Praxisbeispiel OZG
Digitalisierung ist in Springe Chefsache
Jeden Freitag – zumindest, wenn nichts dazwischenkommt – trifft sich Christian Springfeld, Bürgermeister von Springe, mit Andreas Depping, Chief Information Officer (CIO) und Marcus Stieg, Chief Digital Officer (CDO) zum wöchentlichen Austausch. In Springe sind IT und Digitalisierung Chefsache, ist auf der Webseite der 30.000-Einwohner-Stadt zu lesen. Konkret heißt das: Der Bürgermeister leitet den Fachdienst IT und Digitalisierung und wird unterstützt vom CIO und CDO, die für die technischen und organisatorischen Belange zuständig sind. Aktuell beschäftigt sich das Trio mit einem cloud-basierten Betriebssystem, das sie in der niedersächsischen Kommune und für die 250 Verwaltungsmitarbeitenden einführen wollen.
Kurze Entscheidungswege
„Die Digitalthemen direkt bei mir am Tisch zu besprechen, sorgt für sehr kurze Entscheidungswege“, berichtet Bürgermeister Springfeld. Vorhaben nicht erst über fünf Ecken zu platzieren und auf unterschiedlichen Ebenen erklären zu müssen, spare Zeit: vom Fachbereichsleiter zum Fachdienstleiter und wieder zurück – das geht mit dem Bürgermeister im IT-Team effizienter.
Auch CDO Stieg schätzt die kurzen Wege: „Besser könnte es nicht laufen! Wenn digitale Projekte zentral von der Verwaltungsspitze gesteuert werden, können die unterschiedlichen Maßnahmen und Interessen der Beteiligten besser aufeinander abgestimmt werden.“ Das verhindere Doppelarbeit und schaffe Synergieeffekte. „Und die beschleunigen natürlich auch den Erfolg unserer Arbeit“, betont Stieg.
Schon als Jugendlicher IT-affin
Springfeld hat nach seinem Amtsantritt 2016 peu à peu einiges umgekrempelt in der Kommunalverwaltung. Der ursprüngliche EDV-Fachdienst hat 2019 eine neue Abteilung mit drei neuen Mitarbeitern bekommen – mitsamt Chief Information Officer und Chief Digital Officer. „Es ist sinnvoll für das Thema Digitalisierung spezielle Ressourcen zu schaffen“, sagt Springfeld. Denn neben den technischen Aspekten kämen jede Menge Organisations- und rechtliche Fragen dazu.
Und Springfeld selbst? „Ich war schon immer IT-affin“, berichtet er. Schon als Jugendlicher habe er programmiert und sein erstes Geld mit PC-Services verdient. „Es ist einfach ein Thema, das mir am Herzen liegt.“ Auch in seinem vorherigen Job in der Finanzverwaltung hat ihn die IT nicht losgelassen: Er habe Datenbanken programmiert und IT-Projekte für das Land Niedersachsen betreut. Und auch als Bürgermeister betrachtet er die Verwaltungsprozesse in Springe von Beginn an mit Blick auf das Onlinezugangsgesetz. Die Zeit dafür schaufelt er sich frei. Durchschnittlich investiert er etwa zwei bis drei Stunden pro Woche, schätzt er. Je nach Bedarf schwankt sein Einsatz allerdings sehr: abhängig davon, ob gerade ein mehrtägiger IT-Workshop ansteht oder der Fachdienst auch ohne ihn auskommt.
Individuelle Lösungen für einzelne Fachdienste
Das Intranet, die Webseite der Stadt und eine elektronische Dokumentenablage waren die ersten Projekte mit Springfeld als Bürgermeister und IT-Chef. Das Intranet und die neue Webpräsenz laufen längst. Die digitale Aktenführung hingegen beschäftigt die Springer Verwaltung noch immer. „Wir dachten damals, wir ziehen das jetzt einmal glatt für das ganze Haus“, erinnert sich der Bürgermeister. Tatsächlich habe es sich als Daueraufgabe erwiesen. „Weil wir auch hier feststellen mussten, dass eine Kommunalverwaltung wie ein Gemischtwarenladen ist – mit sehr vielen unterschiedlichen Akteuren und Aufgaben.“ Die eine Lösung für sämtliche Fachdienste gibt es nicht, stattdessen erarbeitet das Digitalteam die elektronische Aktenführung mit jedem Fachdienst individuell.
Das Team startet mit „den Willigen“, Abteilungen, die digital-affin sind und Lust haben, Veränderungen mitzutragen. CDO Stieg erinnert sich an das Standes- und Bauamt als Vorreiter. Den Bauantrag samt Bauvoranfrage können Bürgerinnen und Bürger mittlerweile über eine digitale Plattform einreichen. Vorgespräche für Trauungen etwa finden seit 2020 auch online statt.
Auch das Sportstättenmanagement läuft in Springe längst digital. Benötigen Vereine Turnhallen oder Sportplätze, reichen sie den Antrag online ein. Über eine browserbasierte Softwarelösung werden sämtliche Schritte bis zur Vergabe abgewickelt. Diese Lösung brachte Springe eine Auszeichnung für Projekte ein, die einen wichtigen Beitrag zur Verwaltungsdigitalisierung leisten.
Die Technik muss sich den Menschen anpassen
Digitale Maßnahmen umzusetzen, bedeute, die Menschen abzuholen und ihnen aufzuzeigen, welche Vorteile sich daraus für ihre Arbeit ergeben, zeigt sich Springfeld überzeugt. Die Verwaltung und die dazugehörigen Arbeitsprozesse zu digitalisieren, sei nicht nur ein IT-Projekt: „Wir haben gelernt, dass es vielmehr ein riesiges Change-Management-Projekt ist, das uns noch lange begleiten wird.“ In der Praxis bedeutet das, sich mit den Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeitern an einen Tisch zu setzen und nachzuhaken: Wie arbeitet ihr? Was ginge effizienter? Ein sehr gesprächs- und abstimmungsintensiver Prozess – aber einer, der sich lohne, sind sich Springfeld und Stieg einig.
„Unser Ansatz ist: Die Technik muss sich an die Menschen anpassen, nicht die Menschen an die Technik. Damit lassen sich die Leute überzeugen“, so Stieg. Diese Herangehensweise sei der Kern der Digitalstrategie in Springe, bestätigt der Bürgermeister. Technisches Equipment könne man kaufen, technische Probleme ließen sich lösen, „aber die größere Herausforderung ist definitiv, die Leute mitzunehmen und dafür zu sorgen, dass etwas Gutes dabei herauskommt.“
Die Studie zum derzeitigen Stand der Schul-IT mit Handlungsempfehlungen finden Sie hier als PDF zum Herunterladen: