Zuwanderung
Per App den Flüchtlingen aus der Ukraine helfen
Seit der Ankunft tausender Flüchtlinge aus der Ukraine ist für viele Kommunen ein seit der Fluchtbewegung 2015 wohlbekanntes Problem wieder drängend geworden: Wie können sie den Neuankömmlingen die nötigen Informationen zur Zuwanderung schnell und in der jeweiligen Muttersprache zur Verfügung stellen, damit sie sich gut zurechtfinden?
App, um Zuwanderung zu managen
Im Kreis Viersen ist man froh, für solche Situationen jetzt besser gewappnet zu sein. Seit dem September 2021 benutzt der Landkreis die App Integreat als mehrsprachige Informationsplattform für Zugewanderte, Flüchtlinge und Asylsuchende. „Ein Grund dafür war, dass wir selbst keine komplette Informationssammlung über Angebote, Themen und Ansprechpartner hatten, die für die Zielgruppen interessant sind“, erklärt Jens Loebbert, stellvertretender Abteilungsleiter Kommunales Integrationszentrum, Sozial- und Pflegeplanung des Kreises Viersen. „Mit Integreat haben wir eine Möglichkeit geschaffen, die Informationen digital zu sammeln und den Zugriff darauf allen zu erlauben: in erster Linie den Menschen mit internationaler Zuwanderungsgeschichte, aber auch allen unseren Kommunen und deren Mitarbeitern, Ehrenamtlern und allen Akteuren in der lokalen Migrationsarbeit.“ In der App findet man Informationen und Antragsformulare zu den Themenfeldern „Willkommen im Kreis Viersen“, Alltag, Sprache, „Migration und Asyl“, „KiTa und Schule“, „Arbeit, Ausbildung und Studium“, Gesundheit sowie Corona in 14 Sprachen, darunter seit kurzer Zeit auch Ukrainisch.
Ohne großes IT-Wissen zu nutzen
Die App lässt sich sowohl auf dem Smartphone als auch im Browser nutzen und läuft auch offline. Größte Vorteile gegenüber den üblichen Broschüren, neben der Druckkostenersparnis: Die Daten kann man ohne großes IT-Wissen selbst auf dem neusten Stand halten und die App-Struktur erlaubt bei Bedarf eine unkomplizierte Erweiterung, wenn ein Thema besonders dringlich wird – wie beispielsweise die Regelungen zur Corona-Pandemie, die auf einer gesonderten Kachel abrufbar sind.
Entwickelt wurde Integreat von einem ehrenamtlichen Team von Studenten der Technischen Universität München während der Zuwanderungswelle von 2015. Damals ging es speziell darum, die Flüchtlinge schnell mit den nötigen Informationen zu versorgen. Inzwischen hat sich aus der Initiative, die sich anfangs über Spenden und Fördergelder finanzierte, die „Tür an Tür – Digitalfabrik“ gGmbH entwickelt. Sie baute Integreat zu einer Plattform aus, mit der Kommunen Auskünfte für Zuwanderer zur Verfügung stellen können, die sich selbständig in ihrer neuen Region informieren möchten. Genutzt wird die Technologie von derzeit knapp 80 Kommunen und Landkreisen, die sich die App für ihre individuellen Zwecke und Zielgruppen maßschneidern können. Dabei gibt es neben unterschiedlichen Bezahlmodellen auch die Möglichkeit, aufgrund der frei zugänglichen Open-Source-Programmierung die App kostenfrei selbst nach- oder auszubauen.
Kommunen können App anpassen
„Wir zahlen nur die jährlichen Betriebskosten, so dass wir unbegrenzten Zugang auf die App haben und die Designs befüllen können“, berichtet Jens Loebbert aus dem Kreis Viersen. „Die Befüllung und die Auswahl der Themen ist kommunalspezifisch; das können wir nach unseren Wünschen zusammenstellen.
Der Kreis Viersen beauftragt für die Übersetzung von längeren Informationsbausteinen in der App Übersetzungsbüros. Ganz kurze Texte lasse man auch mal maschinell übersetzen. Die App biete darüber hinaus eine „Deutschlandvorlage“ mit allgemein gehaltenen Informationstexten in verschiedenen Sprachen. Außerdem könne man, wo es Sinn ergibt, Übersetzungen nutzen, die anderen Kommunen in Auftrag gegeben haben. „Man nimmt denselben Text und kann ihn einfach übertragen“, sagt Loebbert. „Das kostet nichts.“
Wegweiser zu Ansprechpartnern in der Verwaltung
Er hofft, dass die App die Fachämter von Routineanfragen entlasten und eine Lotsenfunktion erfüllen wird, denn sie nennt die zuständigen Ansprechpartner in der Verwaltung. „Das trägt dazu bei, dass nicht alle beim Bürgerservice vorstellig werden oder zur Ausländerbehörde gehen, sondern sich an den Fachkollegen wenden, wenn sie beispielsweise eine Frage zu Teilhabe und Bildung haben“, so Loebbert.
Rund 1400 Zugriffe pro Monat habe Integreat im Kreis Viersen im Durchschnitt. Bei den angefragten Sprachen dominiere zurzeit noch Deutsch: „Daran erkennen wir, dass das Angebot immer noch primär von Behörden, Ämtern und Ehrenamtlern genutzt wird. Es gibt ungefähr 500 Zugriffe auf deutsche Texte, der Rest sind Zugriffe auf fremdsprachige Angebote.“ Dazu muss man wissen: Das Kommunale Integrationszentrum des Kreises Viersen berät primär Institutionen und ehrenamtliche Organisationen mit Migrationsthemen. „Die tatsächlich betroffenen Menschen mit Flucht- oder Migrationshintergrund betreut das Kommunale Integrationszentrum erst seit 2020“, erzählt Jens Loebbert. „Es ist deutlich, dass es viel Beratungsbedarf bei den Menschen aus der Fluchtbewegung 2015/2016 gibt und wir jetzt besonders bei den Menschen aus der Ukraine gefragt sind.“
Auch als Nachrichten-App zu gebrauchen
Neben Praxisinformationen rund um die Zuwanderung und den Ansprechpartnern in der Verwaltung kann die App auch über regionale Veranstaltungen für unterschiedliche Zielgruppen informieren oder Schnittstellen zu bestehenden Ausbildungs- und Praktikantenbörsen bilden. „Und man hat die Möglichkeit, Nachrichten in der Muttersprache zu lesen“, ergänzt Jens Loebbert.
Der stellvertretende Abteilungsleiter hält Integreat vor allem für solche Kommunen für hilfreich, die noch kein eigenes Informationsangebot rund um die Migration entwickelt haben. „Es ermöglicht sehr niedrigschwellig den Zugriff und man kann es leicht aktualisieren“, nennt er die Vorteile.
Wohnraumbörsen für Ukraineflüchtlinge
Integreat selbst entwickelt sich grade aufgrund der aktuellen Fluchtwelle aus der Ukraine schnell weiter: „Viele Städte und Landkreise übersetzen ihre lokalen Inhalte jetzt auf Ukrainisch und Russisch“, erklärt „Tür an Tür“-Sprecherin Laura Schmitz. „Dafür haben wir gesonderte Übersetzungskonditionen mit Übersetzungsbüros ausgehandelt.“ Zusätzlich hat die gGmbH gemeinsam mit der Stadt Augsburg eine Wohnraumbörse entwickelt, die unkompliziert über die App zu benutzen ist. „Darüber können alle, die ein Zimmer oder eine Wohnung kurzfristig ukrainischen Flüchtlingen zur Verfügung stellen wollen, dieses über ein Formular anmelden“, sagt Laura Schmitz. „Die ukrainischen Flüchtlinge können sich die Wohnraumangebote in verschiedenen Sprachen anzeigen lassen und direkt Kontakt aufnehmen. So kann die Stadtverwaltung entlastet werden und möglichst wenige Flüchtlinge verbringen die erste Zeit in den Notunterkünften.“ Eine Idee, die schon Nachahmer findet: Die Stadt Nürnberg stellt dieses Wohnraumbörsen-Tool seit einigen Tagen ebenfalls auf ihrer Integreat-App zur Verfügung.