Gastgeberin des Forum.KOMMUNAL
Die Friedens-Oberbürgermeisterin von Augsburg
Am 13. und 14. Juni geht es in Augsburg um die Themen Digitalisierung. Fachkräftemangel und um den ländlichen Raum. Das Forum.KOMMUNAL, das im vergangenen Jahr in Niedersachsen Premiere feierte, findet an diesen beiden Tagen dort statt. Das Programm steht, die Vorfreude ist groß, die Oberbürgermeisterin ist natürlich mit Grußworten vertreten, die Stadt hat vieles über sich und die Attraktionven zu erzählen. Alle Informationen dazu finden Sie unter www.forum-kommunal.de
Dort können Sie sich auch die begehrten Karten für die Veranstaltung inklusive einem festlichen Abendprogramm sichern.
Friedensstadt Augsburg
Einige Wochen später dann, am 8. August, wird der Rathausplatz in Augsburg dann schon wieder feierlich eingedeckt. Lange Tafeln stehen auf dem wichtigsten Platz der alten Reichsstadt. Die Menschen haben Essen mitgebracht, teilen miteinander, kommen ins Gespräch. In der Metropole Bayerisch Schwabens wird dann das “Hohe Friedensfest” gefeiert. Ein gesetzlicher Feiertag, den es nur in Augsburg gibt, der an das Ende des Dreißigjährigen Kriegs 1648 erinnert und die Stadt ganz nebenbei zum Ort mit den meisten Feiertagen Deutschlands macht.
Und wenn sich die Menschen auf dem Rathausplatz versammeln, ist auch Oberbürgermeisterin Eva Weber dabei. „Augsburg ist eine Friedensstadt”, sagt Weber, die in der 2.000-jährigen Geschichte der einst von den Römern gegründeten Stadt die erste Frau auf dem Chefsessel des Rathauses ist. „Früher war das Friedensfest ein evangelischer Feiertag, bei dem die Protestanten das Ende ihrer Unterdrückung feierten – seit 1984 wird es von beiden Konfessionen begangen, und in den letzten gut 20 Jahren feiern wir es interkulturell.”
Zugewanderte Menschen
Denn fast 50 Prozent der Augsburger haben eine Zuwanderungsgeschichte: Manche sind erst durch den Krieg in der Ukraine in die Stadt gekommen, andere leben seit mehreren Generationen in der Stadt. „Das friedliche Zusammenleben der Menschen aller Religionen und Kulturen ist für uns ein wichtiges Thema”, sagt Weber. „Wir haben zum Beispiel nach dem Terroranschlag der Hamas gegen Israel am 7. Oktober gemerkt, dass in Augsburg wie auch in anderen Städten das Thema Antisemitismus wieder eine schwerwiegende Bedeutung bekommen hat.”
Interreligiöses Friedensgebet
Was eine Oberbürgermeisterin in solch einer Situation macht? „Mir war es wichtig, sehr schnell den Kontakt zu den unterschiedlichen Communities zu suchen”, sagt Weber. Einerseits zur israelitischen Kultusgemeinde, also der jüdischen Gemeinde Augsburgs, um gemeinsam zu überlegen, wo Unterstützung notwendig ist. Aber auch zum Runden Tisch der islamischen Verbände. „Wir haben dann auch noch weitere Vertreterinnen und Vertreter islamischer Gruppierungen an den Tisch geholt, um auch mit denen darüber zu sprechen, welche Botschaften gerade in deren Gemeinden unterwegs sind.” Für Weber war das ein Rezept dafür, dass die Lage in Augsburg nie so eskalierte, wie in Berlin oder anderen Großstädten. „Wir haben immer versucht, keine Sprachlosigkeit aufkommen zu lassen”, sagt Weber. Kurz vor Weihnachten gab es dann ein interreligiöses Friedensgebet, an dem islamische Vertreter mit der jüdischen Gemeinde, den Vertretern der christlichen Kirchen und des Buddhismus mitwirkten. „Ich weiß aus vielen anderen Städten, dass so etwas dort nicht mehr möglich ist und da einfach auch ganz viel kaputtgegangen ist.”
Fast 50 Prozent der Augsburger und Augsburgerinnen haben eine Zuwanderungsgeschichte."
Auch am Verwaltungsgebäude der Stadt hängt seitdem ein großes Transparent: „Nie wieder ist jetzt!“, das Teil einer städtischen Kampagne unter dem Motto „Wir alle sind Augsburg” ist. Nicht nur wegen des Nahostkonflikts, sondern auch, weil auch in Augsburg und seinem Umland immer mehr Menschen für rechtsradikale Parolen anfällig geworden sind. „Bei vielen Menschen ist das Vertrauen in die Politik verloren gegangen”, beobachtet die Oberbürgermeisterin. Sie selbst sei dabei „am Ende der Nahrungskette”: Als Kommunalpolitikerin müsse sie umsetzen, was das Land oder der Bund vorgeben. Die eigene Entscheidungsmacht sei eingeschränkt. „Aber aus Sicht der Augsburgerinnen und Augsburger bin ich eine von denen da oben”, sagt Weber. „Sie unterscheiden nicht, ob in Berlin oder München ein Gesetz gemacht wurde, oder ob eine Entscheidung hier in Augsburg getroffen wurde.” Wenn Menschen keinen Kinderbetreuungsplatz bekommen, sei daran nicht der Bund schuld, der einmal einen „blumigen Ganztagsanspruch“ versprochen hat. „Schuld hat die Oberbürgermeisterin, die es nicht gebacken kriegt, dass da ein Kindergarten entsteht.”
Für Bürgerinnen und Bürger ansprechbar sein
Welches Rezept Eva Weber in solchen Situationen hat? „Wir müssen wieder viel mehr erklären, warum etwas funktioniert und warum etwas nicht funktioniert”, sagt Weber. „Das verkraften die Menschen dann auch – aber dazu müssen sie es vorher verstanden haben, auch weil man ehrlich zu ihnen war.” Für die Oberbürgermeisterin ist es deswegen wichtig, ansprechbar zu sein: Bei Bürgersprechstunden, bei Bürgerversammlungen – die in Augsburg viermal im Jahr stattfinden – und auch im Internet, wo noch in diesem Jahr eine digitale Bürgerbeteiligungsplattform entstehen soll. „Wir wollen auch Bürgerinnen und Bürgern, die nicht die Möglichkeit haben, irgendwo hinzugehen, weil sie Kinder haben, oder pflegebedürftige Eltern versorgen, die Möglichkeit geben, sich an den städtischen Themen zu beteiligen.” Selbst vor dem sozialen Netzwerk TikTok schreckt Weber nicht zurück: In Kürze will sie dort mit einem eigenen Account an den Start gehen. „Ich werde keine Tanzvideos machen, aber ich will TikTok auch nicht den Rechtspopulisten überlassen”, sagt sie.
Ich werde keine Tanzvideos machen, aber ich will TikTok auch nicht den Rechtspopulisten überlassen."
Klimaschutz ganzheitlich denken
Ein wichtiges Thema ist der Oberbürgermeisterin auch der Klimawandel. „In Augsburg haben wir ein relativ umfangreiches Klimaschutzprogramm aufgelegt”, sagt Weber. Der Stadtrat hat so einiges beschlossen, um das für die Stadt Augsburg berechnete CO₂-Restbudget so gut wie möglich einzuhalten. Man wolle mehr Menschen für den Umstieg auf den ÖPNV begeistern, städtische Gebäude mit Solardächern versehen und Bebauungspläne resilienter gestalten. Und Unternehmen engagieren sich im Klimapakt der Augsburger Wirtschaft. Dabei ist Weber wichtig, dass man Klimaschutz ganzheitlich denkt: Ökologisch und ökonomisch.
Wie die Bürger darauf reagieren? „Für die einen ist es zu wenig, für die anderen ist es zu viel”, sagt Weber. „Und da dazwischen bewegt sich die Welt.” Natürlich gebe es Kritik, etwa an den Preisen des ÖPNV. Aber schon heute zahle die öffentliche Hand die Hälfte aller Ticketkosten. Und Energie- und Personalkosten stiegen weiter an. „Deswegen können wir uns einen kostenlosen ÖPNV, wie ihn manche fordern, nicht leisten – und müssen doch auch dafür sorgen, dass nicht jeder Einkauf beim Bäcker um die Ecke mit dem Auto erledigt wird.” Generell vermisst die Oberbürgermeisterin ein Bewusstsein für das Thema: „In der Pandemie, da war eine ganz konkrete Bedrohungslage da, und man wusste, wenn es richtig schiefläuft, kann das jetzt böse enden”, sagt Weber. „Beim Klimawandel ist es halt so, dass man den noch nicht jeden Tag spürt – deswegen werden seine Gefahren vernachlässigt.”
Vater von Eva Weber war Landtagsabgeordneter
Weber ist als Tochter eines Landtagsabgeordneten auf einem Bauernhof im Allgäu aufgewachsen, kam erst zum Studium nach Augsburg. „Mein Vater war 30 Jahre Landtagsabgeordneter, ist elf Jahre Staatssekretär gewesen - das war für mich als Kind sehr prägend”, sagt Weber. „Aber wenn mich jemand gefragt hat, was ich beruflich machen will, habe ich immer gesagt: Nahe dran an der Politik, aber in der zweiten Reihe.” Als Staatssekretär hatte ihr Vater einen persönlichen Referenten. „Ich habe immer gesagt: Ich möchte mal der Bodensteiner – so hieß der Referent – werden.” So wurde es dann auch: Ihre Karriere bei der Stadt Augsburg begann die Juristin als rechte Hand des Wirtschaftsreferenten. Doch als der erkrankte, übernahm sie den Posten und trat auf Bitten des Oberbürgermeisters zur Kommunalwahl an. 2014 erhielt sie nach dem damaligen Oberbürgermeister die zweitmeisten Stimmen. „Als der dann 2019 sagte, er stehe für eine dritte Amtszeit nicht zur Verfügung und ob ich mir vorstellen könne, meinen Hut in den Ring zu werfen, musste ich schon noch etwas überlegen”, sagt Weber. „Aber dann habe ich die Herausforderung angenommen.”
Die Oberbürgermeisterin und die Familie
Schon als Kind erlebte Weber auch die Probleme des Politikerdaseins. Ihr Vater war oft unterwegs, hatte wenig Zeit für die Familie. Selbst zur Abiturfeier kam er nur kurz vorbei. Was sie heute anders macht? „Ich glaube, ein großer Unterschied ist, dass ich keine Kinder habe – nicht wegen des Jobs, sondern weil ich aus medizinischen Gründen keine Kinder kriegen kann”, sagt Weber. „Ich glaube, das entspannt schon vieles – ich weiß nicht, ob ich Oberbürgermeisterin wäre, wenn ich Kinder hätte und ob ich das für mich selbst gewollt hätte.” Klar sei: Ihr Ehemann müsse viel aushalten. „Es ist schon so, dass man selten zu Hause ist und wenn man zu Hause ist, trotzdem permanent am Telefon und vor den E-Mails hängt”, sagt Weber. „Oder dass man permanent redet, weil man seine Gedanken auch ordnen muss und mal mit jemandem reden muss, der weiter weg ist.” Hier sei auch Resilienz beim Partner gefragt. „Es kann immer passieren, dass man eine halbe Stunde in der Stadt aufgehalten wird und mit jemandem darüber diskutiert, ob der Umbau des Theaters eine gute Idee war – statt den notwendigen Wochenendeinkauf zu erledigen.” Weber schafft sich deswegen bewusst Freiräume, auch wenn sie immer im Dienst ist, so verbringe sie Tage mit Nichten, Neffen und Patenkindern. Denn es sei wichtig, manchmal auch eine Pause zu machen, oder abzuschalten, um die Gedanken zu ordnen und neue Ideen zu entwickeln.
Politik nur ein Amt auf Zeit
Was eine gute Oberbürgermeisterin aus Sicht von Eva Weber tun muss? “Die wichtigste Eigenschaft, die man als jemand, der Politik machen will, haben muss, ist eine große Menschenliebe”, sagt Weber. „Und zwar in guten wie in schlechten Zeiten.” Aus ihrer Sicht gebe es nichts Schlimmeres, als Menschen, die immer nur darauf hinarbeiteten, ein politisches Amt zu bekommen. „Man sollte unbedingt in seinem Leben mal was anderes gemacht haben als Politik, so spannend es auch ist”, sagt Weber. „Und vor allem muss man immer wissen, dass Politik ein Amt auf Zeit ist – und man darf sich niemals in die Abhängigkeit begeben, zu glauben, dass die Politik das Einzige im Leben ist, was zählt.”