Dr. Markus Söder © Astrid Schmidhuber/imago

Das Ende der Solidarität?

25. November 2014
Bayern hat das System des Länderfinanzausgleichs beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angefochten. Ein Schritt, der auf viele Beobachter kleinlich und egoistisch wirkt. Was verspricht man sich davon? Einfach nur Geld sparen? KOMMUNAL fragte Markus Söder, den Finanzminister des Freistaats.

Die jüngste Steuerschätzung hat viele überrascht. Bund, Länder und Kommunen müssen bis 2018 mit rund 21 Milliarden Euro weniger Einnahmen auskommen als bisher geplant. Vielen Kommunen wird dies schwer zusetzen; Experten und Politiker warnen davor, dass die Schere zwischen Arm und Reich in Deutschland immer weiter auseinanderklafft. Und dann ist da noch der Freistaat Bayern, der das bisherige System des Länderfinanzausgleichs vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe anficht. Warum? KOMMUNAL fragte Markus Söder, den Finanzminister des Freistaats. Herr Dr. Söder, warum steht Bayern für mehr Wettbewerb im Föderalismus zwischen den Ländern? Halten Sie eigene Hebesatzrechte der Länder zum Beispiel auf die Einkommensteuer für richtig? Markus Söder: Wir brauchen mehr Steuerautonomie für die Länder. Im Vergleich zu anderen Staaten wie den USA oder der Schweiz haben die Länder in der Bundesrepublik so gut wie keine eigenständigen steuerlichen Gestaltungsmöglichkeiten. Unterhalb der Bundesebene haben nur Städte und Gemeinden wesentliche Einflussmöglichkeiten auf die effektive Steuerbelastung ihrer Bürger und Unternehmen. Die Länder können gerade mal den Steuersatz bei der Grunderwerbsteuer selbst bestimmen. Bayern will substanzielle Gestaltungsspielräume bei den Steuern, um die Eigenstaatlichkeit der Länder zu stärken, zum Beispiel durch Zu- und Abschläge bei der Einkommensteuer. Wir würden Bayerns Bürger entlasten. Wir wollen einen Steuerwettbewerb der Länder. Bei der Gewerbesteuer funktionierte dieser Wettbewerb hervorragend. Warum nicht auch bei der Einkommensteuer, der Grundsteuer oder der Erbschaftsteuer? Bayern hat das System des Länderfinanzausgleichs beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe angefochten, was versprechen Sie sich von dieser Klage? Brauchen wir nicht vielmehr eine politische Entscheidung für die Neuordnung der Finanzbeziehungen? Der Länderfinanzausgleich ist in eine den bayerischen Bürgerinnen und Bürgern nicht mehr zu vermittelnde Schieflage geraten. Bayern musste im Jahr 2013 mit rund 4,3 Milliarden Euro bereits mehr als die Hälfte des Ausgleichsvolumens im Länderfinanzausgleich alleine stemmen. Im ersten Halbjahr 2014 stieg der bayerische Anteil sogar auf fast 60 Prozent an. Alles deutet darauf hin, dass sich der Trend nach oben ungebremst fortsetzt. Bald werden die bayerischen Zahlungen die Fünf-Milliarden-Euro-Grenze überschreiten. Eine permanente Überforderung der Zahlerländer schadet aber am Ende allen. Wir brauchen daher dringend eine grundlegende Reform. Die Zahlerländer müssen signifikant entlastet und die bayerischen Zahlungen effektiv gedeckelt werden. Der Bund könnte sich an den Kosten für die Bundeshauptstadt Berlin beteiligen. Denn die Finanzierung der Hauptstadtaufgaben ist nicht Sache der Länder. Außerdem müssen die Privilegien der Stadtstaaten gestrichen werden. Wir benötigen mehr Wettbewerb zwischen den Ländern. Leistung und gute Haushaltsführung müssen sich wieder loh-nen. Nach dem Motto „Aktivieren statt alimentieren“ müssen die Leistungsanreize im Länderfinanzausgleich deutlich ausgebaut werden. Parallel zu den laufenden Verhandlungen zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen hat Bayern gemeinsam mit Hessen beim Bundesverfassungsgericht eine Klage für einen gerechteren Länderfinanzausgleich eingereicht. Was unternimmt Bayern, um die Investitionskraft der Kommunen zu stärken und insbesondere die Breitbanderschließung des ländlichen Raums voranzutreiben? Der kommunale Finanzausgleich ist Klernelement zum Ausgleich von finanziellen Ungleichheiten in Bayern. 2014 haben wir die Schallmauer von acht Milliarden Euro durchbrochen. Mit rund 8,3 Mrd. Euro wird der kommunale Finanzausgleich im kommenden Jahr wieder eine neue Rekordsumme erreichen. Wir werden dabei wieder klare Signale zugunsten der Investitionstätigkeit der Kommunen setzen. Die Mittel für die Förderung des kommunalen Hochbaus sollen um 37,2 Mio. Euro auf 429,8 Mio. Euro und die Mittel für den kommunalen Straßenbau und -unterhalt sollen um 15 Mio. Euro auf 314,3 Mio. Euro erhöht werden. Der Ansatz für die Krankenhausfinanzierung wird auf dem hohen Niveau von 500 Mio. Euro fortgeführt. Die Investitionspauschale soll neuerlich angehoben werden, und zwar um 11 Mio. Euro auf 376 Mio. Euro. Für die Kommunen von großer Bedeutung: Die flächendeckende Versorgung des Freistaats mit Hochgeschwindigkeitsinternet – die Infrastruktur der Zukunft – unterstützen wir außerhalb des kommunalen Finanzausgleichs bis zum Jahr 2018 mit Zuschüssen von insgesamt bis zu 1,5 Milliarden Euro. Das ist bundesweit einzigartig, das größte kommunale Förderprogramm seit Jahrzehnten. Es bedeutet digitale Chancengleichheit für ganz Bayern, vor allem für den ländlichen Raum.