste Altschuldenfrage und die steigenden finanziellen Belastungen durch Asylbewerber – werden aktuell wie politische Faustpfänder hin- und hergeschoben. Und auch in Sachen Infrastrukturgelder scheinen die Kommunen einmal mehr das letzte Rad am Wagen zu sein.
Seit Jahren umstritten und immer wieder verschoben: Die Altschuldenfrage - was die Koalitionsverhandlungen bisher ergeben haben
Gerade die Altschuldenfrage droht die Länder zu entzweien. Kommunen in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz hoffen auf Bundesmittel, um sich endlich von der Last alter Kredite zu befreien. Denn diese beiden Bundesländer sind es, die fast die Hälfte aller Altschulden der Kommunen vor sich her tragen. An dritter Stelle folgt Niedersachsen. Andere Bundesländer hingegen haben für Ihre Kommunen in der Vergangenheit eigene Altschuldenfonds aufgelegt. Und genau da beginnt der Streit. Länder wie Bayern, Baden-Württemberg und Hessen bremsen aus Sorge vor einem unfairen Deal. Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz mahnt: „Die Kommunen finanziell angemessen auszustatten ist Aufgabe der Länder“ – und warnt vor einer ungerechten Verteilung zu Lasten jener Länder, die verantwortungsvoll gewirtschaftet haben. Sprich: Am Ende würden nur diejenigen Geld vom Bund bekommen, wo die Bundesländer es versäumt haben, die Finanzlage der Kommunen zu verbessern.
Sorgenkind : Infrastrukturfonds
Ein weiteres Sorgenkind: der groß angekündigte Infrastruktur-Fonds der Bundesregierung. Von den vollmundig versprochenen 500 Milliarden Euro, die durch Hebelung privater Investitionen auf bis zu drei Billionen Euro wachsen sollen, kommt möglicherweise nur ein Bruchteil bei den Kommunen an – lediglich rund 20 Prozent der 500 Milliarden Euro sollen an die Länder gehen - diese können das Geld dann an Kommunen weitergeben. Zudem zweifeln Bürgermeister und Kämmerer daran, dass das Geld tatsächlich für Straßen, Brücken oder Schulen verwendet wird. Zu groß ist die Befürchtung, dass Investoren vor allem renditestarke und weniger notwendige Projekte bevorzugen, während essenzielle kommunale Vorhaben erneut leer ausgehen.
Und auch die mit dem Paket verbundene Möglichkeit für die Bundesländer, höhere Schulden aufzunehmen, scheint nicht überall für Infastrukturprojekte verwendet zu werden. So kündigte der Berliner Senat unmittelbar nach dem Beschluss zu neuen Schuldenmöglichkeiten im Bundestag an, das zusätzliche Geld vor allem für die Unterbringung von Flüchtlingen verwenden zu wollen.
Hintergrund: Der Bundestag hatte die Schuldenbremse gelockert. Jedes Bundesland darf künftig pro Jahr neue Schulden „in Höhe von 0,35 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts“ aufnehmen. Bisher war den Bundesländern keine Neuverschuldung erlaubt. Im Fall von Berlin sind das für den anstehenden Doppelhaushalt 1,3 Milliarden Euro zusätzlich. Die zuständige Wirtschaftssenatorin sprach daher wörtlich von einem "Notfallkredit" - nötig sei etwa eine Milliarde Euro. Auch Hessen hat inzwischen eine Kreditaufnahme im Rahmen der gelockerten Schuldenbremse für die Unterbringung von Flüchtlingen angekündigt.
Nicht nur in Berlin und Hessen - in ganz Deutschland ächzen Städte und Gemeinden unter explodierenden Ausgaben im Bereich Migration und Integration. Während Union und SPD um Leistungen für ausreisepflichtige Asylbewerber und Details der geplanten Steuerreform ringen, wächst bei den Kommunen die Nervosität: Sie fürchten, dass am Ende erneut die Städte und Gemeinden die Zeche für den Berliner Kompromiss zahlen.
Völlig unterschiedliche Positionen in Sachen Asylbewerber in den Koalitionsverhandlungen
Und auch in der Asyldiskussion prallen bei den Koalitionsverhandlungen wieder Welten aufeinander. Von dem 5 Punkte Plan der Union, die diese noch vor der Bundestagswahl zur Abstimmung gestellt hatte, scheint nur noch wenig übrig zu sein. Das Portal "The Pioneer" berichtet etwa, dass die SPD nicht bereit ist, die Leistungen für illegal hier lebende und ausreisepflichtige Asylbewerber zu streichen. Das Portal schreibt wörtlich: "Bett, Brot, Seife? Ohne die Sozialdemokraten. Die SPD fordert hingegen, das Aufenthaltsgesetz zu erweitern – wiederum nicht vereinbar mit der von der Union versprochenen Asylwende."
Wobei das Portal indirekt davon spricht, dass die SPD insgesamt Maximalforderungen stellt, die für die Union bei näherer Betrachtung nicht erfüllbar sind. Zitat aus dem täglichen "Hauptstadt-Briefing" des Portals: "Selbst die IP-Adressen-Speicherungen, die gegen Kindesmissbrauch helfen sollen, werden von SPD-Verhandlern infrage gestellt, heißt es aus der Union. Die offenen Flanken müssen nun von den Partei-Spitzen abgeräumt werden."
Update vom 25. März:
Inzwischen liegt uns das Verhandlungspapier zur Migration vor. Zur Erkärung: Es ist ein Dokument (siehe Farbenerklärung oben), das noch eine Grundlage für die weiteren Verhandlungen in der Parteiführung finden soll. Die von Merz vorher geforderte "Beendigung der illegalen Migration" taucht in dem Papier nicht mehr auf. Merz hatte wörtlich gesagt: "Es wird ein faktisches Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland für alle geben, die nicht über gültige Einreisedokumente verfügen. Das gilt ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch.“ zu dem Zitat gibt es nun eine Einigung im Papier, das lautet: "„Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen." Genau der Passus "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" ist dabei jedoch der Knackpunkt. Das war auch bisher der Versuch. Realistisch waren aber unsere Nachbarländer bisher wenig begeistert, wenn Deutschland sie bat, doch den bei uns eingereisten illegalen Migranten zurückzunehmen. Sprich: In der Praxis wird das wenig tauglich sein. Von dem faktischen Einreiseverbot ist also nicht mehr die Rede.
HIER finden Sie das Papier im Wortlaut inklusive aller noch strittigen Punkte (farblich markiert):
Das Papier zeigt auch, dass es noch Streit um die "Leistungen für Ausreisepflichtige und die Bezahlkarte" gibt. Die CDU fordert folgende Formulierung:
„Für Ausreisepflichtige sind die Sozialleistungen auf das verfassungsrechtlich Erforderliche zu kürzen, es sei denn, die Ausreise findet unverschuldet nicht statt."
Die SPD lehnt das ab, fordert mehr Bleiberechte: "
„Wir wollen Perspektiven finden für die Menschen, die kein gesichertes Bleiberecht haben und sich in einer Berufsausbildung oder einem Studium befinden oder sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war das Chancenaufenthaltsrecht. Dieses werden wir verlängern."
Die Woche der Wahrheit: So geht es nun weiter bei den Koalitionsverhandlungen
Insbesondere die Asylfrage, die Altschuldenfrage und die Details der Verwendung des Milliardenpakets sind es nun, die im Laufe der nächtsten Tage von den Partei-Chefs gelöst werden müssen. Womit die Woche der Wahrheit begonnen hat. Nachdem die Facharbeitsgruppen ihre Papiere - mit teils noch strittigen Punkten - fertig gestellt haben, soll nun eine 19 köpfige Arbeitsgruppe unter anderem mit den Parteichefs die Feinarbeit machen.Die Verhandlungspartner wollen bis Ostern eine stabile und handlungsfähige Bundesregierung unter der Führung von CDU-Chef Friedrich Merz bilden.
Wir stellen Ihnen exemplarisch die wichtigsten Papiere im Wortlaut zum Herunterladen (inklusive der Anmerkungen der Parteien) zur Verfügung.
DAS PAPIER ZU KLIMA UND UMWELT FINDEN SIE HIER:
DAS PAPIER ZUR DIGITALPOLITIK FINDEN SIE HIER:
DAS PAPIER ZUR AUSSENPOLITIK FINDEN SIE HIER: