Handlungsempfehlungen der Juristen
Die Gemeinderatssitzung in Zeiten von Corona
Die Gemeinderatssitzung war und ist Dreh- und Angelpunkt für Entscheidungen in der Kommune. Und auch in Zeiten der Corona-Krise sind sich alle Juristen einig: Die Handlungsfähigkeit der Gemeindeorgane ist gerade in solchen Krisenzeiten sicherzustellen. Auf diesen Grundsatz pochen alle, die mit dem Thema zu tun haben. Denn, so schreibt es etwa das Innenministerium in Brandenburg in seinen Empfehlungen: "Es kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass bei der Nachprüfung von Verwaltungsentscheidungen durch Gerichte oder andere Stellen in einigen Jahren ein mit der Corona-Lage begründetes Übergehen von Vorschriften der Kommunalverfassung als umbeachtlich angesehen werden kann." Das sind klare Worte. Und trotzdem scheiden sich hier die Geister - denn nicht umsonst heißt es bei den Juristen "es kann nicht davon ausgegangen werden"... in Thüringen etwa sieht das Innenministerium das etwas anders und tendiert zu "Eilentscheidungen" ohne Einbindung der Gemeinderäte. Wörtlich heißt es aus dem Innenministerium in Thüringen in einem Schreiben: "Liegen die Voraussetzungen für das Eilgeschäft bei objektiver Sichtweise vor, so kann der Bürgermeister uneingeschränkt jede Entscheidung für die Gemeinde treffen, für die sonst der Gemeinderat oder ein beschließender Ausschuss zuständig ist. Eine Genehmigung der Eilentscheidung durch den Gemeinderat oder den beschließenden Ausschuss ist nicht erforderlich. Der Bürgermeister ist lediglich verpflichtet, den Gemeinderat in der nächsten Sitzung über die Entscheidung zu informieren." Ende des Zitats. Juristen sagen: Damit setzen sie sich der Gefahr aus, das Beschlüsse später wieder kassiert werden - mit entsprechend unvorhersehbaren Rechtsfolgen.
Die Befugnisse sind auf drei Säulen verteilt - nur eine davon ist die Gemeinderatssitzung!
Doch was tun, wenn die klassische Gemeinderatssitzung physisch eigentlich nicht stattfinden sollte? Da die Kommunalverfassungen Ländersache sind, sich zwar im Grundsatz ähneln, aber im Details eben doch unterscheiden, erklären wir das Vorgehen hier immer Anhand der Kommunalverfassung in Brandenburg. Denn hier hat das Innenministerium bereits eine erste rechtliche Bewertung abgegeben. Der Städte- und Gemeindebund Brandenburg hat den Kommunen mit dem Innenministerium abgestimmte Empfehlungen gemacht. Das Originaldokument, aus das wir uns beziehen, finden Sie am Ende dieses Textes.
Im Grundsatz gibt es vor allem drei Organe, die für die Gemeinde Sachentscheidungen treffen. Da wäre zunächst der Bürgermeister oder Amtsdirektor. Zweite Säule ist dann die Gemeindevertretung, der Stadtrat, die Stadtverordnetenversammlung oder der Amtsausschuss und die dritte Säule stellt der Hauptausschuss. Letztere hat in verschiedenen Bundesländern sehr unterschiedliche Befugnisse. In Brandenburg etwa ist der Hauptausschuss in amtsangehörigen Gemeinden kein Pflichtorgan. In anderen Bundesländern ist die Entscheidungsbefugnis des Hauptausschusses deutlich höher, als anderswo.
Allen gemein ist: Hinsichtlich des Hauptverwaltungsbeamten empfehlen die Juristen zu prüfen, ob neben dem allgemeinen Vertreter die für die jeweilige Gemeinde mögliche Zahl der weiteren Stellvertreter ausgeschöpft wurde. Das kann wichtig werden, wenn etwa der Hauptverwaltungsbeamte erkrankt.
Empfehlungen der Juristen für die Gemeinderatssitzung
So lange möglich soll die Entscheidungsfähigkeit der unmittelbar vom Volk gewählten Vertretungskörperschaften laut Verfassung aufrecht erhalten bleiben. Dafür sind zunächst konkret folgende Punkte zu prüfen:
1. Die Wahl des Sitzungsraums
In Zeiten der Corona-Krise müssen Kommunen unbedingt die Empfehlungen für Zusammenkünfte des Robert-Koch Instituts beachten. KOMMUNAL hatte bereits über gute Beispiele berichtet, wie Sitzungen etwa in große Sporthallen oder Säle verlagert wurden. So kann der Mindestabstand zwischen zwei Gemeindevertretern von zwei Metern eingehalten werden.
Wichtig: Mögliche Infektionsgefahren sind kein von den Kommunalverfassungen vorgesehener Grund, die Öffentlichkeit auszuschließen. In Hinblick auf die einzuhaltenden Mindestabstände ist es aber möglich, die Teilnehmerzahl entsprechend zu begrenzen.
2. Erforderlichkeit der Befassung
Auf die Tagesordnung müssen nur solche Themen gesetzt werden, die unbedingt zu treffen sind, also keinen Aufschub verlangen. Dadurch kann die Tagesordnung erheblich verkürzt und somit die Sitzungsdauer massiv reduziert werden. Die Gemeindevertretung muss auch nur mit den Themen befasst werden, die sie nicht auf andere Organe der Gemeinde übertragen darf. Nicht selten werden (oft aus Transparenzgründen auch von der Verwaltung gewünscht) Themen auf die Tagesordnung gesetzt, die theoretisch in der Entscheidungsbefugnis der Verwaltung liegen (vor allem sehr viele verwaltungsorganisatorische Angelegenheiten). Eine Öffnungsklausel, die etwa die Gemeindevertretung ermächtigen würde, die Aufgaben an den Hauptausschuss oder an den Bürgermeister zu übertragen, sieht die Kommunalverfassung nicht vor. Ein konkretes Beispiel: Der Haushalt/die Haushaltssatzung muss zwingend in einer Gemeinderatssitzung beschlossen werden.
die Kommunalverfassungen sehen bisher keine Beschlüsse im Umlaufverfahren und somit auch nicht per Video oder Telefon vor."
3. Beschlussfähigkeit
Sei es krankheitsbedingt oder aus Gründen der Vorsicht: Es steht zu befürchten, dass die gesetzliche Mindestzahl der anwesenden Gemeinderatsmitglieder bei Gemeinderatssitzungen, die in diesen Tagen einberufen werden, nicht gegeben ist. In den meisten Kommunalverfassungen (teils auch in den Satzungen der Organe selbst) führt das nicht automatisch zur Beschlussunfähigkeit. Schauen Sie nach, ob in Ihrer Kommunalverfassung die Voraussetzung für die Beschlussunfähigkeit nicht ist, dass ein Mitglied in der Gemeinderatssitzung den Antrag auf Feststellung der Beschlussunfähigkeit erst stellen muss. Sind sich alle einig, muss dieser Antrag ja nicht gestellt werden. In Brandenburg etwa gilt, dieses Recht. Soll der Antrag erfolgreich sein, müssen weniger als ein Drittel der gesetzlichen Anzahl der Mitglieder der Gemeindevertreter (oder weniger als drei Mitglieder) anwesend sein. Die Hürden sind also höher, als häufig gedacht.
So können Sie als verkleinerte Gemeinderatssitzung tagen
Rechtlich gibt es zwar hier keinen wirklichen Hebel, wohl aber die Möglichkeit der Verständigung. In vielen Gemeindeparlamenten wird versucht, mit einer deutlich geringeren Zahl an Teilnehmern in der Gemeinderatssitzung abzustimmen. Das wird einfach, wenn bei Beschlussfassungen darauf geachtet wird, dass insgesamt der Spiegelbildlichkeitsgrundsatz gewahrt bleibt. Das heißt konkret: Von jeder politischen Gruppierung stimmen nur so viele ab, wie ihr Anteil an der Gesamtzahl ist.
Beispiel: Ein Gemeinderat hat 21 Mitglieder. Gruppierung A hat 9 Sitze, Gruppierung B hat 6 Sitze, die Gruppierungen C und D jeweils 3 Sitze. Nun nimmt nur jeder Dritte an der Gemeinderatssitzung teil, also 7 Personen. Dann schickt Gruppierung A 3 Mitglieder, Gruppierung B 2 Mitglieder und die Gruppierungen C und D jeweils ein Mitglied. Die Mehrheitsverhältnisse bleiben also gewahrt. Eine ähnliche Aufteilung hat zumeist der Hauptausschuss oder auch die freiwilligen Ausschüsse.
Allerdings: Einen Anspruch auf ein solches Verfahren gibt es nicht!
Ist eine Gemeinderatssitzung per Video oder Telefon möglich?
Leider nein, die Kommunalverfassungen sehen bisher keine Beschlüsse im Umlaufverfahren und somit auch nicht per Video oder Telefon vor. Angesichts der Corona-Krise haben aber bereits mehrere Landesverbände des Städte und Gemeindebundes in ihren jeweiligen Bundesländern die Schaffung einer solchen Regelung angeregt. Gut möglich also, dass diese Möglichkeit bald kommt.
HIER FINDEN SIE DIE HANDREICHUNG des Städte und Gemeindebundes Brandenburg mit den mit dem Innenministerium abgestimmten Empfehlungen als pdf-Dokument: