Donauwörth Blick auf die bayerische Stadt
Donauwörth statt München: Wenn die Menschen mehr von Zuhause arbeiten, rücken solche Städte mehr in den Focus.
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Studie der TU München

Homeoffice: Wo Kommunen Zuzug erwarten

Corona verändert unser Arbeitsleben - über die Pandemie hinaus. Eine Studie hat jetzt untersucht, welche Auswirkungen mehr Homeoffice auf die Stadt und ihr Umland haben. Alain Thierstein, Professor für Raumentwicklung an der Technischen Universität München (TUM), erläutert für KOMMUNAL, was Kommunen tun können und sollten.

Kaum einer geht mehr davon aus, dass unser Leben nach der Corona-Pandemie so sein wird wie zuvor. "Ein schlauer Arbeitgeber wird, wenn es die Art der Tätigkeit erlaubt, seinen Mitarbeitern künftig ermöglichen, mehr von daheim zu arbeiten", sagt Alain Thierstein. Menschen, die nicht mehr oder seltener an den Arbeitsplatz pendeln, könnten ihr Zuhause mit Homeoffice an einen Ort verlegen, der besser zu ihren veränderten Anforderungen passt. Für viele spielt dabei auch der Wunsch nach mehr Wohnfläche zu bezahlbaren Preisen eine Rolle.

Kommunen und neuer Wohnraum - Chancen durch mehr Homeoffice

Der Professor für Raumentwicklung an der TU München wollte zusammen mit seinen zwei Forscherkollegen an der TUM,  Johannes Moser und Fabian Wenner, herausfinden, wie dieser absehbare Trend die Entwicklung der großen Städte und der kleineren Kommunen beeinflusst. Wie tief könnte sich die Nachfrage nach Wohnraum in die weitere Region verlagern? Welche Kommunen sind überhaupt noch in der Lage, neue Bewohner aufzunehmen?

Sie wählten für die Untersuchung die bayerische Landeshauptstadt mit ihren hohen Wohnpreisen und den Großraum München. "Das Ergebnis ist spannend und kann Kommunen Orientierung geben, was auf sie zukommen könnte und worauf sie sich einstellen sollten", sagt Thierstein. Deshalb erwägen die Forscher, die Untersuchungen auf andere Städte und Regionen auszudehnen.

Das ist die Basis der Studie zum Arbeiten von Zuhause

Wie gingen die Wissenschaftler vor?  "Wir entwickelten eine Modellvorstellung über die relevanten Aspekte für die Wahl von Wohnstandorten auf Gemeindeebene. Die dazu gehörigen Daten sind entweder öffentlich zugänglich oder wir haben sie wie im Fall der Erreichbarkeiten selbst berechnet", erläutert Professor Thierstein. "Davon haben wir ein Verzeichnis potenzieller zusätzlicher Nachfrage nach Wohnraum in jeder Gemeinde entwickelt." Die Berechnungen basieren auf der Annahme, dass künftig nur noch die Hälfte der Zeit im Büro gearbeitet wird und die andere Zeit zuhause.

Die Frage war: Welches Verlagerungspotenzial gibt es um München überhaupt? Können Kommunen "weiter draußen" von dem sich abzeichnenden Trend profitieren und kann es auch Verlierer geben? Dafür wurde ein Index der relevanten Standortwahlfaktoren entwickelt. Er berücksichtigt die Erreichbarkeit des Arbeitsplatzes mit dem Öffentlichen Nahverkehr und Individualverkehr, die Kosten fürs Wohnen, die Leistungsfähigkeit des Breitbandnetzes - und Standortkriterien wie die bestehende Nahversorgung  Ärztinnen und Ärzte und weiterführende Schulen und Kitas.

770 Kommunen rund um München auf ihr Zuzugs-Potenzial überprüft

Das Ergebnis ist eine Grafik mit 770 Kommunen rund um München, die das Potenzial für eine zusätzliche Wohnnachfrage zeigt - eingeteilt in hoch, mittel und gering. München selbst hat danach übrigens kein Potenzial für weiteren Zuzug. Der Platz ist verbaut, die Immobilien- und Mietpreise außerordentlich hoch. Wer eine große Wohnung sucht oder gar einen Garten haben möchte, wird sich wohl weiter draußen umsehen. Das Spannende war die Frage: Wie weit draußen und in welche geographische Richtung? Das Ergebnis:

Unsere Untersuchung hat ergeben, dass sogenannte zweite Städte wie Augsburg, Ingolstadt, Landshut und Rosenheim und die sie umgebenden Kommunen als Wohnstandorte attraktiv sind und noch viel Potenzial aufweisen."

Alain Thierstein, Professor für Raumentwicklung an der TU München

Hingegen gilt wie für München selbst auch für das südliche Umland, das ja Sehnsuchtsort für viele ist: Das Wohnen dort im Alpenvorland ist zu teuer und es fehlt an geeigneten Flächen für neuen Wohnraum, so der Wissenschaftler.

Südlich von München - zu teuer und wenig verfügbare Flächen

Es habe ihn überrascht, dass große Teile des Münchner Südens nur noch wenig Potenzial bieten, sagt Thierstein. Im Norden von München hingegen sieht es besser aus. So weist dort beispielsweise Dachau ein hohes Potenzial für zusätzliche Wohnungen auf. Sehr abgelegene Kommunen zeigen kaum Potenzial.

Thierstein Alain, Professor für Raumentwicklung TU München

Kommunen weiter weg sollen ihre Chance für mehr Zuzug nutzen

Sein Fazit: Städte und Gemeinde können überall da auf Zuzug hoffen, wo noch Platz ist, die Preise noch nicht ganz so hoch sind und die Infrastruktur stimmt. Also schnelles Internet, gute Verkehrsverbindungen,  Nahversorgung, medizinische Versorgung und Freizeitangebote.

"Es ist dabei auch enorm wichtig, dass Kommunen eine hohe Aufenthaltsqualität vor Ort bieten können", sagt Thierstein. Denn wenn die Menschen zu Hause arbeiten, werden sie statt in der Nähe des bisherigen Arbeitsplatzes in der Stadt mehr im eigenen Ort unternehmen, dort einkaufen, essen gehen oder Sport treiben.

Karte TUM Studie Working at home Umland

Das wissenschaftliche Arbeitspapier wurde am 2. Juni veröffentlicht: Moser, Johannes, Fabian Wenner, and Alain Thierstein (2021): The Corona pandemic and working from home. Where could residents in the Munich Metropolitan Region move? Working Paper, Chair of Urban Development, Technical University of Munich. Das  Working Paper  als pdf und weitere Informationen auf der Homepage des Lehrstuhls für Raumentwicklung, Fakultät  für Architektur, an der TU München.