Bürgermeister  am Schreibtisch
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Anlaufstelle

Hilfe für Bürgermeister bei Belastungen

Der Druck auf die kommunalen Entscheidungsträger wächst - ein Landkreis reagiert damit mit einer Anlaufstelle, an die sich Bürgermeister wenden können. Mit der Hilfe eines Teams aus Psychologen sollen Wahlbeamte dort frühzeitig Hilfe erhalten.

So sehr sie ihr Amt vermutlich lieben - Bürgermeister und Bürgermeisterinnen sind täglich enormen Belastungen ausgesetzt. Nicht nur, dass sie die schwere Last der Verantwortung spüren, in den Gremien Mehrheiten für Entscheidungen organisieren müssen  - immer häufiger werden sie persönlich angefeindet. Drohbriefe, Beleidigungen gehören mittlerweile zum Alltag vieler kommunaler Spitzenkräften. Der Rems-Murr-Kreis in Baden-Württemberg bietet in Not geratenen Betroffenen nun eine Anlaufstelle, bei der sie sich Hilfe holen können. Und das nicht erst, wenn sie schon fast nicht mehr können.

Bürgermeister bei psychischen Belastungen unterstützen

Der Druck auf die Entscheidungsträger der Verwaltung nimmt immer mehr zu, was dazu führen kann, dass sie sich irgendwann ausgebrannt fühlen. "Bürgermeister stehen sieben Tage in der Woche, rund um die Uhr, im Rampenlicht und in der Öffentlichkeit. Es werden hohe Anforderungen an die Person und seine Kondition gestellt" sagt Landrat Richard Sigel.  "Wir dürfen und wollen unsere Rathauschefs nicht mit psychisch belastenden Situationen alleine lassen." Daher sei die Anlaufstelle für kommunale Wahlbeamten ein persönliches Anliegen von ihm.

Suizid eines Rathaushauschefs

Anlass für das Unterstützungsangebots auf anonymer Basis  war der Suizid eines Bürgermeisters im Rems-Murr-Kreis im Juni vergangenen Jahres. Einen Monat vor seinem Freitod hatte der 57 Jahre alte Kommunalpolitiker in der Öffentlichkeit über seine "mentale Überlastung" gesprochen.  Der erfahrene Bürgermeister, der mehrmals in seinem Amt bestätigt worden war, teilte damals mit, er wolle aus seiner Verfassung kein Tabu machen.

"Dieses dramatische Ereignis  hat uns zu dieser Thematik einmal mehr wachgerüttelt", sagt die Sprecherin des Landratsamtes, Leonie Graf zu KOMMUNAL."Es war Anlass für Landrat Dr. Sigel, die Idee zur Schaffung eines anonymen Angebots für kommunale Wahlbeamte schnell und unbürokratisch umzusetzen." Im September vorigen Jahres habe der Landkreis den Bürgermeisterinnen und Bürgermeistern per Brief mitgeteilt, dass über die Anlaufstelle niedrigschwellig Hilfe in Anspruch nehmen könnten.

Landkreis finanziert Anlaufstelle

Bürgermeister sollen so bei Belastungen, Konflikten und Schwierigkeiten am Arbeitsplatz unterstützt werden – aber auch bei Problemen im persönlichen Bereich, die das körperliche oder psychische Wohlbefinden am Arbeitsplatz beeinträchtigen. Finanziert wird das Angebot über den Kreishaushalt. Den Ort, an dem die Termine stattfinden, vereinbaren die  Betroffenen  und die Unterstützer. Auf die Räume des Landratsamts kann hierbei aber stets zurückgegriffen werden. Die Personalentwicklung des Landratsamts sei nicht in den Prozess involviert und die Anonymität der jeweiligen Personen kann gewahrt werden.

Bürgermeister angefeindet

Wie eine Forsa-Umfrage von KOMMUNAL zusammen mit dem ARD-Magazin "report München" unter mehr als 1600 Mandatsträgern in Deutschland voriges Jahr ergeben hat, haben bereits  72 Prozent  der Bürgermeister persönlich Beschimpfungen, Beleidigungen, Bedrohungen oder tätliche Angriffe erlebt. Besonders deutlich hat das Problem in kleineren Gemeinden zugenommen, die zuvor weniger betroffen waren als Großstädte. Viele kandidieren deshalb nicht mehr, manche geben ihr Amt  daher sogar vorzeitig ab. Die zunehmende Arbeitsbelastung führt außerdem dazu, dass viele Bürgermeister nicht mehr abschalten können. Sie sind quasi immer im Dienst.