Stadttürme
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Stadtentwicklung

Mit Digitalisierung Regionen voranbringen

Fünf Kommunen bündeln ihr Engagement. Die Stadt Soest hat ihre Bürger in die Digitalisierungsstrategie eingebunden. Herausgekommen ist ein Strauß an spannenden Projekten – von der smarten Radwegbeleuchtung bis zur Ehrenamtsplattform. KOMMUNAL vor Ort im Sauerland.

Stephan Siegert kennt die Bandbreite der Bilder, die entstehen, wenn Menschen nach der Bedeutung des Begriffes „Smart City“ gefragt werden: „Manche stellen sich darunter so etwas wie die megamoderne Skyline von Dubai-City vor, andere assoziieren fliegende Taxis oder befürchten an jedem Haus Überwachungskameras und so eine Art BigBrother-Gesellschaft. Eine Beobachtung, aus der wir erst einmal geschlossen haben: Jedes Konzept bleibt für den Bürger bedeutungslos, wenn es nicht anhand von echten Beispielen konkretisiert wird.“

Digitalisierung voranbringen

Tatsächlich ist der Begriff „Smart City“ ein Sammelname für alle möglichen Innovationen, die in allen Bereichen des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens geeignet sein könnten, den Alltag für alle Bevölkerungsschichten nachhaltiger, effizienter, ökologischer und sozialer zu gestalten. Befördert wird dieser Prozess seit 2019 vom Bundesinnenministerium. Mit den „Smart Cities Modellprojekten“ will der Bund in zehn Jahren die Digitalisierung in deutschen Kommunen maßgeblich voranbringen. Dafür fließen innerhalb von 10 Jahren insgesamt 750 Millionen Euro KfW-Fördergelder an Modellstädte oder auch Modellregionen.

Zu den ausgewählten Modellregionen zählte in der ersten Staffel 2019 auch die westfälische Kleinstadt Soest, zusammen mit den südwestfälischen Städten Arnsberg, Bad Berleburg, Menden und Olpe. Insgesamt erhielt die Stadt Soest 3,3 Millionen Euro zur Förderung kommunaler Zukunftskonzepte und damit in Verbindung stehenden Projekten.

Unter dem Motto „5 für Südwestfalen: digital – nachhaltig – authentisch“ ging es zunächst um das Formulieren eines Gesamtkonzeptes, innerhalb dessen jede Kommune einen anderen Schwerpunkt setzte.

Als Region denken und handeln

Stephan Siegert hat als Projektmanager diese regionale Zusammenarbeit vom ersten Augenblick begrüßt: „Es bringt ja nichts, wenn der digitale Wandel und eine nachhaltige, klimaneutrale Stadtentwicklung an den Grenzen einer Kommune halt machen. All das sind Gemeinschaftsaufgaben in einer Region und deshalb ist es sinnvoll, sie in einer Region auch gemeinsam weiter zu denken.“ Und er fügt an: „Wenn es um Konzepte für Smart-City-Entwicklungen geht, dann sind wir sowieso alle keine Lehrer, sondern sitzen gemeinsam auf der Schulbank. Allerdings macht das Lernen in unserem interdisziplinären, breit aufgestellten Team eine Menge Spaß.“ Zudem ist als Koordinationspartner die Südwestfalen Agentur GmbH mit im Boot plus einiger flankierender Gremien: ein politischer Ausschuss „Innovation und digitaler Wandel“, eine Lenkungsgruppe und ein Experten-Beirat als Impulsgeber. „Eine bunte Packung Smarties“, nennt der Manager die Zusammensetzung des Teams. Der 34-Jährige ist selbst fachfremd – und sieht das als Vorteil: Als Kultur- und Medienwissenschaftler mit einer Weiterbildung zum Fachreferenten Kulturmarketing kennt er sich bestens mit Beteiligungsprozessen aus. Und Beteiligung – nämlich der Bürgerinnen und Bürger – wird im Projekt „Soest Digital“ ganz großgeschrieben.

Bürgerbeteiligung hybrid

In diesem Bereich machte allerdings die Corona-Pandemie frühzeitig einen Strich durch sämtliche Planungen. „Wir waren durch das Nichtzustandekommen von Präsenzveranstaltungen gezwungen, uns hybride Formen der Bürgerbeteiligung auszudenken. Damals war das für uns als Kommune ein brandneues Vorgehen.“  Dennoch sind wir im Nachhinein mit der Bürgerbeteiligung hoch zufrieden.“ Phase A des Projektes – die Entwicklung kommunaler Ziele, Strategien und Investitionen – ist seit Oktober 2021 beendet. In den beiden vorangegangen Jahren initiierte das Team sechs Veranstaltungen vor Ort sowie sechs online-Kampagnen. Über 500 Soester Bürger kreierten 77 Ideen, bewerteten und kommentierten. Unter anderem jene Themenfelder, in denen sie ihrer Stadt bislang eher schwächere Noten ausstellen: Klimaschutz, Mobilität und – Digitalisierung.

Besser schnitt die Stadt mit ihren etwa 47.000 Einwohnern in den Bereichen Wirtschaft, Kultur und Freizeit ab. Stephan Siegert lacht: „Überrascht haben uns die Ergebnisse nicht. Für die Soester sind Kultur und Bildung hohe Werte, in denen der Maßstab tatsächlich sehr hoch liegt. Und als Kommune wissen wir selbst, dass wir eine ökologische Verkehrswende noch vor uns haben, unsere Kommune in Sachen Digitalisierung noch besser werden muss und auch bei Klimaschutz und Klimaanpassung noch viel zu tun ist.“

Stephan Siegert Projektmanager Soest

Als Kommune wissen wir selbst, dass wir eine ökologische Verkehrswende noch vor uns haben.“

Stephan Siegert, Projektmanager, Soest

Ideen vom Nachtbus bis zu Lotsen für Digitales

Die Liste der eingebrachten Ideen ist lang und reicht von einer smarten Radwegbeleuchtung, einem Nachtbus, einem Energiesparwettbewerb und einer Ehrenamtsplattform bis zu Klimalotsen und Lotsen für Digitales. Besonders spannend findet Projektmanager Stephan Siegert die Ideen für eine klimaneutrale Stadt und die damit verbunden sogenannten dritten Orte. Darunter versteht man nicht-kommerzielle Orte im öffentlichen Raum – zum Beispiel Bibliotheken oder Museen.

Forschungsprogramm für Soest

Angedacht ist in Soest ein umfassendes Forschungsprogramm, mit dem die Kommune in Zusammenarbeit mit Instituten, Fachleuten und Bürgern herausfinden will, was es braucht, damit die dritten Orte nicht nur bestmöglich der Bürgerschaft dienen, sondern gleichzeitig auch klimaneutrale und nachhaltige Vorzeigeorte werden. Auf dem Weg der praktischen Umsetzung will das Team auch weiterhin so viele Bürger mitnehmen wie möglich. Stephan Siegert erläutert: „Beispiel Klimaneutralität. Als Stadt Soest mit ihren städtischen Tochtergesellschaften können wir nur einen Bruchteil der derzeit anfallenden Emissionen einsparen. Wesentlicher ist hier das private Engagement. Und um das zu entfachen, müssen wir einerseits mutig und begeistert vorangehen, andererseits aber auch Behutsamkeit walten lassen. Denn die starke Verbundenheit, die unsere Bürger für ihre Stadt haben, ist ein hohes Gut, das wir trotz aller nötigen Veränderungen unbedingt bewahren wollen.“

Die Bewerbung als Smart- City-Modellregion war damals ein Sprung ins kalte Wasser. Aber einer, der sich schon jetzt ausgezahlt habe. „Nicht nur, weil die Kommune sich bezüglich ihrer Zielvorgaben neu ausgerichtet hat. Auch die Vernetzung innerhalb der Region hat sich stark verbessert. Jetzt gilt es, das Programm zu verfeinern und die Möglichkeiten für die praktische Umsetzung der Projekte zu sondieren. Und dann müssen wir mit diesem Programm rauszugehen und unsere Bürger dahinter versammelt", sagt der Projektmanager.

Fotocredits: Foto Stephan Siegert: Privat