Porträt
Bayerns dienstältester Bürgermeister
Als Friedolin Link ins Amt kam, war das Rathaus der 700-Einwohner-Gemeinde Hausen in der bayerischen Rhön baufällig. Im Sitzungsraum der Gemeinderäte habe man aufpassen müssen, wo man hintritt: Man wäre sonst durch die Decke ins Bürgermeisterbüro durchgebrochen. Und auch ansonsten sei die Gemeinde in keinem guten Zustand gewesen: Die Straßen hatten Schlaglöcher, das Freibad war ein verschlammtes Wasserloch, an der Kirche bröckelte der Putz. Das war 1984. Heute, vier Jahrzehnte später, macht das kleine Dorf einen guten Eindruck. Die Straßen sind gepflegt. Statt des Freibades am Ortsrand gibt es einen Dorfteich mit einer kleinen Bühne. Sanierungsbedürfig ist kaum noch etwas. Und an der Wand des Amtszimmers von Friedolin Link hängt eine Urkunde, die den dienstältesten bayerischen Bürgermeister nach 40 Jahren im Amt zum Ehrenbürger von Hausen ernennt.
Bürgermeister Link immer wiedergewählt
Wie hat es Friedolin Link geschafft, alle sechs Jahre wiedergewählt zu werden? „Ich hatte immer ein gutes Verhältnis zur Bevölkerung“, sagt Link. „Ich habe die Anliegen verstanden, die Bürger und Bürgerinnen haben, gesehen: Was machbar war, wurde gemacht.“ Manchmal muss man da auch als Bürgermeister kreativ sein. Zum Beispiel, als es um die Gaststätten ging: In Hausen gab es früher zwei Wirtshäuser. Beide wurden geschlossen: Die Wirte gingen in Rente und fanden keine Nachfolger. Dass es in Hausen trotzdem noch einen Stammtisch gibt, liegt auch an Friedolin Link: Zusammen mit den Stammtischbrüdern richtete er einen Raum im Vereinsheim, der alten Schule direkt an der Dorfkirche, für einen Stammtisch her: Es gibt einen Tresen mit einer Zapfanlage, Tische und Stühle – und einmal in der Woche treffen sich nun alle, die möchten, zum Meinungsaustausch und zum Unterhalten.
„Wir haben in Hausen nur noch eine Bäckerei – die macht die besten Brötchen weit und breit und ist auch ein Nahversorger für den Ort“, erzählt der Bürgermeister. Nur im Ortsteil Roth gibt es noch ein Gasthaus, dazu ein paar außerhalb gelegene Ausflugsgaststätten für Wanderer und ein großes Ferienhotel. „Darüber sind wir traurig, denn ein Wirtshaus ist ein wichtiger Ort für den Austausch im Ort.“
Seit einigen Jahren hat man in Hausen die Parteigrenzen hinter sich gelassen. Alle Kandidaten für den Gemeinderat treten auf zwei Listen an – eine für den Ortsteil Hausen und eine für den Ortsteil Roth. „Wir haben ja nur acht Gemeinderäte“, sagte Link. „Da macht die Bildung von Fraktionen keinen Sinn.“ Vielmehr funktioniere die kommunale Politik nur, „wenn man sich zusammensetzt, die richtigen Argumente hat und Überzeugungsarbeit leistet.“ Wichtig sei nur, dass beide Ortsteile im Gemeinderat vertreten seien.
Viel Geld für die Gemeinde geholt
Der seiner Ansicht wichtigste Erfolg des Bürgermeisters kam aber schon zwei Jahre nach seinem Amtsantritt: Hausen wurde damals in das bayerische Dorferneuerungsprogramm aufgenommen. Immer wieder gelang es, Fördergelder für das Dorf zu organisieren. Das Rathaus wurde aus diesen Mitteln saniert, auch die Fassade der katholischen Kirche und das Feuerwehrgerätehaus. Link gründete gemeinsam mit anderen Kommunen einen Wasserzweckverband. „Wir haben damals für 50 Millionen D-Mark neue Wasserleitungen verlegt, und eine neue zeitgemäße Kläranlage installiert“, sagt Link. „Davon profitieren wir noch heute.“ Denn heute wären solche Maßnahmen nicht mehr möglich: Die Zeiten, in denen sich Gemeinden über großzügige Förderungen freuen konnten, sind vorbei, beobachtet Link. Ob es überhaupt Fördergelder gibt, hänge auch vom Auftreten einer Gemeinde ab. „Man muss ehrgeizig sein, man muss nach München fahren, muss sehen, dass man Gelder bekommt“, sagt Link. „Hier bei uns in Hausen sagen manche Leute mittlerweile: Der Link war in München im Finanzministerium, den haben sie vorne rausgeschmissen, da ist er hinten wieder reingegangen und hat noch mehr Geld für Hausen rausgeholt.“
Geld geholt hat Link auch 1989: Denn da war es Aufgabe der Gemeinden, nach dem Mauerfall das Begrüßungsgeld an die Ostdeutschen auszuzahlen. „Ich bin zur Sparkasse gegangen und habe 120.000 oder 130.000 D-Mark in bar abgehoben“, erinnert sich Link. Etwas mulmig war ihm schon, als er mit dem Koffer durch die Gegend lief, gesteht er. „Aber man hat ja nicht gesehen, was da drin war.“
Elektronische Schreibmaschine steht noch im Büro
Hausens Bürgermeister hat eine Ausbildung für den nichttechnischen Verwaltungsdienst. „Das war schon eine gute Vorbereitung auf das, was dann kam“, sagt Link. Denn das Schreiben von Anträgen wurde im Laufe der Zeit immer aufwendiger. Immer detailliertere Angaben wollte die Landesregierung in München haben, bevor Geld nach Hausen floss. Vieles andere hat sich in den vergangenen Jahrzehnten geändert: „Als das Telefon noch eine Wählscheibe hatte, war die Welt viel ruhiger“, sagt der 75-Jährige. „Im Computerzeitalter ist alles viel hektischer geworden.“ Damals habe es noch mehr Miteinander gegeben. „Aber man muss sich den neuen Zeiten anpassen.“ Die elektronische Schreibmaschine, die immer noch - abgedeckt - im Büro des Bürgermeisters steht, ist seit 15 Jahren nicht mehr benutzt worden. Natürlich arbeitet Friedolin Link mit dem PC.
Er ist stolz darauf, dass auch sein Dorf demnächst an das Glasfasernetz angeschlossen wird. „Wir hatten früher ein Neubaugebiet, wo wir junge Familien angesiedelt haben“, berichtet Link. Heute gehe es ihm eher darum, die Grundstücke im Dorfkern für Neuansiedler zu nutzen. Oft kaufe die Gemeinde alte Hofstellen, die zu dicht und zu eng bebaut sind, um attraktiv zu sein, etwa von Erbengemeinschaften. Sie reißt alte Gebäude ab und verkauft die Grundstücke dann an Familien, die an einem Neubau interessiert sind. „Und wenn eine junge Familie zu uns kommt, kann sie 10.000 Euro Prämie von uns bekommen“, sagt Friedolin Link. Mit den künftigen Glasfaseranschlüssen könne man auch in Hausen Telearbeit machen. Dem dienstältesten Bürgermeister Bayerns und Ehrenbürger geht es darum, seine Gemeinde zukunftsfähig zu machen.